3. Du bist ja noch da?

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Julians Wohnung war krass. Ich konnte es nicht anders beschreiben. Als wir mit dem Fahrstuhl direkt in seine Wohnung fuhren und in die ziemlich opulente Wohnung traten, fielen mir fast die Augen aus dem Kopf. Clean und gleichzeitig wohnlich, wäre wahrscheinlich die beste Beschreibung gewesen. Erst noch etwas zurückhaltend, setzte ich mich auf seine riesige Couch und nippte an meinem Gin-Tonic, während ich den Gesprächen um mich herum lauschte. Schnell kam eine gute Stimmung auf und ich merkte, wie ich endlich etwas loslassen konnte, mich im Sitzen zu der Musik bewegte. Ich kam mit einem Typen ins Gespräch, wahrscheinlich ein Bekannter von einem Bekannten... und so weiter, der sich auch als sehr guter Küsser bewies. Nachdem wir uns eine Weile in der Küche unterhalten hatten, lehnte er sich etwas zu mir, ehe sein Lächeln mich komplett gewann und wir uns küssten. Gegen die Wand gelehnt, hielt er mich an der Hüfte, bewegte seine Hände neugierig über meinen Körper. Und dann entstand da dieser Moment, in dem es mir... zu nah wurde. Es war offensichtlich, worauf seine Berührungen hinaus liefen. Auch die Küsse waren längst nicht mehr jugendfrei. Doch hatte ich an diesem Abend keine Lust, ihn noch besser kennen zu lernen und mit ihm nach Hause zu gehen. Mir war nicht nach Sex mit ihm, auch wenn das Küssen ganz schön war. 
Ich versuchte mich von ihm zu lösen und gab ihm zu verstehen, dass der Abend für mich jetzt hier endete. Seine Enttäuschung war direkt auch seinem Gesicht abzulesen. Er hielt meine Hand, streichelte in seinem Überzeugungsversuch meine Haut und zog mich noch einmal für einen Kuss ran, doch verstärkte sich nur das Gefühl, von ihm weg zu wollen. 
Ich flüchtete für einen klareren Kopf und eine Kippe auf die großzügige und dezent beleuchtete  Terrasse. Das Geräusch beim Zuziehen der Terrassentür ließ den großen, dunkel gekleideten Mann zusammenzucken und sich umdrehen. 
Volkan lehnte an dem Geländer, schien bis eben das Treiben auf den Straßen beobachtet zu haben und schaute nun kurz in meine Richtung, lächelte mir leicht zu, ehe er sich wieder in Richtung Straße drehte und an dem Inhalt seines roten Plastikbechers nippte.

"Du bist ja noch da?" hörte ich in leise in die Nacht sagen. 
"Du ja auch" gab ich zurück und ging ein paar Schritte auf ihn zu, lehnte mich ebenfalls gegen das Geländer. 
"Dachte du würdest die Party in eine andere Wohnung verlegen" sagte er mit einem Nicken in Richtung meines Spontanküssers, bis er wieder nach unten schaute und kräftig an seiner Zigarette zog. Ich steckte meine Zigarette zwischen die Lippen und drehte immer wieder das Rädchen am Feuerzeug, doch mehr als Funken zeigten sich nicht. Volkan griff unaufgefordert in seine Hosentasche und hielt mir die großzügige Flamme entgegen. 
"Danke...". Ich erinnerte mich, dass er mir mehr oder weniger einer Frage gestellt hatte. Ich versuchte mich zu sortieren und zu antworten, ohne zu viel Preis zu geben. "Ne, heute nicht. Manchmal sollte man aufhören, wenn's am schönsten ist, oder?". Ich sah ein kleines Schmunzeln in seinem Gesicht und setzte direkt an "Warst du nicht aber vor ein paar Minuten auch noch in Begleitung?" neugierig warf ich einen halben Blick über meine Schulter in Richtung Wohnzimmer, ohne wirklich nach einer Person zu schauen. Er lachte kurz auf, klopfte die Asche seiner Kippe ab, ehe er sie in die kleine Keramikschale neben uns warf. 
"Ja... sie ist zur Toilette gegangen. Und wenn man dann ein paar Minuten an der Luft hat, zum Nachdenken, ist es gar nicht mehr so aufregend. Das nimmt irgendwie... so diesen magischen Moment, weißt du? Ich glaube dein Satz trifft es schon ganz gut... Aufhören, wenn's am schönsten ist. "
"Wird nicht die letzte Party unseres Lebens gewesen sein" setzte ich locker nach, stützte mich nun ebenfalls am Geländer ab und entschied mich, es für heute gut sein zu lassen.
"Volkan, es war schön dich kennenzulernen. Vielleicht ja bis zum nächsten Mal. Bis dahin höre ich mal in deine Musik rein". Ich hielt ihm meine Hand hin, um mich zu verabschieden. Überrascht guckte er meine ausgestreckten Finger an, dann schmunzelte er, ehe er mit festerem Griff meine Hand nahm und langsam schüttelte. 
"Alles kein Muss, man sieht sich, V" lachte er beim Reden. 
Ich lief zurück in die Wohnung, suchte Sam, der in einer Runde mit bestimmt sechs anderen Männern saß und offensichtlich kiffte. Ich beugte mich kurz zu ihm hinunter, nahm ihn in die Arme und lehnte auch seine Überredungsversuche, doch noch ein bisschen zu bleiben, da "die Party doch erst angefangen hat", ab. 
Im Schlafzimmer fand ich meinen Mantel auf dem Bett liegen. Einen letzten Blick ließ ich durch den riesigen Raum gleiten. 
Sein Schlafzimmer war wahrscheinlich so groß, wie meine ganze Wohnung, dachte ich einen Moment und stellte mir vor, wie ich die Wohnung vielleicht eingerichtet hätte. 
Ich ließ den Gedanken mit einem kurzen Kopfschütteln über mich selbst abreißen, zog den Mantel über und schlich mich aus der Haustür, um nun die Treppen zu nehmen und keine Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. 

Blick zu den Sternen  - Apache 207Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt