21. Februar. 2010

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Liebes Tagebuch,

Es ist schon nach 11 Uhr, und ich kann nicht schlafen. Ich habe mich heute mit Luana gestritten, und ich bin so wütend auf sie! Sie hat die ganze Zeit gewusst, wie es um Mama steht, und hat mir nichts gesagt, obwohl ich sie so oft gefragt habe. Wenn ich nicht zufällig das Gespräch mitbekommen hätte, hätte sie es mir wahrscheinlich nie erzählt.

Heute Morgen habe ich Luana mit dem konfrontiert, was ich am Abend zuvor gehört hatte. Ihre Reaktion war, dass sie es nicht richtig findet, dass ich ihre Gespräche belausche, und dass sie enttäuscht ist. Ich habe sie angeschrien. Warum hat sie mir nichts gesagt, obwohl sie es die ganze Zeit wusste?

Luana hat gesagt, dass sie mich nur beschützen wollte. Sie meinte, sie kennt mich gut genug, um zu wissen, dass ich mir dann die Schuld geben würde, obwohl ich nichts für den Rückfall von Mama kann. Aber ich glaube, dass ich doch etwas dafür kann – schließlich hatte Mama den Rückfall wegen mir!

Luana hat versucht, mir zu erklären, dass es einfach zu früh für das Telefonat war, dass Mama noch nicht bereit war, und dass ich noch zu klein bin, um ständig mit Rückschlägen konfrontiert zu werden. Sie sagte, dass wir wissen, dass solche Nachrichten mich traurig machen und in ein Loch voller Zweifel stürzen können, was mich irgendwann kaputt machen würde. Ich wollte das nicht hören, Tagebuch. Ich war so wütend.

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Für mein früheres Ich war diese Zeit ein ständiges Auf und Ab, das kein Ende zu haben schien. Es fühlte sich nicht mehr wie ein Tornado an, wie ich es früher beschrieben habe, sondern wie eine Schaukel. Immer wenn man denkt, man kommt voran, wird man wieder zurückgeworfen. Die Schaukel verliert zwar mit der Zeit ihren Schwung, aber der Rückwurf ist nie ganz so weit wie beim letzten Mal. Dennoch ist es schwer, immer wieder die gleiche Erfahrung zu durchleben.

Es gibt Momente, die der Schaukel wieder Schwung geben, sodass man noch weiter zurückgeworfen wird. Es ist erst vorbei, wenn die Schaukel schließlich stillsteht, und bis dahin wird es noch viele Höhen und Tiefen geben.

Ich weiß, dass ich in dieser Situation nicht wirklich sauer auf Luana war. Eigentlich war ich einfach nur erschöpft und verzweifelt, weil ich mir Sorgen machte, dass es Mama wieder schlechter ging. Das war genau das, wovor mich Luana schützen wollte. Ich bin ihr dankbar, dass sie und ihre Familie für mich da waren und mir Halt gegeben haben, auch wenn ich sie angeschrien habe. Das war meine Art zu zeigen, dass ich Hilfe brauchte und überfordert war. Ich bin froh, dass sie mich nicht fallen gelassen haben, sonst hätte ich wohl wirklich daran kaputtgehen können.

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Nachdem ich mich mit Luana gestritten hatte, bin ich mit dem Fahrrad zu Karla gefahren. Ich konnte und wollte Luana gerade nicht sehen. Ich habe Karla erzählt, was passiert ist, und ihre Mutter, Hannah, hat mir sofort angeboten, bei ihnen zu schlafen und morgen zusammen mit Karla zur Schule zu gehen. Das war mir lieber, als zu Luana zurückzukehren.

Aber ich wusste, dass Hannah mit Luana telefoniert hatte, denn plötzlich waren meine Schulsachen und einige Klamotten aufgetaucht. Hannah hat versucht, mich auszufragen und mich zu überreden, Luana anzurufen, aber ich kann das gerade nicht, Tagebuch. Es raubt mir den Schlaf, weil ich wieder zu viel nachdenke. Aber im Moment geht es einfach nicht...

Mama hat ihren Regenschirm verloren - Wie Depressionen eine Familie verändernWo Geschichten leben. Entdecke jetzt