2. November. 2013

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Liebes Tagebuch,
Ich hab tolle Neuigkeiten!
Ich werde Tante.
Also nicht wirklich, aber irgendwie schon.
Liv war heute Nachmittag gemeinsam mit Jonah zu Besuch und hat verkündet das sie ein Baby bekommt und das ich somit Tante werde.
Tagebuch findest du das ich sagen kann das ich Tante werde? Liv ist ja nicht wirklich meine Schwester aber es fühlt sich für mich so an. Seit mitlerweile 4 Jahren lebe ich bei Luana und ihrer Familie und wenn ich ehrlich sein soll würde ich auch nicht wieder zu Mama zurück wollen. Zumindest nicht für immer.
Ich habe guten Kontakt mit Mama wir sehen und Regelmäßig und es geht ihr in letzter Zeit wirklich gut gerade seit dem Henry an ihrer Seite ist. Aber ich glaube das wir beide diesen Abstand brauchen damit wir auch weiterhin gut miteinander klar kommen. Es würde immer nur Ärger geben wenn ich die ganze Zeit bei ihr wäre. Ich glaube das das größtenteils an mir liegt. In meinem Kopf hab ich immer noch das Bild von Mama wie sie war bevor sie die Depressionen hatte und ich will immernoch diese Mama zurück. Aber diese Mama gibt es nicht mehr Tagebuch. Sie ist verschwunden. Mama hat sich verändert aber es geht ihr wieder gut und sie ist glücklich und das ist die Hauptsache.
Deswegen bin ich froh bei Luana in einer so tollen Familie gelandet zu sein. Sie nimmt immer Rücksicht und richtet sich nach den Bedürfnissen der Kinder die sie betreut. Sie müsste mir den Kontakt zu Mama nicht erlauben. Wenn es nur nach dem Jugendamt gehen würde würde ich sie nicht mehr sehen. Mama hat ihre Chancen verbraucht. Aber trotzdem erlaubt sie es mir und sagt immer wieder das sie sich nie zwischen mich und Mama stellen würde solange es uns beiden gut damit geht.
Liv hat neulich zu mir gesagt das ich mich wirklich glücklich schätzen kann das ich so gut mit Mama klar komme. Das ist keine Selbstverständlichkeit bei Kindern wie mir und gerade nach dem was alles passiert ist. Ich bin Mama nicht mehr böse. Ich bin nicht mehr böse darüber das sie nichts getan hat. Sie war genauso wie ich machtlos durch die Krankheit und ich war machtlos weil Mama machtlos war...
Eleni, Lyara und Leo würden ihre Eltern wahrscheinlich nie wieder sehen und würden es vermutlich auch nicht wollen. Für die drei ist es besser sie nie wieder zu sehen genau so wie ich meinen Vater nie wieder sehen will...
Liv hat noch was gesagt Tagebuch. Eigentlich sind Kinder die so alt sind wie ich nicht mehr in Pflegefamilien. In der Regel werden nur für Kinder bis Maximal 12 Jahre Pflegefamilien gesucht. Alle die älter sind gehen in die Heime.
Im Heim lernen die Kinder dann ein selbstständiges Leben zu führen damit sie wenn sie 18 sind allein zurecht kommen.
Liv hat gesagt das es vor mir schon mindestens 6 Kinder gab bei denen es auch so war. Sie waren nur übergangsweise für ein paar Monate oder maximal 2 Jahre in der Familie bis ein Heimplatz für sie gefunden wurde. Sie hat gesagt das es nur sehr weniger Pflegefamilien gibt bei denen die Kinder für immer da bleiben. Das ist meistens bei den Kindern so für die ein verlassen der Familie zu großen Problemen führen würde. Eleni könnte zum Beispiel wieder stumm werden und keinen mehr an sich heran lassen so wie sie war als sie hier her kam und auch Leo und Lyara könnten in ihre alten Muster zurückfallen. Liv hat gesagt das sie nicht glaubt das das bei mir der Fall wäre aber das sie mich so ins Herz geschlossen haben das sie mich nie wieder her geben würden und vor allem das ich inzwischen auch sehr wichtig für die anderen Pflegekinder geworden bin.
Tagebuch sie hat gesagt das ich ein Vorbild für die anderen bin und irgendwie macht mich das ein bisschen stolz.
Liv hat etwas gesagt das wirklich gut passt. Sie hat gesagt das wir Schattenkinder sind.
Wir sind Kinder sie im Verborgenen, im Schatten der Gesellschaft ums überleben kämpften.
Irgendwann kam etwas was unseren Schatten nahm und uns sichtbar machte. Wir haben unsere Schatten angelegt Tagebuch und sind jetzt selbst ein Teil der Gesellschaft das darauf achten muss welcher Mensch sich im Schatten, im Verborgenen  bewegt und wie man ihm helfen kann. Liv hat gesagt das sie froh ist das ihr Kind in dieser Familie aufwachsen wird. Damit es gar nicht erst auf die Idee kommt das Menschen die sich anders Verhalten schlecht sind. Denn das Tagebuch ist auch ein Phänomen der Gesellschaft. Was ein Kinder nicht kennenlernt wird ein Erwachsener nie akzeptieren. Ich weiß wie es ist wenn jemand in der Familie krank ist und sich anders verhält. Ich würde nie auf die Idee kommen jemanden auf sein Verhalten oder sein Äußeres zu reduzieren und ihn deswegen fertig zu machen. Ich glaube das es das ist was in der Gesellschaft falsch läuft. Kinder wachsen in dem Glauben auf das Die Welt ein toller Ort ist. Das es in Deutschland oder anderen Ländern die als Industriestaaten gelden keine Probleme gibt. Das es jedem Menschen gut geht. Aber das stimmt nicht. Und es ist ja auch nicht schlimm wenn es einem etwas besser geht als anderen. Es wird nie gerecht zugehen aber es ist wichtig das man das weiß damit man das akzeptieren kann und Menschen denen es schlechter geht als einem selbst unterstützen kann.
Tagebuch immer wenn ich darüber nachdenke ist mein Kopf voller Gedanken. Ich weiß nicht wo es Sinn macht was ich dir schreibe aber ich hoffe das man es verstehen kann.
„Marlene wenn es dir gut geht,  hilf einem anderen und bitte ihn das gleiche zu tun wenn ein anderer Hilfe braucht. Du kannst damit beginnen diese Welt ein bisschen besser zu machen „
Das hatte Mama mir immer wieder gesagt schon seit dem ich klein bin und damit hat sie so recht. Wenn alle sich daran halten würden wäre diese Welt so viel schöner.

Mama hat ihren Regenschirm verloren - Wie Depressionen eine Familie verändernWo Geschichten leben. Entdecke jetzt