102. Meinst du...

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V

„Hey"
„Hi, komm rein." lächelnd stand Volkan in der Tür und leitete mich mit einer einladenden Handbewegung in seine Wohnung. Mit geöffneten Armen zog er mich für einen kurzen Moment an sich, als ich in seinem Flur stand. Wieder ein mal viel zu kurz.
„Darf ich?". Ich verstand nicht, was er meinte, doch spürte ich schon seine Finger an meinem Nacken, die nach dem Kragen meines dünnen Mantels griffen und ihn von meinen Schultern zogen. Ich balancierte die Tüte, die ich mitgebracht hatte, von einer Hand in die andere, um die Ärmel abstreifen zu können.
„Hast du schon Hunger?" fragte ich über meine Schulter hinweg, bevor ich in Richtung Küche lief.
„Sterbe schon. Verrätst du mir jetzt, was wir kochen wollen?" neugierig warf er einen Blick auf die Papiertüte und versuchte den Inhalt zuordnen zu können.
„Du meinst, was ich koche.... Du kannst dich um die Musik kümmern und entspannt deinen Wein trinken.". Seufzend lief er mir nach durch sein Wohnzimmer hindurch.
In seiner offenen Küche angekommen, stellte ich die Tüte auf der Arbeitsfläche ab und packte nach und nach die verschiedenen Zutaten auf der dunklen Granit-Arbeitsplatte aus. Mit einem Ploppen öffnete Volkan die Flasche Weißwein, schenkte uns etwas ein und stellte mein Glas in Reichweite neben mir ab, bevor er um die Kochinsel herum ging.
„Pasta Chicken Alfredo." beantwortete ich seinen fragenden Blick und nahm kurz darauf sein zufriedenes Lächeln wahr.
Mit seinem Weinglas in der Hand ließ er sich vor mir am Tresen auf einem der Hocker nieder, tippte etwas auf seinem Handy ein, bis ich die leise Musik in der Wohnung wahrnahm. Einen Moment konnte ich ihn richtig ansehen. Sein graugemustertes Hemd trug er bis zur Brust aufgeknöpft, die noch nassen Haare trug er offen, sodass einzelne Strähnen immer wieder in sein Gesicht fielen, die er hinter sein Ohr klemmte und immer wieder erreichte mich ein Schwall seines derben und mir nur allzu bekannten Parfums.

„Sicher, dass ich nichts machen soll? Jetzt sitz ich hier nur rum.". Er blickte von seinem Handy auf und zog mich sofort aus seinem Bann. Gespielt lässig griff ich nach dem Topf, den er bereitgestellt hatte und füllte ihn kurzerhand mit Wasser für die Nudeln.
„Ganz sicher. Entspann dich. Lass uns einen schönen Abend haben.". Ich hielt ihm mein Glas entgegen und spürte kurz darauf das Klirren seines Glases.
„Unbedingt, auf einen schönen Abend. Danke fürs Kochen."
„Gerne, echt. Jetzt erzähl mal, was ist da für heute Abend noch geplant? Du warst ja sehr zurückhaltend mit den Infos.". Er räusperte sich und verlagerte sein Gewicht etwas auf dem kleinen Barhocker.
„Also... die Jungs kommen später noch, wie gesagt. Die kommen, weil heute ein neuer Song released wird. Also, ein voll wichtiger Song und deshalb gehen wir halt noch in den Club. Wäre es nicht son Ding, hätte ich es easy ja auch verschieben können, damit wir mehr Zeit haben... aber es ging nicht anders und..."
„Warte warte warte. Heute kommt ein neuer Song raus?" unterbrach ich ihn mitten im Satz.
„Jap."
„Und dann verbringst du den Abend so?" mit dem Messer in der Hand deutete ich auf die Theke und das mittlerweile kleingeschnittene Hähnchen vor mir.
„Was soll das denn heißen?" fragte er belustigt.
„Naja, ihr hättet ja auch essen gehen können, zusammen halt. Schicker und unkomplizierter."
„Es ist ja nicht mein erster Song und auch kein Album. Und ich möchte es ja so. Essen mit dir und dann halt noch die Jungs. Ich würde mich halt mega freuen, wenn du bleiben würdest, später... Sophie kommt auch, falls das hilft."
Ich hielt einen Moment inne, konnte mir das Grinsen jedoch nicht verkneifen.
„Als könnte ich dir jetzt noch absagen, wenn du einen neuen Song rausbringst."
Für einen Moment fixierten wir uns gegenseitig mit unseren Blicken. Ich sah das Funkeln in seinen Augen und die kleinen Fältchen, die sich bildeten, wenn er lächelte.

Kurz bevor ich das Essen auf den Tellern anrichtete, stürmte Volkan los, um den eher selten genutzten Esstisch einzudecken. Zu meiner Überraschung kramte er von irgendwoher Servietten und Stabkerzen hervor, die den gedeckten Tisch in ein schwummeriges Licht tauchten. Er dimmte das Deckenlicht, sodass der Kerzenschein nahezu zur einzigen Lichtquelle wurde. Wieder einmal war ich baff. Es war schlagartig solch eine romantische Stimmung im Raum, dass ich gar nicht hinterher kam. Als ich die Teller auf dem Tisch abstellte, stand Volkan bereits hinter mir, um mir den Stuhl zurecht zu rücken und im Vorbeigehen über meine Schulter zu streicheln, was in mir prompt ein Bauchkribbeln auslöste.
„Danke... fürs Kochen und guten Appetit" sprach er mit leuchtenden Augen, während er seinen Teller ansah. Eilig drehte er die Fettuccine mit seiner Gabel ein und schob sie sich in den Mund. Während er kaute, weiteten sich seine Augen ein wenig und er begann kräftig zu nicken.

Blick zu den Sternen  - Apache 207Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt