15. Wärmflasche, Tee und Sternchensuppe

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Im Van, zurück nach Berlin, wählte ich einen Platz in der Ecke, steckte mir die Kopfhörer in die Ohren und schloss die Augen. Ich wollte nicht angesprochen werden und meine gesamte Körperhaltung schien das auch zu vermitteln. Als wir kurz Rast machten, da einigen nach dem gestrigen Saufgelage etwas schlecht wurde vom Fahren, stellte sich Sasan zu mir. Er machte deutlich, mit mir sprechen zu wollen.

"Was war das letzte Nacht?
"Hm?". Ich zog den Kopfhörer aus meinem Ohr. 
"Volkan war total durcheinander, als ich ihn zu Johannes geholt habe. V, ich dachte das mit euch ist platonisch."
"Ist es auch" antwortete ich wie aus der Pistole geschossen.
"Warum sagt mein Bauchgefühl mir was anderes."
Ich blickte nicht auf und schüttelte nur weiter den Kopf.
"Sasan, wir sind Freunde. Mehr nicht. Volkan ist ein toller Mann, aber eben keiner für mich." versuchte ich locker rüber zu bringen. Sasan schaute prüfend in mein Gesicht, bis jedoch auch Volkan von der Toilette zurückkam und sich zu uns stellte. Ein Glück, die Rettung vor dem Verhör. Er zündete sich eine Zigarette an und sprach noch, während er mit dem Feuerzeug rumhantierte.
"Wir fahren gleich in Berlin rein. Die setzen mich an meinem Wagen ab. Ich kann dich mitnehmen, wenn du willst". Er blickte mich direkt an und ich konnte nur Nicken. Ich freute mich auf meine Wohnung und einen Moment allein für mich und meine Gedanken. 
Gesagt, getan fuhr er mich zu meiner Wohnung, hielt in zweiter Reihe. Wir verabschiedeten uns mit einer schneller Umarmung, die ich absichtlich kürzer hielt und ich ging sofort wieder ins Bett. Meine Träume waren wirr und auch, als ich am nächsten Morgen aufwachte, fühlte sich alles anders an. Ich hatte einen Stein im Magen und fühlte mich unwohl in meiner Haut.
Auch in den nächsten Tagen verschlechterte sich mein Zustand und ich blieb mit einer Decke auf der Couch, meldete mich krank. Sam rief an, um sich nach mir zu erkundigen und mir etwas menschlichen Austausch, neben meinem Serienmarathon, zu geben.
Eigentlich hatte er mit mir über Sarah sprechen wollen und brauchte einen guten Vorwand. Er schien sich verliebt zu haben und wusste nicht weiter. Ich wiederholte ungefähr zum dritten Mal meinen Appell, mit ihr darüber zu sprechen, bis mich das Klingeln an der Tür unterbrach.
"Sam, bist du das? Ich hab doch gesagt, dass ich krank bin. Du steckst dich doch an.". In meinem Schlafanzug trottete ich zur Tür, während ich ihn anging.
"Das bin ich nicht. Wirklich!"
"Äh...Bleib mal dran... Hallo?" fragte ich an die Gegensprechanlage gewandt. 
"Mach mal auf" lachte es entgegen. Ich erkannte seine Stimme sofort und drückte ohne noch etwas zu antworten auf den Summer. 
Volkan stapfte die Stufen hoch zu meiner Wohnung und machte große Augen, als er mich sah.
"Was'n da los? Ist heute schon wieder Sonntag?"
"Das hat man davon, wenn man unangemeldet bei mir aufkreuzt. Komm mir nicht zu nah, ich bin krank".
Er kam doch näher und kniff im Vorbeigehen mit seinem Zeige- und Mittelfinger in meine Wange, wie man es bei Kindern manchmal sah.
"Bin doch ein großer, kräftiger Mann. Ein Schnupfen haut mich nicht um.". Er quetschte sich an mir vorbei und zog die schweren Plateaustiefel im Flur aus.
"Ey, das kannst du dir nicht leisten, ernsthaft. Ich hab nicht nur 'ne Erkältung.". Der letzte Teil kam etwas leiser aus mir heraus.
"Was hast du denn?". Fragend stand er im Flur und starrte mich an.
"Magenschmerzen..". Ich suchte das Wort, was am wenigsten Phantasien auslösen würde. Er durchschaute meinen Versuch jedoch, nicht die Wahrheit sagen zu müssen.
"Na gut, dann sprechen wir wohl nicht einfach aus, dass du Magen-Darm hast." lachte er und warf nun auch die Jacke ab.
"Hör auf so beschämt auf den Boden zu starren, als wüsste ich nicht, dass Frauen auch bestimmte Dinge im Bad machen.". Selbstsicher lief er nun in mein Wohnzimmer und brachte mich tatsächlich zum lächeln mit seiner entspannten Art, bei der ich mich scheinbar nicht verstellen musste.
Überall standen Tassen rum, die markierten, dass ich  in den letzten Tagen nicht zum Saubermachen der Wohnung kam.
"Leg dich mal wieder hin, ich mach dir 'ne Wärmflasche ". Ohne zu protestieren trottete ich zurück auf die Couch und wickelte mich in die flauschige Decke ein, die schon seit Tagen mein stätiger Begleiter war. Eine dumpfe Stimme war hörbar und Volkan streckte überrascht seinen Kopf aus der Küche.
"Hast du n Typen hier? Hättest du doch gleich sagen können, anstatt so'ne doofe Ausrede zu erfinden" hörte ich ihn lachen und überlegte selbst, woher die Stimme kam. Mir fiel Sam wieder ein, der seit einigen Minuten in der Leitung gewartet haben musste. Ich schlug die Hand vor den Mund, winkte Volkans Anmerkung nur ab und eilte zum Telefon.
"Sam, scheiße ich hab dich voll vergessen. Volkan ist gekommen und lässt sich nicht überreden zu gehen und kramt irgendwas in meiner Küche. Ich meld' mich später bei dir, ja?. Und du sprich endlich mit Sarah!". Nachdem wir auflegten, kam Volkan zurück ins Wohnzimmer, bepackt mit einer Wärmflasche, Tee und einer Schüssel mit Sternchensuppe.
"So müsste es gehen. Rutsch mal rüber, V. So wirst du bestimmt schneller wieder fit.". Er zuppelte ein wenig an der Decke, um sie auch auf seinen Beinen auszubreiten und legte die Arme ausgebreitet auf meiner Rückenlehne ab. 
Er blieb in dieser Nacht und schlief auf meiner Couch. 
Er hatte Recht behalten, am nächsten Tag ging es mir schon deutlich besser. Volkan hatte Frühstück bestellt, was bereits auf meinem kleinen Couchtisch ausgebreitet stand, als ich aus dem Schlafzimmer kam. Er stand auf dem Balkon, halb über das Geländer gelehnt. Er trug nur sein Unterhemd und seine Jogginghose und hielt sich konzentriert das Handy ans Ohr. Ich bediente mich derweil bereits an den grünen Oliven und setzte einen Kaffee auf.
"Wir haben in zwei Wochen son PR-Ding, All White Party." hörte ich ihn hinter mir sagen, während ich den Kaffee in zwei Tassen füllte und einen Schluck Milch nachgoss.
"Kommst du auch? Die Jungs sind auch da, wärst also nicht alleine. Ich muss natürlich ein paar Sachen erledigen und einige Fans werden auch da sein. Aber danach könnten wir feiern" führte er seine Beschreibung fort. 
"All White? Träum weiter" lachte ich ihm mit den Tassen in der Hand entgegen.
"Klamotten sollten das kleinste Problem sein. Komm schon, ich hätte dich echt gerne dabei. Brauch doch eine Verbündete zum Fassade ablegen zwischendurch.". Er grinste mich vollkommen übertrieben an, als wäre es ein Verkaufsgespräch.
"Ach, wie uneigennützig. Danke". Er knuffte leicht gegen meine Schulter und ich verschüttete ein wenig Kaffee. Wir starrten beide auf den Fleck, der gerade in den Teppich sickerte. Stumm lief er direkt in die Küche, um etwas zum Säubern zu holen.
"Und?? Sag ja!" hörte ich ihn rufen.
"Wo ist das denn!?" entgegnete ich etwas genervt.
Er strahlte mich nur zufrieden an.


Blick zu den Sternen  - Apache 207Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt