36. Kleinmädchenfantasien

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V

Ich hatte mir vorgenommen, Volkan ein wenig zu entlasten und wieder mehr in meiner eigenen Wohnung zu sein. Durch den Abend neulich, an dem seine Freunde überraschend da waren, wurde mir klar, wie sehr er sich auch einschränkte und die Dinge, die er sonst immer tat, eben nicht mehr machen konnte. Er sagte immer wieder, dass es nicht nötig war ihm mehr Freiraum zu geben, aber er brauchte auch etwas Ruhe. Davon war ich mehr als fest überzeugt.
Auch wenn es hier in meiner Wohnung ganz schön still ohne ihn war, musste ich ins Leben zurückkehren. Es war mehr als Zeit dafür. Nächste Woche würde ich wieder arbeiten gehen, dann gab es ohnehin keine Schonfrist mehr.
Stündlich bekam ich Nachrichten von Volkan, ob alles okay war, was ich machte oder ob ich etwas brauchte. Er machte sich wirklich Sorgen, aber so wollte ich auch keine Beziehung führen. Keine Beziehung, die auf grenzenloser Sorge und Bekümmern aufbaute. Ich wollte wieder eine Frau sein, die nicht auf ihren Partner angewiesen war. Eigenständig... nur mit dem Bonus, ihn als Partner zu haben. 

Nach dem zweiten, eher schlechten, Netflixfilm kramte ich mein Handy aus den vielen Decken hervor und sah, neben einer weiteren Nachricht von ihm, auf die ich noch reagieren wollte, eine Nachricht von Sam.

Sam 17:32 Uhr: Hey Love, tut mir leid, dass ich mich so lang nicht gemeldet habe. Geht's dir besser? Kann ich mal wieder vorbeikommen?

Ein Lächeln bildete sich auf meinen Lippen. Genau so war Sam.
Ich entschied mich, ihn direkt anzurufen. Mit Sam war es meist unkompliziert und es gab kaum ein drum herum Gerede, sodass er nach dem kurzen Smalltalk schnell zum Punkt kam.
"Weißt du, nachdem das da auf dem Event passiert ist, wusste ich einfach nicht, wie ich reagieren sollte. Ich hatte krass Angst was falsch zu machen und stattdessen habe ich irgendwie gar nichts gemacht. Ich war dir kein guter Freund, das tut mir leid...". Seine Stimme war belegt, er hatte ein schlechtes Gewissen.
"Sam, es ist alles okay. Ich wusste, dass wenn ich etwas gebraucht hätte, du da gewesen wärst.". 
Ich war eher genervt von den täglichen Kontrollnachrichten meiner anderen Freunde und den immer wieder gleichen Fragen, wie es mir ginge. Ich hatte keine neuen Antworten. Da war es mir lieber, dass Sam mir Raum gab. 
"Sam, was hältst du davon, mal wieder etwas zu unternehmen. Die letzten Wochen hinter uns zu lassen?". Das sollte also der erste Schritt zurück zu  mir sein. Raus aus diesem gebrechlichen, schonenden Ding, was ich seit Wochen mit mir herumtrug, wie einen mit Sand gefüllten Rucksack.
Wir verabredeten uns direkt für das kommende Wochenende und neben der kleinen Angst in mir, freute ich mich doch wahnsinnig. 

Als ich gerade am Herd stand, um die nächsten Nudeln mit Pesto zu kochen, klingelte es an meiner Tür. Ich ließ vor Schreck den Holzlöffel fallen und schaltete den Herd etwas herunter, damit es nicht überkochte. Ich erwartete niemanden und war schon vor dem Übergriff eher die Person, so zu tun, als sei ich nicht da. Etwas zaghaft drückte ich dann doch den Knopf an der Gegensprechanlage.
"Hallo?"
"Mach mal auf". Das Lachen erkannte ich sofort. Der Schreck von eben wurde instant von einem breiten Grinsen abgelöst und sofort betätigte ich den Summer. Die schweren Schritte im Hausflur bestätigten meine Vermutung und der schöne Mann lief auf mich zu.
"Was machst du denn hier?" hörte ich meine eigene Stimme durch den Hausflur hallen. 
"Wir haben uns ein paar Tage nicht gesehen, ich vermisse dich".
Als er vor mir zum Stehen kam, merkte ich wieder die vielen Schmetterlinge in meinem Bauch. Es war das erste Mal, dass er mich als mein fester Freund besuchen kam. Noch mehr dieser kitschigen Gedanken und mein Leben würde wie in einem Rosamunde Pilcher Film mit theatralischer Musik unterlegt werden. 
Ich blickte ihn an, musste dabei ausgesehen haben, wie ein verliebter Teenager und meine Hände suchten seinen Körper. Noch bevor unsere Lippen sich trafen, ging er wieder einen Schritt zurück, lächelte etwas unsicher und zog einen kleinen Strauß Blumen hinter seinem Rücken hervor. Hätte mein Grinsen noch breiter werden können, wären meine Wangen geplatzt. Er hatte hellrosa Rosen ausgesucht mit Schleierkraut und Eukalyptus. Dieser Mann entlockte mir alle Kleinmädchenfantasien und voller Euphorie fiel ich ihm um den Hals. Natürlich wollte ich ein wenig Abstand für uns schaffen, doch merkte jetzt erst, wie sehr ich ihn auch vermisst hatte. Wir standen eine Weile nah voreinander. Er hatte sich zu mir herunter gebeugt, sodass wir nun Stirn an Stirn mit geschlossenen Augen in meinem Hausflur standen, bis wir das Klimpern eines Schlüssels in einer der anderen Wohnungen hörten, wir uns lösten und er hinter mir in die Wohnung lief.
Er schüttelte seine Jacke ab und stieg aus den Schuhen. Zuletzt nahm er die Brille ab und platzierte sie auf meiner kleinen Kommode, auf der meine Schlüssel lagen.
"Die sind wirklich wunderschön, Danke!" nuschelte ich in den Strauß, während ich versuchte, den rosigen Duft aufzunehmen. 
"Freut mich, dass sie dir gefallen.". Wir gingen einige Schritte in Richtung meines Wohnzimmers. 
"Ich hab' Nudeln mit Pesto gemacht, willst du auch was?"
"Ich muss gleich wieder los, wir sitzen an einem neuen Song und müssen noch die Tour besprechen."
Achja, nächste Woche würde seine Tour beginnen.
"Ich wollte mir nur schnell einen Kuss abholen" sagte er etwas beiläufig, wenn auch grinsend, hinter mir. Erst jetzt fiel mir auf, dass wir uns bis jetzt nicht geküsst hatten.
"Wenn das so ist...". Ich lief geradewegs auf ihn zu und umfasste sanft sein Gesicht, zog ihn etwas zu mir. Seine Hände griffen intuitiv nach meiner Taille, um mich noch näher an sich zu ziehen. Der Kuss entwickelte sich schnell in ein Rumknutschen und meine Hände vergruben sich in seinen offenen, langen Haaren. Wir taumelten in Richtung Couch und er ließ sich, ohne sich zu lösen, rückwärts darauf fallen. Ich setzte mich rittlings auf ihn, wanderte mit meinen Lippen über seine Wange und küsste seinen Hals. Seine Finger fuhren mit Druck an meinem Rücken auf und ab. Das Kribbeln in meinem Unterleib verstärkte sich mit jeder unserer Bewegungen und spürte, dass auch er Lust bekam. Mit einer Hand stützte ich mich an seiner Schulter ab, während die andere sich langsam an seinem Bauch hinabtastete und immer wieder über seinen Schritt fuhr. Sein leises Stöhnen an meinem Ohr raubte mir zunehmend den Verstand. Ich schob mich von seinem Schoß und glitt in einer Bewegung hinunter zu Boden, sodass ich vor ihm kniete. Seine Augen folgten bewundernd meinem Weg und er ließ sich etwas fallen, rutschte ebenfalls etwas hinunter, sodass er breitbeinig vor mir saß. Langsam öffnete ich seinen Gürtel, den Knopf seiner Hose und zog behutsam den Reißverschluss nach unten. Ich war mehr als ungeduldig, doch wollte ich den Moment genießen. 
Er hob ein wenig die Hüfte, um mir zu helfen, seine Jeans etwas nach unten ziehen zu können. Während ich noch an dem festen Stoff zog, fuhren seine Hände durch meine Haare, formten einen Pferdeschwanz, während ich versuchte, seine Boxershorts etwas nach unten zu ziehen. Ich spürte eine Vibration, die definitiv nicht von ihm kommen konnte. Er schien es nun auch zu merken, legte kurz entnervt den Kopf in den Nacken, nestelte sein Handy aus der Hosentasche und legte es beiseite auf die Couch. Er lächelte mich von oben an, als wollte er mir signalisieren, dass er nicht rangehen wollte. Triumphierend grinste ich ihn an und machte mich wieder an seine Boxershorts. Das Klingeln hörte auch nach einiger Zeit nicht auf, sodass er seufzend mit der rechten Hand nach dem Telefon griff und es sich ans Ohr hielt.
Mit der linken Hand fuhr er, während er sprach, durch meine Haare und über mein Gesicht. 
"Was ist denn!?!??". Er klang ziemlich schroff.
"Nein, ich komme doch gleich.". Sein Daumen fuhr derweil über meine Lippen und ich biss sanft hinein. Seine Augenbrauen schnellten nach oben und er versuchte dem Anrufer gegenüber nichts merken zu lassen.
"Man, als ob das nicht noch 'ne halbe Stunde warten kann, ich bin gerade beschäftigt.".
Lautlos nickte ich bestätigend und schaute ihm tief in die Augen. So langsam merkte ich, dass seine Erektion nachließ und wurde frustriert.
"Ja, Ciao."
Er guckte mich frustriert an.
"Ich muss los...". Ich sackte zurück auf meine Knie und konnte meine Enttäuschung nicht gut verbergen.
Er zog mich an meinen Armen zu sich nach oben auf die Couch und küsste mich liebevoll.
"Tut mir leid, Baby".
"Kannst du ja nichts für.". Ich drücke mich an seinen Knien hoch und auch er fand schnell wieder auf seine Beine, zog die Jeans wieder hoch und schloss den Gürtel. Im Spiegel richtete er sich die von mir zerzausten Haare, zog Jacke und Schuhe an und setzte seine Brille auf.
"Ich ruf dich an, ja?" flüsterte er mir zu, bevor seine Lippen noch einmal meine suchten. Wir küssten uns und hielten den Blickkontakt, bis er wieder den ersten Treppenansatz erreichte und ich die Tür schloss.

Blick zu den Sternen  - Apache 207Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt