10. Steig in meinen Wagen

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Am nächsten Tag ging ich, wie verabredet, mit Toni noch ein Bier trinken nach der Arbeit. Zu Beginn erzählte er noch irgendwelche Geschichten von seinen Reisen nach Afrika und Asien, tatsächlich nicht so spannend, wie man denken könnte. Zu jedem halben Bier bestellte er sich zusätzlich einen Vodka und hatte schon bald ganz schön einen sitzen, bis er es nicht mehr aushielt und seine Fragen stellte.
„Also du und der Rapper von gestern. Seid ihr ein Paar?". Man merkte seine schwere Zunge. „Nein, wir sind Freunde. Ich möchte mit dir nicht über Volkan sprechen, okay?". Ich fühlte mich unter Druck. Es ging ihn nichts an und ich traute Toni nicht, die Infos für sich zu behalten.
„Wieso? Ist doch nichts bei, wenn ihr nur befreundet seid. Oder hast du finanzielle Vorteile dadurch, über die du nicht sprechen willst?".

„Toni, das reicht." etwas wütend beendete ich seine Stichelei.
„Naja in erster Linie frage ich ja auch..." er rutschte etwas näher zu mir und ich roch den Alkohol aus seinem Mund. Es schüttelte mich kurz. „...weil ich dich gerne mal zum Essen einladen würde.". Während er sprach, legte er seine Hand auf meinen Oberschenkel. Mein Blick folgte seiner Hand. Ich griff nach ihr und legte sie auf sein eigenes Knie.
„Toni, ich möchte nicht angefasst werden, okay. Du bist ultra blau, mach nichts, was dir morgen leidtun wird."

„Das wird mir nicht leidtun. Ich habe schon seit ein paar Wochen ein Auge auf dich geworfen und finde dich toll. Und wenn du nicht in festen Händen bist, steht dem ja nichts im Weg."

„Selbst wenn ich Single wäre, heißt das doch nicht, dass ich mit dir sein will. Hör zu, das wird mir etwas unangenehm gerade. Ich möchte lieber gehen. Bis dann, Toni.". Schnell zog ich mir meinen langen Mantel an, den Schal trug ich in der Hand, um nicht noch mehr Zeit zu verlieren, um aus der Bar zu kommen. Ich wollte hier weg und sofort kam mir ein Name in den Sinn. Ich rief Volkan an. Auch nach dem achten Klingeln nahm er nicht ab. Fuck

V 22:07: Hey, kannst du mich vielleicht abholen? Stecke ein bisschen fest. Du hattest Recht, was Toni anging. Bin gerade aus der Bar an der Ecke meiner Arbeit geflüchtet.

Nur ein Haken hinter meiner Nachricht. Prima.

Ich stellte mich um die Ecke, damit Toni mich nicht mehr sah, falls er auch rausging und drehte mir eine Zigarette. Ich entschied mich dann doch einen Uber zu nehmen. Ihr Konto wurde vorübergehend gesperrt. Bitte nehmen Sie Kontakt zu unserem Kundensupport auf. Wir sind erreichbar zwischen....FUCK!
Ich wollte gerade meine Zigarette am Boden austreten, als eine Gruppe von drei Männern an mir vorbeilief. Einer schaute mich eine Sekunde zu lang an und ich wusste, sie würden zurückkommen. Ich nahm alibimäßig mein Handy ans Ohr und tat so, als telefonierte ich mit meinem Freund. Einer der Männer bog nun tatsächlich wieder um die Ecke und blieb direkt vor mir stehen. Ich bedeute ihm mit meinem Blick ein ‚Was willst du'.

„Na, sexy Lady, ganz alleine hier?"

„Verpiss dich"

„Die Schlampe denkt, sie darf was sagen" lachte er mir kehlig entgegen und kam einen weiteren Schritt auf mich zu. Zeit zu flüchten. Ich versuchte an ihm vorbeizugehen. Mir war nun die Kneipe inklusive Toni doch lieber als dieser Typ. Er hielt mich fest am Oberarm und zog mich zu sich heran.

„Lass mich los, hast du sie noch alle?!" Der Typ griff jedoch mit seiner Hand direkt in mein Gesicht und kam mir gewaltig nah. An meinem Ohr zischte er zwischen zusammengepressten Zähnen.
„Ich entscheide hier, nicht du, kleine Fotze, alles klar?"
Ich versuchte mich aus seinem Griff zu winden und wollte ihm eine mit meinem Knie verpassen. Gleichzeitig fing ich an zu schreien, doch was war unter der Woche im Winter zu erwarten...
Der Typ schien etwas wütend zu werden und presste mich gegen die Hauswand. Mein Kopf knallte gegen die harte und kalte Steinwand. Gleichzeitig spürte ich seinen Unterleib an mir und mir wurde direkt schlecht vor Ekel.
„Wenn ich will, ficke ich dich jetzt und hier". Er rieb sich immer wieder an mir. Ich versuchte mich wegzudrehen und mich an die Inhalte des Selbstverteidigungskurses zu erinnern. Vergeblich holte ich mit den Ellenbogen aus, doch auch meine Beine hatten keinen Erfolg. Ruckartig löste er sich von mir. Ich öffnete leicht die Augen und sah ihn am Boden liegen. Perplex versuchte ich die Situation zu verstehen und schaute mich um. 
Volkan über ihm stehend, die Wut ins Gesicht geschrieben.
„Steig in meinen Wagen." rief er mir mit dunkler Stimme zu. Auch ich bekam Angst vor ihm. Er wirkte nun noch einen Meter größer, doch ich war wie angewurzelt.
„Geh schon, los." setzte er noch nach und schaute mich auffordernd an. Ich lief sofort in den Mercedes, der provisorisch halb auf dem Gehweg geparkt stand, die Fahrertür noch offen, Licht brannte. Ich setzte mich hinein und zog sofort die Tür hinter mir zu. Ich sah, wie Volkan den Typen an seiner Jacke zu sich hochzog und ihm etwas direkt ins Gesicht sagte. Er stellte ihn wieder auf die Beine, nur um ihm dann mit einem direkten Schlag zwischen die Augen wieder niederzustrecken.
Der Typ machte keine Anstalten aufzustehen und hielt sich die Nase. Autsch...
Volkan stupste mit seinem Dr. Marten noch einmal gegen ihn und drehte sich in Richtung Auto. Er stieg ein und fuhr rückwärts zurück auf die Straße, um mit quietschenden Reifen davonzukommen. Das Adrenalin in meinem Körper ließ etwas nach und ich fing sofort an zu Weinen. Volkan fuhr uns in ein nahegelegene Waldgegend. Ohne ein Wort zu sagen, parkte er den Wagen an einem kleinen unbefestigten Weg und stieg aus. Unter Tränen hörte ich, wie sich meine Tür öffnete, er meine Hand von meinem Gesicht löste und mich zu sich nach draußen zog. Sofort schlang er die Arme um mich und drückte mich gegen seine Brust. Die Tränen liefen unkontrolliert hinunter und sickerten in seinen Pullover ein. Ich fing stark an zu schluchzen und seine Hände auf meinem Rücken drehten kleine Kreise. Ich hörte ihn leise Sch Sch Sch sagen, so wie man es bei kleinen Kindern machte, um sie zu beruhigen. Ich rang nach Luft, um mich endlich bei ihm bedanken zu können, doch er unterbrach mich mit seiner tiefen Stimme.
„Sag jetzt nichts. Ich muss nur wissen, zu wem wir fahren." 

Blick zu den Sternen  - Apache 207Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt