5. Ich weiß, etwas oldschool..

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"V, das war der absolute Wahnsinn! Was die drauf hatte, kann ich gar nicht in Worte fassen" Sam sprach mit mir wie im Rausch. Zwischendurch redete er so schnell, dass ich kein Wort mehr verstand und seine Stimme sich fast überschlug. Seit er mich vor zehn Minuten angerufen hatte, ging es nur um die junge Frau, die er auf der Party noch kennengelernt hatte. Eher gesagt, die Frau, die Volkan hatte stehen lassen, um nach Hause zu gehen. Naja, eigentlich, um zu mir zu gehen. Gott, war das alles kompliziert.

"Vor allem, weil die so traurig war, hatte ich die beste Chance als verständnisvoller Tröster zu kommen und ihr die Hoffnung zurückzugeben.". 
"Sam, das ist voll toxisch. Ist ja ekelhaft. Weißt du wenigstens noch ihren Namen?!" empört setzte ich mich auf meiner Couch auf, ließ mich jedoch kurzerhand wieder in die Kissen fallen und hörte ihm weiter zu. 
"Hey, na klar! Ich treffe Sarah wieder. Hab' das gleich fest gemacht". Sam erzählte noch ca. 15 Mal die Geschichte und fügte jedes Mal ein neues Detail, das ich mir lieber erspart hätte, hinzu.

Den restlichen Sonntag wollte ich für mich nutzen und zur Ruhe kommen. Keine Menschen, kein Halli-Galli. Zu früh gefreut.
Ich hatte gerade eine Maske im Gesicht aufgelegt und die Nägel frisch lackiert, als es an der Tür klingelte. Umständlich watschelte ich Richtung Tür und spähte durch meinen Spion. Nein...
"Was machst n du hier??" verwundert zog ich die Tür auf und blickte in Volkans strahlendes Gesicht. 
"War in der Nähe und dachte ich sag hallo. Wollte anrufen, aber deine Nummer scheint streng geheim. Nicht einmal Sam wollte sie ohne deine Zustimmung rausgeben. Hübsche Gesichtsdeko übrigens". Er lief direkt an mir vorbei und schlüpfte aus seinen Schuhen und schlenderte in mein Wohnzimmer. Perplex blieb ich einen Moment in der Tür stehen und versuchte die  wenigen Infos von eben zu verarbeiten. Irritiert lief ich wieder vorsichtig zurück ins Wohnzimmer, spreizte dabei die Zehen so ab, dass sie nicht meinen Boden berührten. 
"Volkan, was machst du hier?".
"Bin doch sofort wieder weg, jetzt entspann dich kurz." lachte er. Er schaute sich um, als wäre er noch nie hier gewesen, blickte an mir auf und ab. 
Ich legte meinen Kopf schief, um ihm zu zeigen, dass er mich komplett verwirrte, doch wusste ich gleichzeitig, dass ich keine Hoffnung haben musste, mit meiner Feuchtigkeits-Bärchen-Maske ernst genommen zu werden. Volkan nahm die Brille von der Nase und steckte sie in den weißen T-Shirtkragen. Nun schaute er mir direkt in die Augen und ich spürte die Wärme in seinem Blick. Hektisch blickte er weg, fing an das Revers seiner Lederjacke auszubreiten und fummelte in seiner Innentasche, ehe er eine CD herauszog. 

"Ich weiß, etwas oldschool, hatte aber keinen Stick mehr. Ich hoffe, du hast was, wo du das abspielen kannst, sonst besorg ich dir morgen was...Wollte dir doch meine anderen Lieder zeigen. Vielleicht ist ja was dabei.". Mit offenem Mund schaute ich auf die CD-Hülle, die er mir hinhielt.
Er hatte eine kleine Schleife aus Geschenkband gebunden und mir wurde klar, wie wichtig ihm das war. Ich streckte meine Hand nach der CD aus und fuhr vorsichtig mit meinem Zeigefinger über das mühsam gewickelte Band. Ich war etwas überfordert über diese nette Art und Weise. Und gleichzeitig wusste ich nicht, was hier gerade passierte. 
"Oh... danke dir. Ich werde reinhören... versprochen." stammelte ich nur kleinlaut. Er nickte, während er versuchte, meinem Blick direkt in seine Augen auszuweichen. Ich fühlte mich so schlecht, ihm eben noch so wenig gastfreundlich entgegen getreten zu sein, obwohl er nur hier war, um mir etwas zu schenken. Ich Holzkopf. 
Schnell versuchte ich meinen Fauxpas von eben wieder wett zu machen und bot ihm etwas zu trinken an, doch lehnte er freundlich ab. Er verließ nach einer schnellen Umarmung meine Wohnung und ließ mich vollkommen verwirrt zurück. Erst setzte ich mich auf meine Couch, bis die Neugier doch zu groß wurde, ich die Kiste mit dem altem Kram aus der Wohnung meiner Eltern durchforstete und freudestrahlend das leuchtende Display des Discman anstrahlte, als ich neue Batterien einlegte. 
Ich überlegte, mir eine Flasche Wein zu öffnen und dabei seine Musik zu hören, doch fühlte sich da zu sehr nach Hollywood Drama an und zudem hatte ich an diesem Wochenende genug getrunken. 
Ich entschied mich für eine entspannende Badewanne, die in mein Beautyprogramm passte, steckte mir die Kopfhörer in die Ohren und lauschte allen 14 Songs. Immer und immer wieder. 


Blick zu den Sternen  - Apache 207Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt