65. Vorbei mit Volkan

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Volkan

Während der Fahrt sprachen wir kaum, es war genug gesagt an diesem Abend. Ich legte vorsichtig meine Hand auf V's Oberschenkel und spürte schnell ihre Hand auf meiner. In Sorge, sie könnte meine Hand wegdrücken, spürte ich stattdessen, dass sie sie umfasste und mit ihrem Daumen über meine Haut streichelte. Ich griff etwas fester zu, um auf ihre Zärtlichkeit zu reagieren. Die Musik nahm ich gar nicht richtig wahr und fuhr wie auf Autopilot der Strecke des Navis nach.
„Da vorn kommt ein Mcces, kannst du kurz halten?"
„Klar, was möchtest du?"
„Ein Cheeseburger... und ein Eis."
„Geht klar.". Ich fuhr den Wagen in den schmalen Drive-In und bestellte für uns. Mein Magen meldete sich tatsächlich auch mit Hunger, glücklicherweise nicht mehr mit Übelkeit. Nachdem ich die Tüte, die Getränke und das Eis entgegennahm, suchte ich wieder den Weg auf die Straße. Meine rechte Hand hielt das Lenkrad, die linke meinen Burger, von dem ich immer wieder abbiss. Zufrieden fuhren wir nun die letzten Minuten zur Shishabar.
„Die Bar, zu der wir fahren. Da war ich früher immer mit den Jungs, noch bevor irgendwas mit der Musik ging. Ist bisschen nostalgisch, da zu sein. Vor allem, dir diesen Ort zu zeigen." erzählte ich ihr, während ich den letzten Rest aus meinem Becher mit dem Strohhalm aufsaugte.
„Ich bin gespannt. War Ewigkeiten nicht mehr in ner Shishabar. Meinst du, ich kann da so hin?" sie blickte kritisch an sich herab.
„Scheißegal, was du anhast, wirklich. Dein Gesicht macht alles wett.". Ein Strahlen überkam sie und sie hob meine Hand aus ihrem Schoß an ihre Lippen und küsste meine Fingerknöchel. Ich parkte den gemieteten Wagen auf dem Schotterfeld nebenan und lief mit V in Richtung Eingang. Nachdem ich bereits die Jungs von weitem sah, lenkte ich V durch die Bar, vorbei an den vielen Sesseln und Tischen. Einige um uns herum schienen mich zu erkennen und riefen meinen Namen. Vorbei mit Volkan, her mit Apache.
„Geh schon mal vor, ich mache schnell die Bilder."
„Soll ich dir schon was bestellen?"
„Ne Cola, bitte." Sie schaute mich fragend an, sagte jedoch nichts.
Nachdem ich die meisten Fotos gemacht hatte, verabschiedete ich mich und lief weiter zu dem Tisch, etwas abseits. Ich schlug mit allen ein und umarmte sie. Etwas überrascht, sah ich auch Charlie an unserem Tisch, die gerade aufstand, um mich mit einer Umarmung zu begrüßen. Ich nahm sie halb in den Arm und hörte sie bereits an meiner Brust sprechen.
„Warum so zurückhaltend, gestern warst du doch noch ganz anders drauf". Musti und Sasan, die neben ihr saßen, zogen interessiert die Augenbrauen hoch und musterten mich.
Ich versuchte nicht auf ihren Kommentar einzugehen und lief schnell weiter, um mich endlich setzen zu können. Ich nahm den kleinen Platz auf der samtbezogenen Couch neben V ein und griff nach dem unberührten Glas auf dem Metalltisch.
„Nur ne Cola?" skeptisch beobachtete sie mich, während ich den ersten Schluck nahm.
„Ja, nach gestern reichts doch erstmal wieder.". V schmunzelte, wurde jedoch direkt in ein Gespräch verwickelt, sodass ich mich auch etwas von ihr wegdrehte und mich in das Gespräch neben mir einbrachte. Im Leben hatte ich nicht damit gerechnet, dass der Abend so enden würde.

Wir unterhielten uns eine Weile mit den anderen und teilten uns eine Shisha, bis V den Schlauch an Sophie weitergab und sich zu mir lehnte.
„Wie lange bleibstn du noch? Ich hab ultra Kopfschmerzen von der Shisha bekommen und würde mir sonst n Taxi bestellen...". Diese kleine Schwindlerin.
„Ich kann dich schnell fahren, kein Problem.". Ich sagte es ein klein wenig zu laut, falls jemand mitbekam, was wir besprachen. V erhob sich bereits und verabschiedete sich, als Sasan aufstand und sie in ein Gespräch zu verwickeln schien. Wehe er zerstörte jetzt unsere Pläne. Ich wollte wirklich langsam hier weg. Ich verstand leider nicht, was los war und verabschiedete mich von meinem Bruder und den anderen, als ich V bereits auf mich warten sah. Erneut schlängelten wir uns durch die Sitzgruppen und stiegen in den Wagen, bevor ich uns in Richtung Hotel fuhr.
„Du kannst eine Spur zu gut Lügen, für mein Gefühl."
„Ach, das kommt immer auf die Situation an." kicherte sie ein wenig und griff dieses Mal nach meinem Bein.
„Ich hab es vorhin nicht rausbekommen, aber ich rechne dir hoch an, dass du meine Familie da heute rausgehalten hast."
„Es geht sie nichts an, außer du möchtest es ihnen erzählen."
„Danke, Canım."
Ich fuhr den Wagen auf den kleinen Parkplatz am Hotel. Mit dem Fahrstuhl erreichen wir die vierte Etage, auf der V's Hotelzimmer lag. Ich nestelte die Plastikkarte aus meiner Hosentasche und öffnete für uns die Tür. Das Schlachtfeld vergangener Nacht überrumpelte uns. Auf der Couch lag noch immer ihr Bettzeug, ihr Kleid über der Armlehne. Sofort schnappte ich die Schlafsachen von der Couch und trug sie ins Schlafzimmer.
„Ich hoffe, du möchtest heute mit mir im Bett schlafen" rief ich ihr zu, während ich abrupt in der Tür zum Schlafzimmer stehen blieb. Meine Frage war tatsächlich nicht ganz irrelevant. Ich wollte sie auf keinen Fall dazu zwingen, nur hätte ich dann die Couch übernommen.
„Ich bitte darum."
„Ich glaube eher, ich müsste darum bitten" gab ich verlegen zurück. Sie lächelte mich an, was für mich Zeichen genug war, dass sie es auch wollte.
„Ich gehe noch schnell duschen" hörte ich sie sagen, während ich meine Kleidung aufsammelte und in der Reisetasche verstaute. Ich räumte in der Zwischenzeit, in der sie im Bad war, das Zimmer etwas auf. Ich musste gestern in meinem Rausch einiges umgeworfen haben und auch meine Kleidung von gestern hatte ich heute einfach achtlos auf den Boden geschmissen. Als V aus dem Badezimmer kam, stand ich gerade am Fenster und rauchte eine Kippe. Sie lief, nur im Handtuch umwickelt, auf mich zu und nahm mir die Zigarette aus der Hand, um daran zu ziehen.
„Rauch in Ruhe auf, dann geh ich auch nochmal schnell duschen.". Ich hatte noch immer das Gefühl, dass mein Körper den Alkohol ausdünstete und ich mich noch einmal waschen musste. Vielleicht war es auch nur ein Versuch, mich von meinem trotzdem anhaltend schlechten Gewissen rein zu waschen. 
Als ich aus dem Bad kam, stand V noch etwas verloren in ihrem Handtuch im Zimmer.
„Du hast ja schon alles aufgeräumt." teilte sie ihre Gedanken. Ich nickte und lief auf sie zu. Nun standen wir, beide in unseren Handtüchern eingehüllt, voreinander und schauten uns an. Es hatte fast etwas Jugendliches, Unbeholfenes. Fast gleichzeitig gingen wir aufeinander zu und wie einstudiert hob sie ihre Arme, um mein Gesicht zu umfassen und ich legte meine Hände um ihre Taille. Wir schauten uns noch einen Moment an, ehe wir uns küssten. Schnell entwickelte sich eine Knutscherei und vollkommen außer Atem lösten wir uns voneinander. 

Blick zu den Sternen  - Apache 207Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt