Donnerstag, 22. Oktober. 2009

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Liebes Tagebuch,

Es ist jetzt schon drei Wochen sehr seitdem ich Mama das letzte Mal gesehen habe.
Um genau zu sein 3 Wochen, einen Tag und sieben Stunden.
Es war 11 Uhr gewesen als mich die Polizei von Mama weggeholt hatte. Das weiß ich noch genau.
Ich zähle die Wochen, die Tage und die Stunden bis ich das erste Mal mit Mama Telefonieren darf.
Luana hat gesagt, dass sie das wahrscheinlich das erste Mal nach drei Monaten darf. Es wird also kurz nach Weihnachten sein, wenn ich mit ihr reden darf.
In zwei Monaten, einer Woche und 6 Tagen.
Tagebuch kennst du das Gefühl von Heimweh?
Wahrscheinlich nicht, aber ich habe Heimweh nach Mama.
Nach der alten Mama, die es vor dem Regen, den Wolken und den Regenschirmen gab.

Heute waren ein paar Frauen hier, die sich mit mir unterhalten wollen.
Ich habe gelauscht als sie gekommen sind.
Eine von diesen Frauen war Sophie, eine andere eine Polizistin und die dritte kannte ich nicht.
Sie haben zu Luana gesagt das sie hier sind um zu sehen wie ich mich entwickelt habe und um meinen aktuellen psychischen Zustand einzuschätzen.
Tagebuch, warum müssen Erwachsene immer so komische Wörter benutzen.
Weißt du was ein psychischer Zustand ist?
Ich weiß es nicht.
Tagebuch ich habe in der Zeit seit ich hier bin viel gelesen und viel nachgedacht.
Man sagt, alles passiert aus einem bestimmten Grund.
Ich verstehe den Grund aber nicht, warum das alles passiert. Ich glaube das derjenige der über das Schicksal von Menschen entscheidet mich nicht leiden kann und ich weiß nicht, warum, was habe ich demjenigen je getan?
Tagebuch, das ist auch der Grund, warum ich einfach nicht am Gott glauben kann. Wenn es wirklich jemanden geben würde, das in alles eingreifen könnte und der alles verändern könnte, warum passiert einem dann so viel Scheiße im Leben?
Mama hätte jetzt gesagt, dass man solche Wörter nicht sagt, aber genau genommen habe ich es auch nicht gesagt, sondern geschrieben und das ist ein Unterschied.
Ich verstehe das nicht, das Tagebuch, das will einfach nicht in meinen Kopf rein...
Die drei Frauen sind dann in meinem Zimmer gekommen und haben gesagt, dass sie sich gerne mit mir unterhalten würden.
Die Fremde Frau hat gesagt das sie Paulina heißt und wie der Name der Polizistin war weiß ich nicht mehr, aber es ist mir auch egal.
Keine Frage, die von der Polizistin kam, hatte ich beantwortet.
Sie war eine von denen, die mich aus dem Haus gezerrt hatten. Weg von Mama und das, obwohl ich geschrien, geweint und um mich geschlagen habe.
Eigentlich sagt man immer, die Polizei ist dein Freund.
Meine Freunde sind die nicht mehr Tagebuch.
Toni der Mann von Luana hat Glück, dass er Kriminalkommissar ist. Liv hat gesagt, dass das, was
anderes ist als die normale Polizei. Sie hat gesagt, dass die da sind, um Verbrechen aufzuklären und mit denen zu reden, die dabei waren.
Somit ist er keiner von denen und hat zumindest noch die Chance mein Freund zu werden.
Richtig warm geworden bin ich mit Toni noch nicht, aber mit Linus ihrem Sohn auch noch nicht so richtig.
Ich brauche Zeit, um den beiden vertrauen zu können. Viel Zeit, aber ich glaube, dass ich das irgendwann kann.
Mein Instinkt sagt mir, dass es geht. Ich habe keine böse Vorahnung so wie bei Felix damals.
Die Frauen haben angefangen, mir Fragen zu stellen.

Wie es mir geht.
Ob ich oft an Mama denke.
Wie ich mich fühle, wenn ich an sie denke.
Ob ich manchmal das Gefühl habe, dass mir alles zu viel wird.
Wie ich mich hier in dieser Familie fühle.

Tagebuch, sie haben mir so viele Fragen gestellt.
Fragen, die ich teilweise nicht beantworten kann.
Ich weiß nicht, wie ich mich fühle, wenn ich an Mama denke. Ich fühle so viel und alles ist durcheinander.
Sie haben noch weiter gefragt und Paulina hat die ganze Zeit irgendwas aufgeschrieben.
Tagebuch, ich weiß, was Paulina ist. Sie ist sowas wie Frau Schuster. Sie stellt dieselben Fragen, die Mama damals gestellt wurden.
Warum sollte ich sowas brauchen?
Ich habe keine Depression so sie Mama.
Tagebuch, das macht mir Angst. Ich wies nicht, was sie von mir wollen Sie haben alle die ganze Zeit so geschaut als ob sie irgendwas Bestimmtes von mir erwarten aber ich weiß nicht was.
Sophie und die Polizistin sind dann gegangen und dafür ist Luana mit hereingekommen.
Paulina hat dich auf meinem Schreibtisch liegen sehen und hat mich gefragt wie lange ich das schon mache, Tagebuch schreiben.
Seit über zwei Jahren schreibe ich dir Tagebuch.
Es tut mir leid, dass ich dir die meiste Zeit nichts gutes Schreiben konnte.
Sie hat gefragt, ob sie mal hereinzuschauen kann. In mein erstes Tagebuch, mit dem alles angefangen hat.
Ich wollte nichts, dass sie reinschaut, aber ich habe trotzdem ja gesagt und es ihr gegeben.
Sie hat ein bisschen darin gelesen und mich gefragt als was ich dieses Buch sehe.
Ich sehe die Tagebücher als meine Freunde. Die einzigen, den ich etwas erzählen könnte. Die einzigen, mit denen ich meine Sorgen teilen konnte.
Sie hat mich gefragt, warum ich nie mit jemand anderem darüber gesprochen habe.
Weil ich es Mama versprochen habe! Nur deswegen. Und weil ich Angst vor dem hatte, was passiert, wenn ich was sage. Und trotzdem ist genau das passiert, vor dem ich immer Angst hatte.
Ich konnte und durfte nicht länger bei Mama bleiben.

Mama hat ihren Regenschirm verloren - Wie Depressionen eine Familie verändernWo Geschichten leben. Entdecke jetzt