Donnerstag, 24. Dezember. 2009

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Liebes Tagebuch,

Heute ist Weihnachten. Das erste Weihnachtsfest, welches ich ohne Mama verbringe.
Letztes Jahr habe ich es zwar auch fast allein verbracht, aber immerhin wusste ich, dass Mama gleich nebenan ist.
An Tagen wie heute muss ich wieder viel an sie denken.

Weihnachten ist das Fest der Liebe. Die Liebe zur Familie. Für viele Menschen ist es das einzige Mal im Jahr, dass alle Familienmitglieder zusammenkommen und sich mal wiedersehen.
Ich verstehe nicht, wieso das so ist.
Warum müssen so viele Menschen auf den 24. Dezember und die folgenden Feiertage warten, um sich zu sehen und zu besuchen.
Wenn ich eines in letzter Zeit gelernt habe Tagebuch, dann ist es wie wichtig die Zeit mit der eigenen Familie ist und dass man sie erst richtig zu schätzen lernt, wenn man sie nicht mehr haben kann.
Tagebuch es macht mich traurig, dass Mama Weihnachten in einer Klinik verbringen muss und ich nicht mal mit ihr Telefonieren darf.
Ich hänge seit Tagen Luana in den Ohren wann ich endlich mit Mama reden darf, weil die drei Monate ja fast rum sind, aber sie sagt immer nur das sie mir das nicht sagen kann, weil das die Ärzte entscheiden müssen, die sich um Mama kümmern.
Trotzdem war heute ein schöner Tag.
Heute Morgen haben wir alle zusammen Kekse gebacken und ich habe heimlich mit Nala die Hälfte des Keksteigs schon aufgegessen bevor sie im Ofen waren.
Ich verstehe sowieso nicht, warum man Keksteig backt, wenn es roh viel besser schmeckt.
Als ich vom Teig genascht haben konnte, ich mir genau vorstellen, was Mama jetzt dazu sagen würde. Sie hatte gesagt „Marlene iss nicht so viel Teig, sonst bekommst du Bauchschmerzen und außerdem sind da rohe Eier drin, davon darf man nicht so viel essen". Das liebes Tagebuch ist genau, das, was Mama gesagt hätte, wenn sie mich beim Naschen erwischt hätte.
Ich habe das öfters, dass ich Mamas Stimme höre in Situationen, in denen ich ganz genau weiß, was sie sagen würde.

Am Nachmittag haben wir das typische Weihnachtsprogramm angesehen. Viele Märchen, eine Weihnachtsgeschichte, Michel, Pippi Langstrumpf und der kleine Lord. Ich muss sagen, dass ich den kleinen Lord vorher noch nie gesehen hatte, aber Luana hat gesagt, dass das ein typischer Weihnachtsfilm ist.
Es geht um einen kleinen Jungen, der ein relativ einfaches Leben führt. Es stellt sich heraus der sein Großvater der Lord des Landes ist und er mal sein Nachfolger wird, wenn sein Großvater gestorben ist. Deswegen muss er mit zu seinem Großvater ziehen ohne seine Mutter, denn die kann der Großvater nicht leiden und parkt sie deshalb in einem anderen Hause ab wo sie nicht stört.
Ich fühle mich auch ein wenig wie der kleine Lord. Mein Vater lebt zwar im Gegensatz zu seinem noch, aber er hat Mama kaputt gemacht und somit zähle ich ihn nicht länger als meinen Vater. Was wir noch gemeinsam haben ist das wir unsere Mutter nicht bei uns haben, aber im Gegensatz zu mir darf er seine wenigstens besuchen.
Der Großvater vom kleinen Lord ist böse und kümmert sich nicht gut um seine Arbeiter und um sein Volk. Im Laufe des Filmes schafft es der Junge seinen Großvater zu verändern und er tu
t alles, damit es seinen Arbeitern besser geht. Der kleine Lord wird im Dorf immer beliebter und gerade wenn man denkt das nur noch alles gut werden, kann kommt die Wendung. Plötzlich gibt es einen zweiten Enkel, den niemand leiden kann und der vor dem kleinen Lord an die Herschafft kommen würde. Der Großvater ist zutiefst unglücklich darüber, aber es stellt sich heraus, dass der Junge nicht sein Enkel ist. Der Film endet mit einem Weihnachtsfest mit allen, mit seiner Mutter, seinem Großvater und dem Rest der Familie.
Tagebuch, auch wenn ich weiß, dass es unmöglich ist, hoffe ich, dass Mama heute Abend als Geschenk unter dem Baum steht. Das wünsche ich mir wirklich sehr.
Abends waren wir in der Kirche und haben uns das Krippenspiel angesehen und Lieder gehört die Weihnachtlich sind.

Mama ist mit mir nie in die Kirche gegangen und ich wollte auch eigentlich nicht mit, aber Luana hat darauf bestanden.
Sie haben ein Lied gesungen über den Stern, der Maria und Josef nach Bethlehem gebracht hat.
-Als alle Hoffnung am Ende warn im dunkeln Weltenlauf, da ging im Stall vom Bethlehem der Stern der Liebe auf-

Tagebuch, wo war mein Stern, der besseren Zeiten ankündigte als meine Hoffnung am Ende war?
Ich weiß es nicht. Es gibt ihn nicht und es gab ihn auch nie...
Ich weiß nicht, wieso.
Habe ich es nicht verdient, verdient glücklich zu sein?
Tagebuch manchmal hasse ich mich selbst dafür, dass ich mir selbst Zweifel mache, wenn ich gerade glücklich bin, aber ich kann nicht anders. Ich muss viel nachdenken. Luana hat gesagt das ich genau das nicht mehr machen soll. So viel Nachdenken.
Ich sollte im Hier und Jetzt leben und nicht im hätte, wäre, könnte.
Sie hat gesagt, ich sollte aufhören darüber nachzudenken, was wäre, wenn ich etwas anders gemacht hätte.
Sie hat gesagt, dass mich das unglücklich macht, obwohl ich glücklich sein könnte.
Ich weiß das hier alle für mich da sind, aber trotzdem, Tagebuch fühle ich mich manchmal allein und so als könnte mich niemand verstehen...
Als wir von der Kirche wieder kamen haben wir gegessen und dann gab es Geschenke.
Mama war natürlich nicht dabei...
Was hatte ich auch erwartet?
Aber dafür habe ich etwas bekommen worüber ich mich sehr freue Tagebuch.
Ich bin jetzt offiziell die Patin vom Bärenbaby im Zoo und durfte mir ihren Namen aussuchen. Sie heißt jetzt offiziell Muckine und vor dem Gehege hängt jetzt ein Schild wo der Name des Bären und mein Name als Patin darunter steht. Dann steht da noch der Name von Mamabär und dem Paten.
Des Weiteren kann ich jetzt so oft ich will in den Zoo ohne bezahlen zu müssen. Auch das gehört zu meinem Geschenk. Eine Freikarte für den Zoo.

Mama hat ihren Regenschirm verloren - Wie Depressionen eine Familie verändernWo Geschichten leben. Entdecke jetzt