44. Du altes Waschweib

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V

Ich checkte am nächsten Tag direkt meinen Arbeitsplan für die kommende Woche und versuchte einige Termin zu schieben, um rechtzeitig am Freitag fürs Konzert in Mannheim sein zu können, wie Hakan es vorschlug. Einige Termine ließen sich nicht mehr löschen und mein Kopf dampfte. Ich beschloss mir einen Kaffee zu machen und mir eine kleine Pause an der Luft zu gönnen. Als ich die Tür zur Terrasse öffnete, sah ich meine Chefin, Joana, am Geländer stehen. Ich war verunsichert, obwohl ich wusste, dass dies nun die einzige Möglichkeit war, sie um eine Lösung für mein Problem zu bitten. Sie drehte sich zu mir und lächelte mich an, noch bevor ich die Glastür richtig geöffnet hatte.

„Hey V" rief sie mir einladend zu. Weglaufen ging also nicht mehr.
Ich lief auf sie zu und stellte mich neben sie. Mein Feuerzeug gab den Geist auf, sodass sie mir direkt ihres entgegenhielt. Ich nickte ihr im Zug an der Zigarette zu und streckte ihr das Feuer, mit kleinen Katzenbabys darauf, entgegen.

„Erste Woche fast geschafft, bist du gut wieder reingekommen?" Fragte sie, während sie den Rauch auspustete.

„So langsam ja, teilweise fühlt es sich an, als wäre ich nie weg gewesen."

„Wir haben schon sehr gemerkt, dass du nicht da warst. Gerade mir wurde nochmal deutlicher, wie wichtig du für unser Team bist, V. Ich weiß dich und deine Arbeit sehr zu schätzen.". Noch bevor ich darauf reagieren konnte, fuhr sie fort.

„Ich habe gesehen, dass du für nächste Woche Freitag versucht hast, Termine zu schieben, ist alles ok?"

„Oh, das hast du gesehen... Um ehrlich zu sein, habe ich versucht mir einen Ausgleichstag zu nehmen, da ich ein verlängertes Wochenende...weg wollte.". Ich fühlte mich ertappt und schämte mich etwas. Es war in der Firma kein Problem, einen Ausgleichstag zu nehmen, solange die Arbeit in der Woche gemacht wurde. Doch dass sie sehen konnte, dass ich Termine versuchte zu schieben, war mir unangenehm.

„Ja, die Termine habe ich selbst erstellt, ich bekomme dann eine Nachricht, wenn etwas daran versucht wird zu verändert. Darf ich fragen, wo du hinfährst?"

„Ich wollte einen Freund besuchen. In Mannheim. Ich müsste bis zum Abend vor Ort sein, doch der Termin um 14 Uhr macht das natürlich unmöglich. Meinst du, ihr könntet auf mich verzichten? Ich würde nicht fragen, wenn es mir nicht wirklich wichtig wäre.". Meine Stimme versagte etwas. Menschen und vor allem Vorgesetzte um etwas zu bitten, fiel mir nie leicht. Doch mir blieb keine andere Möglichkeit, wenn ich das Konzert noch mitbekommen wollte. Neben allen in meinem Kopf ausgemalten Reaktionen meiner Chefin, kam die eine, mit der ich überhaupt nicht gerechnet hatte. Sie lächelte. Und zwar kein Sorry-aber-da-hättest-du-dich-früher-kümmern-müssen-Schätzchen-Lächeln, sondern ein ganz ehrliches und weiches Lächeln.

„Einen Freund besuchen. Ich verstehe schon. Man hört hier so einiges im Büro, doch als Vorgesetzte bekommt man es nie wirklich selbst erzählt. Also wenn es so ist, wie ich denke, würde ich sagen, es ist wirklich wichtig. Wenn du nicht zu tief in die Minusstunden gehst, mach es. Von mir aus auch schon am Donnerstag. Wie gesagt, ich schätze dich hier sehr und möchte, dass du dich genau so wohl fühlst. Egal, wo du deine Energie und Kräfte hernimmst.". Das konnte sie gerade nicht gesagt haben. Meine Gedanken suchten imaginär nach der versteckten Kamera. Völlig unkontrolliert begann ich zu Grinsen und spürte ihre Hand auf meiner Schulter, die mich bestärkend streichelte. Ich konnte nicht anders und umarmte Joana. Ich bedankte mich aufrichtig. Wahrscheinlich wäre mein Anliegen in einer anderen Situation weniger verunsichernd für mich gewesen, doch gerade weil ich gerade erst einige Wochen krank war, fand ich es fast schon unverschämt, erneut fehlen zu wollen. Joana erwiderte meine Umarmung und kam etwas ins Stottern.

„Ich kenne solche Situationen. Hatte das mal ähnlich mit einem Mann in Düsseldorf. Doch damals habe ich den Job über die Liebe gestellt und am Ende beides verloren. Erst den Mann, weil ich es mir nie erlaubte zu fehlen und Zeit in ihn zu investieren und dann den Job, weil ich vor lauter Liebeskummer meine Arbeit nicht mehr schaffte. Genieß die Zeit, V. Und wenn du magst, berichtest du vielleicht, wie dir Mannheim gefallen hat.". Mit einem Zwinkern in meine Richtung drückte sie ihre Zigarette an dem kleinen Standaschenbecher aus und lief zurück in die Büroräume. Ich verarbeitete gerade noch diesen kleinen Schock und tippte schnell eine Nachricht an meinen Komplizen, Hakan.

Blick zu den Sternen  - Apache 207Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt