57. 7 Uhr... 54

568 18 6
                                    

V

Wir wachten am nächsten Morgen in einer ähnlichen Position auf, wobei wir noch ein wenig mehr verknotet waren. Seine Arme umschlossen mich vollständig und sein Gesicht ruhte oberhalb meines Kopfes. Sein Körper strahlte eine wahnsinnige Hitze aus und ich fühlte mich noch leicht schlaftrunken, als ich das Donnern hörte. Das Geräusch hatte ich eben schon einmal gehört und es musste mich geweckt haben. Langsam löste ich mich von Volkan, der noch im Tiefschlaf hing und nur etwas grummelte. Ich schnappte mir das am Boden liegende Shirt und Volkans Boxershorts und zog sie mir auf dem Weg zur Hotelzimmertür an.
„Wer ist da."
„Ich, mach auf.". Hakan kam ziemlich gehetzt ins Zimmer und machte mich mit seiner angeknipsten Art etwas nervös. Erwartungsvoll schaute ich ihn an.
„Also Planänderung. Die wollen Volkan sofort in der Arena haben, es gibt irgendwelche Schwierigkeiten, das muss für heute Abend geregelt werden. Alle Jungs sind auf der Suche nach Volkan und niemand findet ihn. Wie auch. Ey, wie kommen wir aus der Situation. In meinem Zimmer schläft Sophie und es dauert vielleicht noch Sekunden, bis die bei dir einreiten und euch so finden und du hast seine Unterhose an..." Er kam gar nicht mehr aus seinem Redefluss heraus und lief kleine Kreise vor mir.
„Hakan, wie spät ist es?"
„7 Uhr... 54." Er blickte wieder von seinem Handy auf. Wir hatten also vielleicht 3 Stunden geschlafen. Traumhaft.
Ich drehte mich um und lief in das kleine Schlafzimmer in Richtung Bett. Volkan lag völlig unbedeckt auf den Bauch und schnarchte leicht. Ich beugte mich zu ihm und rüttelte sanft an seiner Schulter, bis er völlig orientierungslos zu mir aufsah.
„Hakan ist hier, ist wichtig.". Den Satz musste ich drei Mal wiederholen, bis er, glaube ich, verstanden hatte. Volkan versuchte etwas mehr Macht über seinen Körper zu bekommen, stand  unsicher auf den Beinen aus dem Bett auf und suchte auf dem Boden nach seiner Kleidung.
„Oh, die... äh... hab ich an. Sorry". Er reagierte nicht und zog direkt die Jeans an, als er in das Wohnzimmer lief. Hakan lief etwas ungeduldig zwei Meter vor und wieder zurück. Volkan setzte sich erschöpft auf die Couch, strich sich mit der offenen Hand mehrfach über das Gesicht, steckte sich dann eine Kippe an und begann auf Türkisch mit seinem Bruder zu sprechen. Ich sammelte die restliche Kleidung auf, zog mich selbst schnell um und brachte Volkan sein Shirt und ein Zopfgummi. Er stand auf und griff danach. Dann brachte er mich auf den neuesten Stand.
„Wir müssen los zur Arena, bevor uns hier noch jemand findet. Schlaf mal noch ein bisschen weiter, das war safe zu kurz.". Er steckte seinen Kopf durch den Ausschnitt im Shirt und band sich die Haare eng zusammen, während er mit mir sprach.
„Ich schreib meiner Mutter, dass wir das Frühstück verschieben, ok?"
„Nein, ich kann doch gehen, ich würde gerne mit ihr frühstücken."
„Okay". Er strahlte mich an, beugte sich mir entgegen und küsste mich auf die Wange. Leise hörte ich ihn „Bis später" flüstern, bis sie das Zimmer verließen. Bis zum Frühstück mit seiner Mutter waren es noch drei Stunden, sodass ich mir wieder etwas Bequemes anzog und zurück ins Bett krabbelte. Es dauerte nicht lang, bis mir wieder die Augen zufielen. Gefühlt nach Sekunden riss ich wieder meine Augen auf. Ich hasste Menschen, die an meine Türen hämmerten, so viel war klar. Jedes Mal lief mir ein Schauer über den Rücken. Ich taperte zu meiner Tür- es fühlte sich an, wie im Loop.
„Wer ist da?"
„Wir sinds.". Danke, wie aufschlussreich.
Ich machte auf und schaute in vier Gesichter. Johannes begann zu sprechen.
„Sorry V, wir wollten dich nicht wecken. Du weißt nicht zufällig, wo Volkan ist?".
Und wie ich das wusste, Freunde.
„Volkan? Ne, keine Ahnung. Ist alles ok?". And the Oscas goes to...
„Ja, alles gut. Er wird nur in der Arena gebraucht wegen heute Abend, doch wir können ihn einfach nicht finden und dachten, vielleicht ist er bei dir auf der Couch eingepennt."
„Leute, ich sags euch. Der wird bei irgendeiner blonden Kleinen von gestern im Zimmer sein und lässt es sich gerade gut gehen.". Sasan ergriff nun das Wort. Unangenehmer würde es wohl kaum werden.
„Gut Jungs, dann braucht ihr mich ja nicht mehr. Ich würde voll gern noch ein bisschen Schlaf nachholen, auch wenn ich das Plaudern aufm Gang über Volkans Sexleben auch sehr genieße." Ich lächelte sie ein wenig an, schloss dann die Tür und hüllte mich wieder in die Decken ein. Ich spürte quasi, wie sich die Augenringe in meine Haut brannten.
Nach einigen Stunden weckte mich das einzig annehmbare Geräusch meines Weckers. Ich war nicht ausgeschlafen, doch es war genug, um erstmal zu überstehen. Keine Ahnung, wie Volkan heute Abend so eine Show geben würde.
Ich machte mich etwas fertig und traf seine Mutter in dem Frühstückbereich des Hotels. Wir stellten uns eine kleine Auswahl an Frühstücksoptionen zusammen und als auch das frische Omelette fertig war, konnten wir starten. Der Kaffee erweckte meine inneren Geister wieder zum Leben. Es kam mir mehr und mehr so vor, als wären keine Wochen und Monate vergangen, seit ich seine Mutter das letzte Mal gesehen hatte. Schnell fühlte ich mich absolut wohl und konnte locker mit ihr quatschen. Das Thema Volkan mied ich, absolut nicht die richtige Ansprechpartnerin hierfür.
Nach knapp zwei Stunden machten wir uns wieder auf den Weg in Richtung der Fahrstühle. Ich wollte schon mal duschen gehen für heute Abend und war noch mit Sam zum Telefonieren verabredet. Seine Mutter hatte entschieden, heute nicht zu dem Konzert zu kommen und bereits nachmittags zu sich nach Hause zu fahren. Als wir im zweiten Stock ankamen, nahm sie mich fest in die Arme und drückte mir zwei Küsse auf die Wangen.
„Kommt doch morgen zu mir, da können wir alle ein bisschen gelassener sein. Ich koche für euch, meine Süße." schob sie noch nach. Ich genoss ihre Umarmung. Ich kam meist gut mit den Müttern meiner Partner klar, generell Eltern kennenzulernen war für mich nie problematisch. Doch sie lernte mich anders kennen und ich hatte sie wie eine Freundin in mein Herz geschlossen. Ich fuhr die weiteren zwei Stockwerke rauf zu meinem Zimmer, kramte die Karte auf meiner Hosentasche und hielt sie an den kleinen Leser am Türschloss. Das flimmernde, grüne Licht ließ mich die Klinke durchdrücken. Direkt im Flur wäre ich fast über ein Paar Stiefel gestolpert. Ich kannte sie zu gut, wusste wie sie klingen, wenn die schweren Schuhe Treppen hinaufstiegen. Vor allem die Treppen zu meiner Wohnung.

Ich bahnte mich leise bis ins Schlafzimmer und sah Volkan schlafend auf dem Bett. Ich überlegte hin und her, ob ich müde genug war, um mich einfach neben ihn zu legen. Kurzerhand zog ich die Tür sachte zu und setzte mich auf die etwas in die Jahre gekommene Couch. Ich scrollte eine Weile auf meinem Handy, bis ich seinen Namen fand.
„Hey V, ich hab schon auf deinen Anruf gewartet. Ich bin sowas von gespannt."
„Hi Sam! Schön, deine Stimme zu hören. Ich kann nur nicht so laut sprechen, Volkan schläft nebenan."
„Wilde Nacht, also. Versteh schon."
„Ne so ist es nicht. Also schon aber..."
„Was is los? Du klingst nicht sehr zufrieden."
„Ach, gib mir mal zwei Minuten, ich geh ne Runde spazieren. So kann ich nicht reden.". Ich zog mir meine Sneaker wieder an, schnappte die Zimmerkarte, fuhr wieder in die Lobby und verließ das Hotel. Ich kannte mich überhaupt nicht aus, doch lief ziellos durch die kleinen Straßen Mannheims.
„Ok, jetzt ists besser. Ich weiß auch nicht, gestern Nacht war es eigentlich super schön, aber wir hatten kaum Zeit für uns so richtig und als wir im Zimmer waren und dann Sex hatten... naja... Volkan ist... nicht gekommen und in meinem Kopf entstehen gerade 82245 Ideen, warum nicht."
„Mach dir nicht son Kopf, vielleicht hat er auch einfach nur zu viel gesoffen. Das hatte ich auch schon paar Mal."
„Ja, kann sein.".
Ich wusste, es konnte nicht sein. Volkan hatte kaum getrunken, nicht geraucht... Ich wünschte, es würde mich nicht  so sehr beschäftigen. Und doch kreisten meine Gedanken immer wieder um letzte Nacht und ich machte mir Sorgen. Ich musste also wohl oder übel mit Volkan selbst sprechen, wenn es mich doch weiter beschäftigte.
Ich erzählte Sam noch haargenau, wie gestern unser Wiedersehen und das Konzert abliefen und was nun für die nächsten Tage geplant war. Nach einer halben Stunde kehrte ich zurück ins Hotel und hoffte, dass Volkan noch immer in meinem Bett liegen würde.

Blick zu den Sternen  - Apache 207Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt