Montag, 29. Dezember. 2009

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Liebes Tagebuch,

Als ich heute Morgen aufgestanden bin, kam Luana sofort in mein Zimmer und sagte, dass Mamas Klinik angerufen hatte und ich in einer Stunde mit ihr telefonieren könnte. Ich war überglücklich. Seit drei Monaten hatte ich nichts von Mama gehört, wusste nicht, wie es ihr ging, was sie tat oder ob sie überhaupt an mich dachte.

Tagebuch, ich hatte solche Angst vor diesem Gespräch. Was, wenn Mama mich vergessen hatte? Was, wenn sie mich gar nicht wiederhaben wollte? Als der große Moment kam, brachte Luana mir das Telefon. Die Vorfreude und die Angst waren fast unerträglich. Als ich Mama begrüßte, war ich gleichzeitig erleichtert und besorgt. Ihre Stimme klang so verschlafen und verzerrt, fast wie Felix, wenn er von einer Feier zurückkam. Aber es war definitiv ihre Stimme.

Mama sagte mir, dass sie mich vermisst und fragte, wie es mir ging. Ich erzählte ihr, dass ich bei einer netten Familie wohne, aber nur so lange, bis es ihr besser geht. Sie meinte, dass ich noch eine Weile auf sie warten müsse und entschuldigte sich dafür. Ich fragte sie, ob die Regenwolke weg sei, aber sie sagte nein und dass sie auch noch keinen Regenschirm habe. Sie erzählte mir jedoch, dass sie es in den letzten zwei Wochen geschafft habe, für mehrere Stunden aufzustehen.

Plötzlich hörte ich nur noch ein Geräusch, als ob der Hörer gefallen wäre, und als ich Mama rief, bekam ich keine Antwort. Stattdessen hörte ich eine fremde Frau am anderen Ende der Leitung. Sie fragte mich nach meinem Namen und meinem Alter. Als ich antwortete, fragte ich, warum Mama nicht mehr sprach. Die Frau erklärte nur, dass es Mama schon besser gehe, seit sie dort sei, aber es noch lange dauern würde, bis es ihr wieder gut gehe. Dann legte sie auf.

Das war also der Anruf, auf den ich so lange gewartet hatte? Luana kam zurück und fragte mich, was los sei. Ich erzählte ihr von dem Gespräch und dass Mama sich seltsam angehört hatte. Luana erklärte mir, dass Mama Medikamente bekommt, die helfen, die Regenwolke seltener zu sehen. Diese Medikamente sorgen dafür, dass sie weniger nachdenkt, was sie müde macht und ihre Fähigkeit zu sprechen einschränkt. Momentan bekommt sie eine hohe Dosis, aber das wird bald weniger werden.

Tagebuch, ich mache mir jetzt noch mehr Sorgen um Mama. Ich hatte mir erhofft, dass wir uns wie früher unterhalten könnten, dass ich ihr von Muckine, Liv, Linus und Nala erzählen könnte. Aber es scheint, als ob es Mama noch schlechter geht, als ich dachte.

Mama hat ihren Regenschirm verloren - Wie Depressionen eine Familie verändernWo Geschichten leben. Entdecke jetzt