73. Primetime Romanze

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V

„Ich weiß nicht, wie ich das sagen soll..." wieder ein Räuspern von ihm, bis er fortfuhr.
„An dem Abend... am Freitag... als ich mich so abgeschossen habe... ich kann mich an kaum was erinnern. Johannes meinte, er hat mich vollkommen weggetreten in einem Raum gefunden und ich war nicht allein... ich...".
Mein Herz sprang fast aus meiner Brust und mir wurde schlagartig heiß. Die schlimmsten Befürchtungen schossen szenenhaft durch meinen Kopf und ein Rauschen legte sich über meine Ohren. Mit Mühe folgte ich seiner Stimme.
„Es tut mir so unfassbar leid. Ich... ich hatte Sex mit einer Anderen.". Nun waren meine Ohren wie taub. Tränen sammelten sich in meinen Augen. Das konnte er nicht ernst meinen, ich muss ihn missverstanden haben. Was kann man daran missverstehen... Sex mit einer Anderen. Er hatte mit einer anderen Frau geschlafen.

„Ich wollte das nicht, ich war total breit und hatte keine Kontrolle mehr über mich. Es tut mir unfassbar weh und leid. Ich liebe dich so sehr und weiß einfach nicht, wie das passieren konnte. Nur... ich konnte und wollte es nicht verheimlichen, ich kann damit nicht leben und so tun, als sei alles ok." Seine Stimme zitterte heftig und immer wieder zog er die Nase hoch. Mein Kopf schwirrte und mir war kotzübel. Die Magensäure in meinem Mund sammelte sich und ich schluckte hektisch, um nicht die Galle ausspucken zu müssen.
„Wie konntest du das tun...Wieso tust du mir absichtlich so weh?" meine Stimme war überhaupt nicht mehr gefestigt. Ich konnte nicht mehr stark tun und die erste Träne lief meine Wange hinunter.
„Ich wollte dir nie wehtun, ich wollte das alles nicht. Aber ich konnte es nicht vor dir verheimlichen.". Jedes weitere Wort aus seinem Mund tat umso mehr weh und machte mich sauer.

„Und dafür soll ich dir jetzt danken? Danke, dass du dein Gewissen erleichtern konntest. Du hattest Sex mit einer anderen Frau?! Checkst du, was du da sagst?! SEX! Direkt, nachdem ich aus dem Club raus bin. Ich kann einfach nicht glauben, dass das hier gerade passiert." ich veränderte mit jedem Wort meine Körperhaltung und wusste nicht wohin mit mir.
„Man fuck, ich weiß doch auch nicht, wie das passieren konnte." sprach er bedeutend leiser.

„Ich wusste, dass das passieren würde. Ich wusste, dass dir etwas fehlte, dass du nicht ewig die Angebote der Frauen abschlagen konntest. Aber Fuck, du konntest nicht mal warten, bis ich aus der Stadt war. Womit habe ich das verdient, Volkan. Womit?!"
„Das hast du nicht..." kleinlaut flüsterte er die Worte neben mir.
Meine Verletztheit nahm wieder Überhand und ich begann hemmungslos zu Schluchzen. Mir blieb fast die Luft weg, so sehr schmerzte es in meiner Brust. Meine Sicht verschwamm unter den Tränen in meinen Augen und ich zog die Knie an, um meinen Kopf darauf abzulegen. Einige Sekunden rang ich nach Luft und weinte hemmungslos, bis sich das Sitzkissen neben mir senkte und ich seine Hand an meiner Schulter spürte.
„Warum... warum tust du mir so weh."
„Es tut mir so leid, Aşkim..." er legte nun den Arm über meine Schultern und ich ließ mich gegen seine Brust sacken. Ich vergrub mein Gesicht in seinem Shirt und weinte vor Bedauern. Er drückte mich an sich, legte seinen Kopf in meine Halsbeuge und ich lauschte seinem hektischen Atem. Er schluchzte heftig und immer wieder wiederholte er diesen Satz. Es tut mir so leid.
Es vergingenen einige Momente, bis ich mich etwas beruhigte und meine Gedanken wieder einsetzten. Was machst du hier eigentlich. Ich setzte mich auf und schaute ihn an. Sein Gesicht war nass von seinen Tränen und auf seiner Brust zeigte sich ein großer Wasserfleck von den meinen. Sein Blick war unsicher und fragend zugleich.
Seine Hand strich über mein Haar und er beugte sich zu mir, um mir einen Kuss auf den Scheitel zu geben.
„Ich bitte dich um Vergebung... ich kann nicht ohne dich und bereue, was passiert ist.". Ich dachte über seine Worte nach und schien wieder in der Realität angekommen zu sein.
Das hier war keine schnulzige 20:15 Uhr Primetime Romanze, in der nun alles wieder gut war und die Liebenden sich in die Arme fielen und sich unter Tränen alles vergaben. Das hier war mein Leben. Es waren meine Gefühle, die er gerade verletzte und meinen Stolz, den er gekränkt hatte. Mich durchzog wieder diese Übelkeit. Wie sollte ich ihm je wieder vertrauen. Alles, was er am Samstag zu mir gesagt hatte, verlor mit jedem seiner Worte an Wert und es fühlte sich an, als kannte ich diesen Mann vor mir nicht mehr. Das war nicht mein Volkan.
„Ich kann das nicht, Volkan."
„Was meinst du?". So ängstlich hatte ich ihn nie gehört.
„Das zwischen uns funktioniert einfach nicht. Scheiße, du hast eine andere gefickt und lügst mir einen Tag später ins Gesicht, dass du keine andere Frau willst. Ich kann das nicht..." Ich rückte wie fremdgesteuert von ihm weg, fuhr nervös über mein Gesicht und raufte meine Haare. Mein Kopf rauchte, ich kam einfach nicht hinterher, was sich hier gerade abspielte. Wieder sammelten sich Tränen, dieses Mal vor Wut. Ich stand auf und sah im Augenwinkel, dass Volkan mir nach oben folgte.

„Ich kann das einfach nicht glauben. Du bist so ein Arschloch..." fluchend lief ich durch meine Wohnung und suchte nach der Lösung. Doch es gab sie einfach nicht. Volkan stand wie festgewachsen vor meiner Couch und folgte mir verzweifelt mit seinem Blick.

Ich blieb vor ihm stehen und schaute hoch in sein Gesicht. Noch immer liefen die Tränen aus meinen Augen und das erste Mal sahen wir uns direkt an.

„Dass du mich je so verletzen würdest, hätte ich nie von die erwartet. Nie hatte ich gedacht, dass du den Respekt vor mir so verlieren würdest.... Ich will, dass du gehst..." ich ging einen Schritt rückwärts und schüttelte immer wieder mit dem Kopf.
„Was? Nein... bitte. Schick mich nicht weg. Ich bitte dich, V"
„Ich ertrage das hier gerade nicht mehr. Wieso machst du so etwas mit mir." die Worte schrie ich ihm schier entgegen. Ich schubste wütend gegen seine Brust. Meine Kraft reichte nicht aus, ihn in irgendeiner Form von mir zu drücken.
„Ich hasse, dass du das gemacht hast. Ich hasse es! Ich hasse dich zu lieben, verdammt. Mein Herz ist gebrochen!" wieder und wieder schubste ich gegen seine Brust, bis er sanft nach meinen Handgelenken griff und sie festhielt, um mich in meinen Bewegungen zu unterbrechen. Ich sackte wieder mit der Stirn an seine Brust und begann bitterlich zu weinen. Es vergingen einige Momente, bis ich die Worte aussprechen konnte.
„Hau ab. Ich kann dich nicht mehr sehen." Ich richtete mich wieder auf und strich unachtsam mit meinem Handrücken über meine Augen, um die Tränen wegzuwischen.

„Aber... was heißt das?" seine Hände lösten sich vor Verwunderung von meinen Handgelenken und ich stolperte einen kleinen Schritt zurück.
„Geh, verdammt. Geh zurück nach Mannheim und leb dein verficktes Rockstarleben" spuckte ich ihm die Worte entgegen. Er schwieg und starrte mich nur an.
„Du hast alles getan, um mich von dir weg zu stoßen. Ich ertrage dich hier nicht.". Ich wusste, dass ich ihn nun auch in seinem Stolz gekränkt hatte.
Volkan lief rückwärts in den Flur und stieg in seine Schuhe. Verdutzt blieb er in dem kleinen Raum stehen und wartete. Seine Schultern waren gesenkt, jegliche Haltung hatte er verloren.
Ich lief langsam auf ihn zu, doch hatte ich keine Kraft mehr, meine Stimme zu erheben, sodass nur ein Flüstern herauskam.
„Du musst gehen. Ich kann nicht mehr, ich bin am Ende... Vergiss mich, Volkan und geh endlich. Bitte." flehend sprach ich direkt in sein Gesicht. Ich öffnete meine Haustür und mit gesenktem Kopf ging Volkan die wenigen Schritte vor die Tür. Langsam ließ ich sie ins Schloss fallen und rammte mir damit selbst ein Messer ins Herz. Ich hatte den Mann, den ich liebte, gerade vor die Tür gesetzt, ihm gesagt, dass es vorbei war.
Doch genau dieser Mann hatte mich hintergangen und sich in diesem Moment gegen das Wir entschieden. Ob nun unter Drogen oder nicht, er hatte es getan. Ich weinte vollkommen ungehemmt und voller Schmerz, bis irgendwann alle Tränen geweint schienen und ich völlig erschöpft und kraftlos wieder zu mir kam.
Erst nach einer Weile hörte ich, wie sich die Schritte hinter meiner Tür entfernten. Er hatte also die ganze Zeit gehofft, dass ich die Tür wieder öffnete. Ich lief zu meinem Fenster und sah, wie er gerade aus dem Haus lief. Ein Wagen fuhr vor und er lief darauf zu, als er kurz davor innehielt und zu mir hochblickte. Unsere Blicke trafen sich, doch schreckte ich nicht zurück und schaute ihn für einige Sekunden an. Er senkte seinen Kopf und stieg in den Wagen und ich beobachtete das Auto, bis es in der Ferne verschwand. 

Blick zu den Sternen  - Apache 207Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt