95. Frauenprobleme, hm?

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Volkan

Ich war noch immer so aufgedreht, dass Sophies Worte mich kaum erreichten. Das breite Grinsen in meinem Gesicht war wie festgewachsen. Ich sah ihre Lippen sich bewegen und irgendwann kamen die Worte an und machten mich traurig. Ich hatte mir vorgestellt, wie ich mich mit V in eine ruhige Ecke verzog und wir darüber sprachen, was passiert war. Dass wir über die letzten Monate reden konnten und heute Nacht... vielleicht ein Neubeginn sein würde. Doch da waren wieder Sophies Worte.
Tut mir leid, Volkan. V ist nach Hause gefahren. Sie... muss glaube ich ein bisschen für sich sein.

Fuck nein, sie sollte nicht mit sich sein, sie sollte mit mir sein. Auch ich war so überrollt von all den Emotionen heute Nacht. Ich sah V das erste Mal seit Monaten wieder, was an sich schon eine Lawine in mir lostrat. Und dann auch noch diese Scheiße mit Charlie. In keiner meiner wildesten Fantasien, hätte ich mir je so einen Abend ausmalen können. Doch nun wollte ich mehr. Der Abend war bereits so verrückt, ein bisschen mehr Verrücktheit wäre doch jetzt auch egal.
Kurz überlegte ich zu ihr zu fahren und auf gut Glück zu klingeln. Die zwei Stockwerke zu ihr hochzusprinten, vor ihr zu stehen zu kommen und in ihre Augen zu sehen. Ich wollte mit ihr sprechen, hören, wie es ihr ging. Sie in meinem Arm halten und einfach mit ihr sein.
Doch wie immer hatten mir Hakan und Johannes ins Gewissen geredet und mich überzeugt, es für heute mal gut sein zu lassen. Sie hatten Recht, dass es auch für mich heute ziemlich aufregend gewesen war.
„Tut mir leid, dass dein Abend jetzt so gecrasht wurde, Bro." wehmütig schaute ich meinen Freund an, der sich gerade einen neuen Zopf band.
„Ist doch gut so. Ich meine... endlich ist es raus und Charlie ist wieder weg, alle haben Spaß. Ich bin froh, dass es so ist. Und ich bin froh, dich endlich mal wieder happy zu sehen. Du bist wie ausgewechselt. Und jetzt heißt es Geburtstag feiern.". Ich nickte, musste ihm tatsächlich zustimmen.

Ich gab mich für heute geschlagen und versuchte etwas zu entspannen, holte mir einen Drink an der Bar und sank in den Polstern zurück. Um mich herum entstand mit der Zeit eine gelöstere Stimmung, die Leute schienen den ersten Teil schon längst wieder vergessen zu haben, tanzten und lachten, bis wir um Mitternacht auf Johannes anstießen. Ich zog meinen Freund eng an mich, drückte meine Arme um seinen Schultern, um ihn noch fester bei mir zu haben. Immer wieder beteuerte ich, wie dankbar ich für ihn war, wie sehr ich ihn schätzte und liebte. Wahrscheinlich verdächtige er den Alkohol, dass er nun die Explosion meiner ganzen Gefühle des Abends abbekam, doch er erwiderte meine Nähe ohne Zögern.

Die Party lief gut, wenn man betrachtete, unter welchen Umständen sie gestartet hatte. Johannes schien zufrieden und verschwand irgendwann mit einer jungen Dunkelhaarigen, die ich schon ein, zwei Mal zuvor gesehen hatte. Ich fühlte mich kurz schlecht, warum Johannes mich nicht eingeweiht hatte, ob ich ihm und seinen Angelegenheiten durch die letzten Wochen zu wenig Aufmerksamkeit schenkte. Ich war so sehr in meinem eigenen Sumpf verschwunden, dass ich kaum einen Blick nach links und rechts wagte. Für die nächsten Tage nahm ich mir vor, mit ihm zu sprechen, ihm aufmerksam zuzuhören und für ihn da zu sein, so wie er es auch für mich war.

Auch ich entschied, allmählich abzuhauen und rief mir ein Taxi, um nach Hause zu fahren. Ich kippte den Rest meines Drinks, schaute mich noch einmal in dem Garten um, um zu sehen, ob ich mich von irgendjemandem verabschieden musste und entschied, einfach zu gehen. Die anderen waren beschäftigt oder waren in Stimmung zu tanzen, sangen laut zu der Musik mit. Meine Energie reichte dafür nicht mehr.
Im Auto nannte ich dem jungen Fahrer eine Adresse in der Nähe meiner Wohnung, um nicht meine echte Adresse preiszugeben. Den Rest würde ich laufen.
Während wir, ganz nach meinem Geschmack, bei etwas zu hohem Tempo die Stadtautobahn entlangfuhren, der Wind durch das offene Fenster in mein Gesicht und meine Haare wehte und ich die nächste Ausfahrt sah, schaltete mein Kopf aus.
„Können wir hier runter? Bitte?" rief ich etwas hektisch zu dem jungen Mann.
„Hier? Das ist aber noch nicht..." verwirrt schaute er erst auf die Navigation in seinem Handy, dann mich durch den Rückspiegel an.
„Alles gut, ich muss nochmal... kurz woanders hin.". Über meine Anweisungen lenkte er das Auto durch die Straßen, folgte meinen Wegweisungen, bis wir in der 30er Zone hielten.
„Bin gleich wieder da, lass die Uhr laufen.". Mit einem Schwung schlug ich die Tür zu, hörte jedoch, wie er das Fenster der Beifahrerseite noch einmal runterfahren ließ und etwas zu mir sagte.
„Ich bräuchte irgendnen Pfand oder ne Anzahlung. Leider schon zu oft passiert... tut mir leid.". Ich kramte ein meiner Hosentasche und zog die Scheine hervor.
„Hier, mein Bester." lächelte ich ihm entgegen und hielt den grünen Schein hin.
„Oh, ok. Kriegst du dann gleich wieder, ist nur zur Sicherheit."
„Alles gut. Bis gleich.".

Blick zu den Sternen  - Apache 207Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt