Montag, 5. Oktober. 2009

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Liebes Tagebuch,

heute ist etwas passiert.

Eine Veränderung und ich weiß nicht, ob ich es gut oder schlecht finden soll, aber ich glaube, es ist eher schlecht.

Sophie hat eine Pflegefamilie für mich gefunden und mich heute Morgen gleich hingefahren.

Jetzt, wo es eine Pflegefamilie gibt, wird mir klar, dass es nun Wirklichkeit ist. Das ich Mama jetzt wirklich nicht mehr sehen werde. Das ich bei einer fremden Familie leben soll.

Tagebuch, du wirst nie erraten, welche Familie es war, zu der ich gefahren wurde.

Familie Wolf. Ich gehöre jetzt zur Familie Wolf. Ich weiß, dass dir das vermutlich nichts sagt, aber wenn ich dir sage, dass die älteste Tochter dieser Familie Liv heißt, weißt du, von wem ich spreche.

Ich habe herausgefunden, dass Luana, diese Ärztin, die mich in der Schule untersucht hat, die Mutter von Liv ist.

Luana arbeitet als Ärztin in einer Praxis gleich neben an.

Sie ist verheiratet mit Antonio, den aber offenbar alle Toni nannten. Er arbeitet bei der Polizei als Kriminalhauptkommissar.

Tagebuch, ich glaube, das ist eines der längsten Wörter, die ich je geschrieben habe, und wenn ich ehrlich bin, habe ich es vorher ein paar Mal schreiben geübt.

Beide sind 35 Jahre alt und haben drei gemeinsame Kinder. Liv ist die Älteste. Sie ist 16 und geht in die zehnte Klasse. Dann haben sie einen Sohn, Namens Linus. Er ist 14 und geht in die achte Klasse und die jüngste ist Nala. Sie ist zwölf und geht in die sechste Klasse.

Sophie hat gesagt, dass ich mich hier sicher schnell wohlfühlen werde, aber ich habe kein Wort gesprochen, mit niemandem.

Ich glaube, ich weiß jetzt, wer schuld daran ist, dass ich nicht mehr bei Mama sein kann. Liv und Luana. Die beiden mussten mich beim Jugendamt angeschwärzt haben und jetzt haben sie ein schlechtes Gewissen, weil sie meine Familie kaputtgemacht haben.

Luana hat mir nur gesagt, wo mein Zimmer ist und ich bin hineingegangen und seitdem nicht wieder herausgekommen.

Sie ist gleich hinterhergekommen und hat durch die Tür gerufen, dass es um sechs Abendessen gibt und ich zum Essen kommen soll oder sonst geholt werde.

Sie hat sich dann mit Sophie unterhalten. Sophie sagte, dass sie mir Zeit geben soll und Luana hat nur gesagt, dass sie das auch gerne tut, aber ich endlich mal wieder einen geregelten Tagesablauf brauche, um wieder klarzukommen.

Sie hat gesagt, dass ich nicht das erste Kind sei, welches sie betreut und dass man erst ein Arschloch sein muss, bevor man ihr Freund werden kann.

Tagebuch ich bin dann wirklich zum Essen gegangen, aber nur, damit sie mich nicht nervt und ich schnell wieder auf mein Zimmer verschwinden kann.

Liv hat versucht, mit mir zu sprechen, aber ich habe geschwiegen.

Irgendwann wurde es mir zu viel.

Ich habe sie angeschrien.

Ich habe sie einfach angeschrien.

„Du bist schuld. Du bist an allem schuld! Warum konntest du mich nicht in Ruhe lassen? Warum? Warum hast du dich eingemischt?

Es hat so gut funktioniert. Ich konnte es zwei Jahre geheim halten, weil ich es Mama versprochen habe, zwei Jahre! Und dann kamst du und hast alles kaputtgemacht! Du hast mir Mama weggenommen. Du hast meine Familie kaputtgemacht, also brauchst du jetzt nicht so zu tun, als ob nichts gewesen wäre!", habe ich geschrien.

Tagebuch, ich bin so wütend auf sie und ich kann mich genau an ihrem verletzten Gesichtsausdruck erinnern.

Luana hat gesagt, dass sie sich das nicht zu Herzen nehmen soll, dass ich das nicht so meine. Dass es ganz normal ist, dass ich erst mal ausbreche und jemandem die Schuld gebe. Sie hat gesagt, in Wirklichkeit ist es nur Erleichterung, weil eine Last von mir fällt, die ich schon viel zu lange mit mir herumtrage.

Mama hat ihren Regenschirm verloren - Wie Depressionen eine Familie verändernWo Geschichten leben. Entdecke jetzt