35. Ein bisschen anders...

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Volkan

Ich hatte keine Ahnung, was in den letzten Minuten passiert war und stand noch immer etwas teilnahmslos in meiner Jacke im Wohnzimmer. Ich dachte, ich würde den Abend mit V klischeehaft mit ein paar Kerzen und begleitet von Lionel Richie im Bett verbringen. Oder kuschelnd auf der Couch, während der Fernseher vor uns flimmert. Und jetzt sammelten sich sechs fluchende Männer auf meinem Sofa und spielten Fifa.
Musti stand irgendwann auf, kam auf mich zu und legte seine Hand für eine Sekunde auf meine Schulter.
„Alles ok, Bro? Doch keine gute Überraschung?". Ich konnte nicht ehrlich antworten, auch das wäre nicht fair gewesen und hätte vor allem zu Fragen geführt.

„Äh doch doch. Nur sagt mir doch nächstes Mal Bescheid. So hätte ich V wenigstens nach Hause gefahren. Kommt bisschen plötzlich gerade, aber ich freue mich, dass ihr hier seid.". Ich zog ihn halb in eine Umarmung.
Ich ließ die anderen im Vorbeigehen wissen, dass ich mich schnell umzog und verkroch mich ins Schlafzimmer.

Volkan 22:34 : Bist du gut bei dir angekommen? Tut mir so krass leid, wärst du doch geblieben..."

V 22:37 : Bin zu Hause. Ach Quatsch! Sie haben doch Recht, du warst die letzten Wochen nur noch mit mir und hast sie nur im Studio gesehen. Habt mal wieder einen Abend für euch.

Volkan 22:37 : Warum sagst du sowas? Ich möchte doch meine Zeit mit dir verbringen

V 22:37 : Naja, glaube, das tut dir auch gut, wenn du wieder mehr Zeit mit deinen Freunden verbringst. 

Ich konnte kaum glauben, was ich da las. Ich kaufte es ihr auch nicht ab und hatte ein sehr schlechtes Gewissen.

Volkan 22:38 : Baby, sei nicht sauer. Ich wusste das wirklich nicht, sonst wäre ich doch nicht zu mir gefahren und hätte dich so auflaufen lassen.

V 22:38 : Ich bin nicht sauer :) Meine es ernst, verbringt einen schönen Abend und wir holen unseren einen anderen Tag nach. Du musst dich doch auch mal etwas von den letzten Wochen erholen. Danke für die Biere, ich mache einen entspannten Netflixabend :*

Der blöde Kusssmiley am Ende ihrer Nachricht half nicht besonders. Ich hatte noch immer ein schlechtes Bauchgefühl und traute dem ganzen nicht. Wieso dachte sie, ich müsste mich auch erholen. Die letzten Wochen mit ihr waren wunderschön, sie wieder gesund zu sehen war Erholung genug. Klar hatte ich meine Freunde etwas vernachlässigt und habe mich mehr auf die Arbeit als auf meine Freundschaften konzentriert, aber solche Zeiten gab es doch immer. Sie hatten alle doch selbst mitbekommen, was passiert war.

Volkan 22:40 : Sicher? Hab übelst das schlechte Gewissen gerade. Kann auch später noch zu dir kommen? Hatte mir eigentlich was anderes für heute vorgestellt..

V 22:40 : 100%. Und jetzt leg das Handy weg! Küsse dich

Volkan 22:40 : Bende öptüm, ich denke an dich.

Etwas enttäuscht legte ich das Handy nicht zu weit von mir weg, falls doch nochmal was kam und versuchte mich auf den Abend mit den Jungs einzulassen. Ein Bier half. Ein zweites auch. Irgendwann hörte ich auf zu zählen und konnte mich etwas fallen lassen. Die Musik und unsere Gespräche wurden lauter, der Aschenbecher füllte sich. Ich hatte mal wieder richtig Spaß mit ihnen und es tat mir tatsächlich gut, die gemeinsame Zeit zu verbringen. Ich ging für einen Moment auf den Balkon zum Rauchen, während die anderen pissen waren oder die nächsten Tiefkühlpizzen in den Ofen schoben. Johannes kam zu mir und in der Dunkelheit leuchtete sein Gesicht auf, als er sich die Kippe anzündete.

„Geil, wieder hier mit dir zu sein, Bruder". Er nahm mich halb in den Arm und klopfte auf meine Schulter.

„Ja, finde ich auch. Ihr habt mir gefehlt.". Das schien mir genau in diesem Moment bewusst geworden zu sein.

„Wir haben uns doch aber gesehen. Auch wenn nur im Studio, aber waren doch nie weg." aufmunternd lächelte er  mich etwas an.

„Ich weiß, aber die letzten Wochen sind irgendwie so schnell vergangen. Halt komplett an mir vorbei gezogen und ich glaube, ich brauchte mal so einen Abend mit euch zum Zocken." Ich merkte, ganz nüchtern war ich dazu auch nicht mehr. Gefühlsduselei schien sich anzubahnen.

„Du bist halt gerade viel mit V. Verstehe ich schon auch, aber bald musst du sie in die Jungsgruppe integrieren, damit man dich mal zu Gesicht bekommt. Seit du Zeit mit ihr verbringst, bist du... ein bisschen anders." seine Augen wanderten über den dunklen Balkonboden, als würde er etwas suchen. 

„Anders?". Heute schien ich die Worte einfach nicht zu verstehen.

„Naja, vielleicht... ein bisschen vernünftiger? Ruhiger? Sie hat 'ne komische Wirkung auf dich. Aber gut. Irgendwie". Seine Worte überraschten mich. Ich wollte mich nicht verändern. Vor allem nicht bei meinen Jungs. Ich wollte nicht zu einem dieser verliebten Typen werden, die nur noch brav zu Hause saßen und mit ihrer Freundin die nächste Folge 'Love Island' oder 'Grey's Anatomy' guckten, oder wie sie alle hießen. Er fuhr fort, als er in mein verwirrtes Gesicht sah.
„Ey, ist ja nichts Schlechtes, gar nicht eigentlich. Aber vor ein paar Monaten hast du die Weiber noch hintereinander weggehauen, warst jeden Abend besoffen und mit einem von uns unterwegs und jetzt gehst du mit V zu irgendwelchen Abendessen und lässt dich nur noch im Studio sehen. Wenn ich euren Erklärungen glauben darf, bumst ihr nicht mal miteinander. Vielleicht wirst du auch einfach nur erwachsen und wir kommen nicht ganz mit, keine Ahnung. So oder so lieben wir dich und machen das mit, kein Problem. Wir brauchen nur zwischendurch auch den alten Volkan." Ich nickte schweigend. Seine Worte waren so ehrlich und taten mir gleichzeitig weh.

Entwicklung war immer gut, doch hatte ich immer Angst, mich zu verändern und letztlich auch mein Image von Apache207 zu verändern. Das passte alles eben nicht zusammen. Ich war entschlossen und schrieb V eine Nachricht.

Volkan 1:56 : Du hattest Recht, es tat richtig gut mit den Jungs, danke für dein Verständnis heute. Das Kleid hätte ich dir trotzdem gern selbst ausgezogen. Schlaf gut.

Sie antwortete nicht und ich entschied, den angebrochenen Abend noch zu nutzen und heute Nacht der alte Volkan zu sein. 

Blick zu den Sternen  - Apache 207Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt