16. Schickst du mir deinen Standort?

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Die nächsten zwei Wochen hörte ich verhältnismäßig wenig von Volkan, was für ein wenig mehr Distanz zwischen uns gut war. Ich hatte das Gefühl, dass es zwischen ihm und mir sehr eng war. Vielleicht etwas zu eng. Noch immer stellte ich mir regelmäßig die Frage, wie das im Hotel hatte passieren können. Er war erst seit kurzer Zeit in mein Leben getreten und nahm für meinen Geschmack viel Zeit und Energie in Anspruch, die ich ihm ungebremst und gerne schenkte. Doch musste ich mich langsam zurückhalten, da nun Dinge geschahen, die ich nicht verstand. Ich haderte, mit meinen Freunden darüber zu sprechen, denn irgendwie kannte ich schon die Fragen, die sich wahrscheinlich daraus entwickelt hätten. Und genau diesen wollte ich entkommen. Ich hielt Ablenkung und Beschäftigung als das Mittel der Wahl, nutzte die Zeit, um meine anderen Freunde wiederzusehen und Abstand zu Volkan zu gewinnen.
Nach einem schönen Abendessen mit meiner Freundin Luisa entschieden wir uns, noch in eine Bar in Kreuzberg zu fahren und einen Absacker zu trinken. Während sie zur Toilette ging und die nächste Runde bestellte, checkte ich meine Nachrichten. Ich spürte die kleine Aufregung in mir, als ich seinen Namen nach vielen Tagen wieder las. 

Volkan 18:39:  Was macht meine beste Freundin? Lebst du?
V 19:52: Bin mit 'ner Freundin was trinken, macht dir ganz schön Konkurrenz, wenn du mich fragst.
Volkan 19:53:  Sag sowas nicht, sonst muss ich ihr eine Ansage machen. Wo seid ihr?
V 19:53: Sind in Kreuzberg. Sie sagt, sie ist kampfbereit
.
Ich steckte das Telefon weg und widmete mich wieder Luisa, die von der Toilette zurückkehrte. Das Vibrieren in meiner Jackentasche hörte nicht auf, sodass ich augenrollend noch einmal in die Tasche griff und auf den Display schaute. Er rief an. Es war nicht einfach eine Nachricht gewesen, mit der er versuchte hartnäckig zu bleiben. 
"Jaha???" meckerte ich zwischen genervt und belustigt in das Telefon. Luisa schaute mich verwundert an, versuchte ihr Ohr auf die Gegenseite des Telefons zu pressen, um mithören zu können. 
"Nicht so, Fräulein. Bin mit Baui, können wir dazu kommen?"
"Solltest du dich nicht ausruhen für deine große Party morgen?". Den Zynismus konnte ich mir nicht klemmen und wusste, wie sehr es ihn anstichelte.
"Pff, lass das mal meine Sorge sein. Schickst du mir jetzt einen Standort?".
Ich blickte zu Luisa, die mich fragend ansah. Sie schien nichts verstanden zu haben.
"Ich glaub heute nicht mehr. Wir sehen uns ja morgen, ok?" versuchte ich ihn abzuwimmeln. Dran bleiben, V! Abstand gewinnen!
"Tamam..". Die Enttäuschung in seiner Stimme tat mir mehr weh, als gedacht. 
"Bis morgen, Volkan."
"Tschüss." hörte ich ihn noch traurig sagen, ehe er das Telefonat beendete. 
Luisa wollte nun endlich wissen, was los war und verlor fast den Verstand, als ich ihr von Volkan erzählte. Ich ließ einige Punkte der letzten Woche aus, doch bekam sie einen Eindruck davon, wie eng wir doch seit einiger Zeit befreundet waren. 
"Du bist mit Apache befreundet? Und erzählst mir drei Stunden von deiner Arbeit und deinem letzten Familienessen?". Ich zuckte nur mit den Schultern. Ich wusste selbst nicht, warum ich es ihr versuchte zu verheimlichen. Warum ich bei eigentlich allen meinen Freunden versuchte, nicht über Volkan zu sprechen. Außer Sam hatte tatsächlich niemand von ihm gewusst. Ich kam nicht umhin, mich zu fragen, ob ich es für ihn tat, um Gerüchte zu vermeiden und sein Privatleben zu schützen, oder ob es  nur eine lausige Ausrede war, ihn nicht vollkommen an  mich heran zu lassen. Damit er weiterhin keinen richtigen, festen Platz in meinem Leben bekam. Ich behandelte ihn wie ein gottverdammtes Geheimnis. 
"Du rufst ihn sofort an und holst die beiden her. Ist ja schlimm mit dir. Lass uns einfach gemeinsam einen entspannten Abend haben. Für mich wirklich voll ok und dann sehe ich den wenigstens auch mal live." kicherte sie. Ich war zwar noch immer ambivalent, doch irgendwas hatte diese Erkenntnis mit mir gemacht. Ich wollte ihn nicht weiter verheimlichen, sondern zu ihm stehen. Es gab nichts an ihm, wofür ich  mich hätte schämen müssen. Ganz im Gegenteil. 
Ich wollte ihm diesen Stellenwert geben, ihn mit meinen Freunden bekannt machen, wenn er es wollte. Ich wollte ihn als einen echten Freund in mein Leben lassen. Und vor allem wollte ich ihn sehen. Das wollte ich die ganzen letzten zwei Wochen, doch schob ich es einfach weg und meldete mich nicht bei ihm. 
Ich hatte mit Luisa bereits einen schönen Abend verbracht und eigentlich war der Zeitpunkt perfekt, dass er dazu kam. Er würde nicht stören. Er würde einfach Volkan sein und den Abend vermutlich noch schöner machen. Verdammt. 

Er nahm erst nach dem fünften Klingeln ab.
"Ja?" sagte er in einer gespielt gleichgültigen Tonlage. 
"Schicke dir meinen Standort. Luisa hat sich für dich eingesetzt, dafür schuldest du ihr einen Drink.". Lächelnd legte ich auf, noch bevor er bockig reagieren konnte. 

Blick zu den Sternen  - Apache 207Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt