109. Volkan und V

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Volkan

Meine Gefühle schlugen Purzelbäume. Noch immer hörte ich ihre Worte in meinen Ohren und konnte nicht glauben, was sie sagte. Sie wollte mich zurück. Mit mir zusammen sein.
Ich hätte Sasan am liebsten geküsst, so froh war ich über seine blöden Fragen über ihr Singledasein. Ich hätte nichts dagegen gehabt, sie weiterhin zu sehen und einfach mit ihr zu sein, dass wir uns langsam wieder annäherten. Es reichte mir schlichtweg. Doch ein Teil, ganz tief in mir, freute sich über diese Bindung, die wir nun miteinander eingingen. Ich war so aufgeregt, konnte das Grinsen auf meinem Gesicht kaum verbergen, als sie mich wieder so lang und doch irgendwie unsicher ansah. Es fühlte sich ein wenig an wie damals mit 16, als man das erste Mal in einer Beziehung war und auf einmal nicht mehr wusste, was man nun miteinander anfing. Wie verhielt man sich nun als Freund? Küssen, Volkan. Ich war so nervös, dass ich diesen Teil vollkommen vergaß. Es passierte in den letzten Tagen so viel auf ein Mal, dass ich fast hätte Notizen machen müssen, um mitzukommen.

Ich hielt ihr Gesicht in meinen Händen und zog sie etwas zu mir, ehe ich langsam meine Lippen auf ihre legte. Unser Kuss war zart und fast etwas zurückhaltend. Sie öffnete ihre Lippen, sodass ich ihre Oberlippe zwischen meinen Lippen einschloss. Immer wieder lösten wir uns voneinander, legten dann wieder und wieder unsere Lippen aufeinander. Zaghaft spürte ich ihre Hand in meinem Nacken. Fühlte, wie sie mit ihren Fingernägeln über die rasierte Haut fuhr und mich näher zu sich zog. Das machte mich verrückt.
Ich musste das jetzt hier unterbrechen. Ich war seit vorhin, als ich unter ihrer Dusche stand und etwas zu lang an sie dachte, ohnehin schon viel zu aufgegeilt. Ich wollte mich beherrschen. Eben noch große Töne spucken. Ich kann warten. Von Wegen. Immer deutlicher spürte ich den Druck gegen meine Jeans.
Ich hinterließ viele kleine Küsse auf ihren weichen Lippen und zog dann weiter seitlich zu ihrer Wange und ihrem Hals, bis ich mich wieder aufrichtete und in ihre Augen sah. Ich spürte, wie sehr meine Augen strahlten. Meine Freude kam direkt aus meinem Herzen. V war wieder meine Freundin.
Ich sah ihr Lächeln und auch sie schien sich zu freuen, doch schwang auch ein wenig Traurigkeit in ihrem Blick mit, die mich verunsicherte.
„Wasn los?" flüsterte ich, noch immer gedanklich bei unseren Berührungen.
Sie schüttelte mit dem Kopf, lächelte tapfer, doch sah ich, wie sie Tränen zurückhielt.
„Hab ich was falsch gemacht?". Ich rückte wieder ein Stück näher an sie heran, streichelte ihre Wange, bis sich die Tränen in ihren Wimpern sammelten und sich zu einem Tropfen formten. Ich war total überfordert.
„Fuck, ich will nicht schon wieder weinen. Es ist eigentlich gar nichts."
„Na, wie Nichts sieht das aber nicht aus. Was ist denn los?". Hektisch strich sie sich mit den Zeigefingern die Tränen unter den Augen weg.
„Ich hab Angst. Das kam jetzt gerade voll hoch. Aber die ist eben null real, deswegen macht es doch gar keinen Sinn gerade."
„Wovor denn genau?"
„Das ist halt so real gerade, weißt du? Dass wir das hier voreilig entscheiden und ich meine eigenen Prinzipien über Bord werfe, davor hab ich Angst. Und ich hab einfach Angst, dass etwas passiert und ich dann genau wie vor drei Monaten die Scherben alleine wieder aufsammeln muss. Ich sage, lass uns langsam machen und uns Zeit nehmen und in der nächsten Sekunde bringe ich dich wie gestern dazu, mich zu küssen und beinahe mit mir zu schlafen und jetzt wieder mit mir zusammen zu sein. Wie blickst du bei diesem absoluten Chaos eigentlich noch durch? Jetzt sitze ich hier und heule, obwohl ich mich eigentlich total darüber freue, weil wir wieder zusammen sind.". Sie schluckte heftig, bis sie noch einen Satz nachschob und kurz darauf verbittert lachte. „Fuck, wie unsexy kann es eigentlich noch werden.". Sie bedeckte ihre Augen mit einer Hand, versuchte sich zu verstecken.

So chaotisch, wie sie es gerade beschrieb, war es für mich tatsächlich nicht. Ich verstand sie, wenn auch mit weniger Verlangen, darüber weinen zu wollen.
Und mit ihrem letzten Satz brachte sie mich fast zum Lachen.
„Du bist doch nicht unsexy für mich, nur weil du weinst und ich hab in den ganzen Situationen übrigens schon immer ein Wort mitzureden. Du nötigst mich hier zu gar nichts. Ich wollte dich küssen. Wenns nach mir gegangen wäre, hätte ich dich schon geküsst, als ich dich nach unserem Picknick nach Hause gebracht habe.". Jetzt lächelte sie mich an. Ihre grünen Augen waren durch die Tränen heller geworden, strahlten fast ein bisschen mehr. Ich strich mit dem Daumen über ihre Wange, um noch den Rest einer Träne zu trocknen, während ich ruhig weitersprach.
„Ich check das schon ganz gut so. Also, geht mir ja ähnlich, dass ich da hin und her überlege. Ich will mit dir zusammen sein, mehr als alles andere, das meinte ich so. Und natürlich denke ich: Fuck, was, wenn wir das überstürzen und uns weh tun. Ja, vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht brauchen wir diesen Schritt, um uns aufeinander einzulassen und es nochmal ganz real und echt miteinander zu versuchen nach diesem ganzen Schmutz der letzten Monate. Ich bin bereit und würde dir so gerne auch das Gefühl geben, dass es okay ist. Wir können nicht wissen, ob es richtig oder falsch ist, wie der Film enden wird. Wenn du in ein paar Tagen oder Wochen denkst, dass es zu früh war, sagst du es einfach und ich genau so. Eve, ich bin es immer noch. Und wir sind immer noch wir.". Aufmerksam hörte sie meinen Worten zu. Ihre Gesichtszüge entspannten sich und ihre Atmung pendelte sich wieder etwas ein.

Blick zu den Sternen  - Apache 207Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt