84. Schneller Deal

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Hakan

Ich beobachtete das Rührei in der Pfanne, wie es langsam stockte. Ich hatte das Frühstück fast fertig und wollte Sophie im Bett überraschen. Kaffee, Saft, Brötchen, Gurke, Käse. Fehlte nur noch das Ei. Es war mittlerweile fast Samstagmittag, wir hatten den ganzen Morgen verpennt. Immer wieder dachte ich über das Gespräch mit Sophie nach und überredete mich innerlich, jetzt V einfach anzurufen. Bevor ich noch weiter darüber nachdenken konnte, entsperrte ich mein Handy und suchte sie in meinen Kontakten.
„Hallo Hakan" grüßte V mich freundlich nach nur zwei Freizeichen.
„Hey V, wie schön, dich zu hören. Passt es dir gerade?"
„Ja, bin nur beim Einkaufen, hoffe die Verbindung hält sich."
„Wir können sonst auch später sprechen?"
„Nein, nein, das passt schon. Wie geht's dir?" sie klang... normal? Ich hatte mit dem schlimmsten gerechnet. Kühl und abweisend, einsilbig. Doch so war es nicht. Es war wie immer.

„Mir äh, mir geht's gut, ich kann mich nicht beklagen. Ich war die letzte Woche auf Malta, bisschen zum Entspannen.". Ich Vollidiot. Ihr war doch mit Sicherheit klar, dass Volkan auch dabei war. Andererseits hatte er auch fleißig bei Social Media dokumentiert, vielleicht schaute sie ja noch seine Storys und ich brachte mich gerade nicht in Teufels Küche.
„Oh wie schön, das klingt gut.". Es entstand kurz eine Stille, die ich sofort zu überbrücken versuchte.
„Und... wie geht's dir?"
„Mir geht's ganz gut, danke. Leider kein Urlaub, aber kommt ja vielleicht noch.". Ich konnte ihrer Stimme nicht entnehmen, wie es ihr wirklich ging. Sie war so neutral und freundlich.
„Bestimmt, ich drücke dir die Daumen. Sag mal, wie sieht es denn nächste Woche bei dir aus? Wollen wir uns für'n Kaffee treffen?"
„Äh ja, okay. Bis auf Dienstag und Mittwoch habe ich Zeit nach der Arbeit. Wie wärs mit dem Café am Hackeschen Markt, in der Nähe von eurem Büro?"
„Ja, super. Sagen wir Donnerstag? Schaffst du 17 Uhr?". ich war überrascht über ihre schnelle Zusage. Ich hatte gedacht, sie wolle sich schnell in einem Park treffen, die Sachen übergeben und nie wieder ein Wort mit einem von uns wechseln. Schneller Deal, ohne viel hin und her.
„Krieg ich bestimmt hin. Dann bis Donnerstag."
„Ja, bis Donnerstag, Ciao.".
Und schon war es vorbei.

„Mit wem redest du denn so laut?" Sophie trottete verschlafen in den Wohnbereich und band sich gerade einen neuen Zopf, als sie verschlafen zu mir sprach.
„Hab mit V gesprochen, treffen uns am Donnerstag. Dann muss ich es jetzt nur noch Volkan sagen.". Sophie kam auf mich zu und umarmte mich von hinten, streichelte meine Haut, während ich das nun etwas angebrannte Rührei in der Pfanne ansah. Ihre Hände griffen um mich herum zu meinem Bauch und ihr Kopf legte sich auf meinem Rücken ab. Ich spürte wie ihre Brust sich hob und senkte und genoss die Zärtlichkeit zwischen uns.
„Sorry Babe, ich hab das Ei versaut. War irgendwie zu abgelenkt." flüsterte ich vor mich hin.
„Machts nichts. Ich habe eh gerade Appetit auf etwas anderes.". Noch während sie sprach, wanderten ihre Finger meinen Bauch hinab.

Einige Stunden später schloss ich die Türen des Büros auf. Ich wollte eigentlich nur die Post holen und grob durchsehen, doch konnte ich es nicht lassen und ging doch hinein. Ich schien nicht der einzige gewesen zu sein, denn es brannte das kleine Licht auf einem der Schreibtische. Ich lief fast schleichend auf das Büro zu, als ich Johannes am Tisch sitzen sah, vertieft auf seinen Bildschirm.
„Was machst'n du hier?". Meine Worte schienen ihn zu erschrecken und er zuckte zusammen.
„Fuck man! Mein Herz. Ich... ich wollte nur kurz was nachlesen... und was machst du hier? Wir wollten uns doch erst Montag hier treffen?". Erwischt.
„Ich wollte nur die Post holen. Schätze, wir können es beide einfach nicht lassen." lachte ich ihm entgegen. Ich setzte mich zu Johannes und wir unterhielten und einen Moment. Obwohl wir gerade erst zusammen verreist waren, blieben immer noch Themen zum Besprechen. Er war mittlerweile wirklich wie ein Bruder geworden.
„Ich wollte noch zu Volkan gleich, kommst du auch?".
„Ja, war auch mein Plan."
Wir entschieden den Bürokram nun wirklich erst am Montag weiter zu bearbeiten und fuhren in getrennten Autos zu Volkans Wohnung.
Schon vor der Tür hörte man die laute Musik aus seiner Wohnung dröhnen und wir mussten einige Male klingeln, bis er uns zu hören schien. Gut gelaunt, mit einem Glas in der Hand, strahlte er uns entgegen und zog uns ins Innere. Auf dem Sofa saßen bereits Sasan und Tuna, die an der Playstation spielten und uns nur hektisch zur Begrüßung entgegennickten.
„Was wollt ihr trinken? Habt ihr Hunger?"
„Sağol, ich erstmal nichts. Können wir kurz was besprechen?". Ich musste das Gespräch jetzt führen, bevor er zu betrunken, oder noch mehr Menschen hier sein würden. Er schaute mich etwas verunsichert an, nickte jedoch und lief los in Richtung seines Schlafzimmers.
„Was gibt's denn?" sprach er fast aufgesetzt gut gelaunt und ließ sich mit Schwung auf sein gemachtes Bett fallen.
„Ich sag's einfach gerade raus. V hat mir geschrieben. Schon vor ein paar Tagen. Ich wollte dir aber nicht den Urlaub versauen. Wir...". Volkan unterbrach mich.
„Sie hat dir vor ein paar Tagen geschrieben? Vor oder nach meiner Nachricht?" etwas aufgebracht fixierte er mich mit seinem Blick. Er schien wütend zu werden und die Situation drohte aus dem Ruder zu laufen.
„Natürlich danach! Sie hat mich gefragt, wann wir uns treffen wollen... wegen der Sachen.". Ich setzte mich neben Volkan, dem die Enttäuschung nun sehr deutlich anzusehen war.
„Krass. Ok.". Die Wut war wie weggeblasen und brachte mir doch etwas Erleichterung.
„Ich hab vorhin mit ihr telefoniert. Wir treffen uns am Donnerstag.". Sein Blick huschte vor Überraschung zu mir herüber. Damit schien er so gar nicht gerechnet zu haben.
„Wie klang sie? Ist sie glücklich?". Für einen Moment wirkte er aufgeregt, was jedoch schnell wieder in gespielte Gelassenheit umschlug.
„Keine Ahnung, ich konnte nicht wirklich was raushören.". Ich zuckte mit den Schultern und beobachtete meinen Bruder sehr genau. Er nickte etwas abwesend vor sich hin.
„Donnerstag, ja? Wo trefft ihr euch?"
„In dem Café am Büro. Komm nicht auf die Idee, auch zu kommen. Ich glaube es ist schon so schwer genug."
„Hatte ich nicht vor. Ich hab sie losgelassen, Abi. Ich hab aufgehört ihr nachzutrauern.". Seine Stimme klang auf ein Mal so kalt und irgendwas in mir glaubte ihm einfach nicht.
„Ich kenne dich gut genug, das stimmt doch nicht. Und es ist doch auch nicht schlimm. Aber diese arrogante Art kannst du bei mir lassen, echt.". Er antwortete nicht und blickte zu Boden.
„Wenn ich ihr noch was von dir ausrichten soll, sag mir Bescheid. Ansonsten würde ich Mittwoch vorbeikommen und die Sachen holen. Wie viel ist das, passt das in meinen Wagen?". Volkan antwortete nicht sofort, mein Ton von eben schien ein wenig schroff gewesen zu sein.
„Ich glaub ich hab ihr schon genug gesagt. Alles Weitere wäre überflüssig... Ich muss das morgen mal zusammensuchen, denke so zwei Taschen?".
„Du kannst es dir ja nochmal überlegen." Ich sprach nun doch etwas sanfter zu ihm, ich wollte ihn ja auch nicht quälen.
„Wollen wir jetzt was zu essen bestellen? Du hattest doch Hunger, oder?". Ich versuchte ihm in die Augen zu sehen, doch er wich meinem Blick aus und guckte geknickt zu Boden.
„Ich... ja, guck schon mal. Ich bleib noch kurz hier...". Ich war bereits auf dem Weg zur Tür, als ich mich noch einmal umdrehte und leise zu ihm sprach.
„Tut mir leid. Ich wollte dir nicht wehtun."
„Bin doch selbst schuld an der Situation. Nur komisch, dass das das Letzte sein wird, was wir miteinander zu tun haben. Und dann bin ich nicht mal dabei."
„Kann ich verstehen. Wir können's auch anders machen... ihr die Sachen schicken zum Beispiel?"
„Ne... mir ist's lieber, du triffst sie, als keiner.". Mit diesem Satz verließ ich sein Schlafzimmer und während ich die Tür hinter mit zuzog, sah ich, wie die Spannung in seinen Schultern nachließ und er etwas in sich hineinsackte.

Blick zu den Sternen  - Apache 207Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt