26. Mai. 2012

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Liebes Tagebuch,
Heute war wieder ein Tag den ich mit Mama verbringen durfte.
Mama geht es wieder gut. Sie ist jetzt fast ein Jahr frei von Depressionen und Luana hat nichts dagegen wenn ich jede zweite Woche den Samstagnachmittag mit ihr verbringe.
Das machen wir schon seit ein paar Wochen so Tagebuch.
Seit dem Mama nicht mehr diesem Druck ausgesetzt ist für mich perfekt sein zu müssen und funktionieren zu müssen ist es manchmal wie früher.
Das glaube ich zumindest.
Tagebuch glaubst du das es möglich ist das alles wieder so wie früher ist? Nach all dem was in der Zwischenzeit passiert ist?
Ich glaube es nicht. Der Mensch ändert sich mit der zweit. Das Schicksal formt einen Menschen um.
Ich hab mich verändert.
Mama hat sich verändert.
Ich glaube nicht das es dann wie früher sein kann.
Vielleicht ist es nur das was ich mir versuche einzureden damit ich Mama endlich wieder mit anderen Augen sehen kann.
Tagebuch manchmal erwische ich mich selbst dabei wie ich misstrauisch ihr gegenüber bin. Ich will das nicht aber es gibt Momente in denen mir vor Augen geführt wird das sie mich im Stich gelassen hat. Das sie nicht für mich gekämpft hat obwohl ich all meine Kraft darin gesteckt habe für sie zu kämpfen.
Im nächsten Moment wird mir wieder klar das sie krank war. Es ist nicht Mamas Schuld gewesen sondern die ihrer Gewitterwolke. Manchmal verstehe ich diese Krankheit nicht. Ich hab schon mit 7 gewusst was Depressionen sind. Eine Gewitterwolken die das ausstehen und die kleinsten Dinge schwer macht. Weil sie einen Nass Regnet und dafür sorgt das man sich nicht mehr aus dem Bett traut. Man schämt sich dafür nass geworden zu sein. Mit etwas Glück hat man einen Regenschirm der einen zumindest manchmal vor dem Regen schützt und gute Tage zulässt.
Weißt du was der Grund dafür ist das ich mich manchmal von Mama verraten fühle?
Ich weiß das es Mamas Krankheit war die sie zu all dem gebracht hat aber man kann die Krankheit nicht sehen. Man sieht nur die Person. Die Krankheit versteckt sich im Körper meiner Mutter.
Wem soll ich also sonst die Schuld gegen wenn sich die Depressionen immer hinter Mamas Rücken verstecken?
Ich glaube das es vielen Menschen so nicht nur mir. Das sie manchmal vergessen das die Krankheit Schuld am Verhalten eines Menschen ist und nicht der Mensch selbst.
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Mein früheres Ich hat so recht. Ich merke beim Lesen der Tagebücher immer wieder das ich zu diesem Zeitpunkt bereits viel durchgemacht habe.
Ich war zu diesem Zeitpunkt gerade mal 11 und war schon viel zu erwachsen für dieses Alter. Kein anderes Kind hätte sich in dem Alter solche Gedanken gemacht. Kinder neigen immer dazu das sie denken das ihre Eltern schon genug Probleme haben und sich nicht auch noch mit ihren Problemen rumzuschlagen.
Manchmal hab ich wirklich vergessen das es an Mamas Krankheit liegt. Ich kann es mir im Nachhinein nicht übel nehmen. Ich war einfach verletzt…
Es erinnert mich irgendwie an Frau Krause. Sie hab wenn ich Mama besucht habe auch immer mal bei ihr vorbeigeschaut und heute ist wie alt geworden. Sie ist dement. Ihre Kinder hat sie schon seit Monaten nicht mehr gesehen. Sie sind genervt davon ead ihrer Mutter immer alles vergisst und dann zwei mal erzählt. Sie vergessen auch das es die Krankheit ist und nicht ihre Mutter selbst und vor allem vergessen sie was ihre Mutter für sie getan hat als sie noch jüngeren waren und sie sie gebraucht haben und jetzt wo Frau Krause sie braucht sind sie nicht da…
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Luana hat mich dann zu Mama gefahren und wir sind gemeinsam ein Eis essen gegangen. Das erste Eis dieses Jahr Tagebuch.
Als wir fast fertig gegessen haben hat sich auf einmal ein fremder Mann mit zu uns an den Tisch gesetzt.
Ich hab gefragt was das soll.
Ich hab mich unwohl gefühlt. Er war mir fremd aber er schien Mama so vertraut.
Mama hat gesagt das das Henry ist ihr neuer Freund.
Nein Tagebuch nicht schon wieder…
Meine gegangen haben verrückt gespielt.
Was wenn er auch dafür sorgt das Mama krank wird?
Was wenn er genau so ist wie Felix und mir auch Weh tut?
Ich kann ihm nicht vertrauen…
„Ich hab schon viel von dir gehört Marlene“, hatte er gesagt und hielt mir die Hand hin.
„Fass mich nicht an", hatte ich gesagt und war aufgestanden.
„Marlene!“, hatte Mama gerufen.
„Nein!“
„Marlene ich…“, hatte er gesagt aber ich hatte ihn nicht aussprechen lassen.
„Lass mich in Ruhe!“, hatte ich gesagt.
Ich hatte Angst vor ihm. Ich kannte ihm nicht aber dieses Misstrauen was trotzdem da. Ich fühlte mich um Monate zurückgeworfen. Ungewollt sah ich Felix vor mut und hatte einfach nur Angst.
Ich bin nachhause gerannt ohne Mama auch nochmal anzusehen oder auf ihre Rufe zu reagieren.
Ich hab Angst Tagebuch. Davor das Mama wieder krank wird und davor das Henry genau so ist wie Felix…

Mama hat ihren Regenschirm verloren - Wie Depressionen eine Familie verändernWo Geschichten leben. Entdecke jetzt