19. Ist die Luft rein?

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Das Türklingeln riss mich aus dem Schlaf. In meinen Ohren hallte das elektronische Glockenspiel nach, bis ich mich aufsetzte und verwirrt um mich blickte. 
 Volkan war bereits hochgeschossen, griff im Rausgehen nach seiner Jogginghose und schloss leise die Tür zum Schlafzimmer hinter sich.
Gedämpft hörte ich eine Stimme. 
"Bro, du hast schon wieder verpennt. Es ist 13 Uhr! Wir müssen los!".  Die Stimme konnte ich seinem Bruder zuordnen, der aufgeregt schien. Mit einem Blick auf seinen Nachttisch, sah ich die Uhrzeit leuchten. 13:07 Uhr. Mist. 
"Gib mir ein paar Minuten, ich komme gleich runter." hörte ich wieder Volkan sprechen. 
"Ne, ich warte hier, dann kann ich dir wenigstens Druck machen"
"Hakan, Ich bin nicht allein. Hau ab jetzt. Ich komme gleich nach unten.". Es folgte Stille. Er musste wortlos gegangen sein. In meiner Bewegung erfroren stand ich vor seiner Tür, mit einer Hand an der Klinke, unsicher, ob ich schon herauskommen konnte. 
Es klapperte in der Küche und ich musste in Erinnerung an die gestrige Nacht lächeln. Erst jetzt kam so richtig an, warum ich mich auf dieser Türseite verstecken musste. Ich blickte an meinem Körper hinab, sah Volkans großes T-Shirt und spähte hinüber zu seinem zerwühlten Bett, in dem wir vergangene Nacht miteinander schliefen. In Erinnerung daran streckte ich mich auf der Stelle, spürte meine schmerzenden und gleichzeitig entspannten Muskeln. Ich fühlte kurz in mich hinein und kam zu dem Ergebnis, dass ich mich gut fühlte. Dass ich zufrieden war... glücklich. 
Ich öffnete die Tür und sprach zaghaft ins Wohnzimmer.
"Ist die Luft rein?". Nur mein Gesicht streckte ich in den kleinen Spalt, um Volkan zu finden. 
"Ja, kannst kommen, alles gut.". Langsam lief ich durch seine Wohnung zur Couch, von der aus ich ihn in der Küche beobachten konnte. "Der war sehr klebrig.... Äh, ich hab' Kaffee gemacht, falls du möchtest. Ich muss leider direkt los, sollten schon vor 'ner halben Stunde da sein." sprach  er hektisch weiter. Achja, die White-Party, ich vergaß. 
"Bleib doch noch und geh entspannt duschen. Ich hab was für dich besorgt... für die Party. Hab es gesehen... naja, schon eher gesucht und musste an dich denken und ich weiß ja, dass weiß nicht unbedingt deine Lieblingsfarbe ist. Naja. Unterm Bett liegt eine Schachtel für dich. Du kannst es dir ja mal ansehen...". Zügig lief er durch die Wohnung, während er sprach. 
Überfordert von der Informationsflut blieb ich mit dem Kaffee, den ich mir mittlerweile eingeschenkt hatte, auf dem Sofa sitzen. Hab was für dich besorgt, für die Party. Schachtel unterm Bett. Wiederholte ich seine Worte in meinen Gedanken. Volkan hetzte durch die Gegend und kam mit einer vollen Tasche aus dem Schlafzimmer. Er hatte sich umgezogen,  war vollständig bekleidet und seine Haare waren zu einem strengen Dutt gebunden, als hätte er nicht noch vor fünf Minuten nackt im Bett neben mir gelegen. Wieder kamen die Erinnerungen zurück und ließen meine Wangen warm werden. Die Erinnerung an der Gefühl in mir, als er...
"Ich gehe vor Ort duschen. Geht um 17 Uhr los, ich würde mich freuen, wenn du bisschen früher da wärst?" riss er mich aus meinem Schwelgen an letzte Nacht. 
"Ja, mach ich." kam es wie automatisch aus meinem Mund.
In seinen Bewegungen blieb er abrupt stehen und schien einen Gedanken festzuhalten. Er lief auf mich zu mit einem Blick, mit dem er mich bisher nie angesehen hatte. Mit beiden Händen umfasste er mein Gesicht und zog mich etwas zu sich hoch. Wieder spürte ich das Ziehen in mir. Ich begehrte ihn. 
"Guten Morgen" murmelte er in den Kuss. "Wie geht's dir?" hauchte er mir verführerisch zu. Ich musste lächeln, schaute ihm tief in die Augen, bevor ich meine Sprache wiederfand. 
"Mir geht's gut.. sehr gut sogar" lächelte ich ihn total bescheuert an. "Und... wie geht's dir?" setzte ich noch schnell nach. 
"Ich hab lange nicht so gut geschlafen, wirklich. Fühle mich richtig gut. Aber... Tut mir leid, dass ich jetzt so schnell los muss, ich hätte lieber mit dir gefrühstückt und den Tag allein verbracht.". Er lächelte mich verführerisch an, hielt noch immer mein Gesicht in seinen Händen. Ich spürte das kalte Metall seiner Ringe an meiner Wange und zeitgleich das Streichen seines Daumens an meiner Haut. 
"White Party ist doch auch schön." rutschte es mir nur heraus. Meinen Sarkasmus konnte er nicht überhören. Er nahm mein Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger und bewegte es kaum merklich nach links und rechts. Knapp vor meinem Gesicht zog er die Luft scharf ein und wisperte Canim Benim, bevor er mir noch einen Kuss auf den Mund drückte, nach seiner Tasche griff und mir aus dem Flur noch zurief. 
"Nimm dir bitte einen Uber zur Party. Ich freue mich auf dich.". Noch bevor ich etwas hätte antworten können, fiel die Tür ins Schloss und ich in die Kissen des Sofas. Ein breites Grinsen legte sich auf meine Wangen. 

Blick zu den Sternen  - Apache 207Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt