92. Ona öyle bakma

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Volkan

Immer wieder strich ich mir vor Nervosität über die Haare. Vollkommen perplex schielte ich kurz rüber zu meinem Bruder. Als ich sie auf uns zukommen sah, klappte mein Mund wahrscheinlich wie von selbst auf, bis ich verstand, dass es sich nicht um eine Einbildung handelte. Es war tatsächlich V, die geradewegs an Mustis Seite auf uns zu lief. Schnell wagte ich einen Blick ihren Körper hinab und betrachtete ihr enganliegendes Kleid und ihre unverkennbare Körperhaltung, ihr Lachen.
Ich schaffte es kaum ihr mehr als zwei Sekunden in die Augen schauen, etwas Anständiges zu sagen, geschweige denn die Umarmung, die ich schnell wieder beenden musste, da ich ihre Nähe kaum aushielt. Ich kam nicht hinterher, welche Situation sich hier vor mir gerade präsentierte und dass ich sie tatsächlich eben an mir spürte. Verdammt, war ich auf einmal nervös, mein Herz hämmerte gegen meine Brust. Ich bekam kein Wort mehr heraus, kämpfte, um überhaupt eine Begrüßung über die Lippen zu kriegen. 

„Ona öyle bakma." flüsterte Hakan neben mir, doch ich nahm seine Worte kaum wahr. Zu sehr hatte V mich in ihren Bann gezogen. Jede Bewegung betrachtete ich, als würde ich sie zum ersten Mal sehen. Naja, irgendwie war es ja auch so. Nach all den Monaten stand sie vor mir. Einfach so. Mir fiel wieder ein, dass Hakan mit mir sprach.
„Hm?"
„Du sollst aufhören sie so anzustarren" presste er mit einem aufgesetzten Lächeln zwischen seinen Zähnen hervor. Erst jetzt realisierte ich, wie sehr meine Augen an ihr klebten und schaute sofort weg.
„Lass uns da hinten hin, ich hab dir so viel zu erzählen" sprach Sophie noch immer aufgeregt an V gewandt. Ich war etwas enttäuscht, dass sie schon wieder aus der Runde ging.
„In paar Minuten wird gegrillt, verquatscht euch nicht zu sehr." lachte mein Bruder neben mir, wurde jedoch von den beiden schon nicht mehr wahrgenommen. Ich schaute ihnen nach, um genau zu sehen, wohin sie sich setzten.
„Das war doch ganz gut, hm?" locker lehnte Hakan sich gegen den Tresen und nahm einen Schluck aus seinem Glas. Wie konnte er so entspannt sein. Hatte nur ich etwas nicht mitbekommen? Träumte ich? Doch dann wurde es mir klar. Ich griff nach seinem Ellenbogen und zog ihn hinter mir her in eine ruhige Ecke.
„Was zum Teufel? Wusstest du, dass sie kommt? Warum wusste ich von nichts?!" aufgebracht redete ich auf ihn ein, sah jedoch sein Grinsen auf den Lippen nur wachsen. Johannes kreuzte neben mir auf und hatte ein ähnlich verdächtiges Grinsen aufgelegt. Die beiden schlugen ein und schienen sich zu beglückwünschen.
„Hallo?! Könnte mich mal jemand aufklären?" ich wechselte den Blick zwischen den beiden.
„Das war Johannes Idee. Ich hab vor ein paar Wochen dann mit ihr telefoniert und zack... da ist sie."
Ich war platt von diesen Infos.
„Ihr habt...?" das Nicken der beiden beantwortete meine Frage, noch bevor ich sie aussprechen konnte.
„Krass, ich weiß nicht, was ich sagen soll."
„Danke wäre passend." hörte ich Johannes neben mir lachen, der unschuldig in den Himmel schaute.
„Ihr seid solche Wichser. Habt ihr gesehen, wie ich da rumgestammelt habe. Ihr hättet mir mal sagen können, was abgeht, dann hätte ich nicht ausgesehen, wie der letzte Trottel." ich legte eine kurze Pause ein und spürte dann doch diese wahnsinnige Freude in mir.
„...Aber ich danke euch. Ich weiß nicht, wie ihr das gemacht habt, aber es ist ne heftige Überraschung."
„Geht doch. Und jetzt reiß dich zusammen und lass uns einen geilen Abend haben.". Ich fiel den beiden in die Arme, löste mich jedoch direkt wieder, aus Sorge, Fragen von Umstehenden aufzuwerfen. Wir schlenderten über den Rasen in Richtung der Anderen, um uns dazu zu gesellen und einen Platz in der im Rechteck aufgestellte, großzügige Sitzecke zu bekommen. Neben Tuna war noch ein Platz auf der Couch frei, den ich direkt einnahm und mein Glas vor mir auf den Tisch stellte. Als ich aufschaute, sah ich in mir sehr bekannte Augen. Ein sanftes Lächeln legte sich auf ihre wunderschön geformten Lippen, die leichten Grübchen bildeten sich ab, ehe sie wegsah und sich wieder auf das Gespräch mit Sophie konzentrierte. Da war wieder dieses Kribbeln im Bauch und ich war ihm vollständig ausgesetzt.

„Was is eigentlich mit Sasan?!" fragte Musti besorgt.
„Der musste noch was erledigen und kommt später. Aber lasst uns doch schon mal essen, bevor es kalt wird." sprach Johannes, stand dann von seinem Platz auf und schaute in die Runde.
„Hey Leute, hey, seid mal kurz ruhig. Ich will nur ganz kurz was sagen. Also, schön, dass ihr alle da seid, ich freue mich riesig, dass ihr mir zu Ehren hergekommen seid. Damit wir ne gute Grundlage haben, gibt's da hinten Salate und Dips und den Grill habt ihr wahrscheinlich auch schon entdeckt. Also lasst es euch schmecken und genießt den Abend. Später ist Flippo am Start und macht die Musik, dann wird gefeiert!" er zeigte in die Menge auf unseren Freund, der nur kurz die Hand hob, um sich zu erkennen zu geben, bis Johannes wieder sein Glas hoch hielt, um mit seinen Gästen symbolisch anzustoßen. Die ersten machten sich bereits auf in Richtung Buffet, doch ich hatte schlagartig keinen Hunger mehr. Ich wollte einfach nur hier sitzen und sie ansehen, ihre Gegenwart genießen. Ich griff in meine Hosentasche und zog die Kippenschachtel hervor. Ich beobachtete mein Umfeld, während die Glut vor meinen Augen aufleuchtete und ich den Rauch durch meine Nase ausblies. Mir fiel auf, dass die beiden Sitze gegenüber leer waren und hatte sofort den Impuls, mich umzusehen. Wo war sie hin? Ich drückte die halbe Kippe im Ascher aus und lief nonchalant in Richtung des Essensbereichs. Volltreffer.
Sophie und sie studierten gerade die verschiedenen Salate und sammelten einige Proben auf ihren Tellern. Etwas schnelleren Schrittes ging ich zum Ende es Buffets und wartete. Früher oder später würden sie an mir vorbeikommen und das war meine Chance, ein Gespräch aufzubauen. Ich schnappte mir einen Teller und stocherte immer wieder im Hummus, täuschte vor, damit wahnsinnig beschäftigt zu sein, bis ich eine kleine Portion auf meinen Teller legte. Ich hörte, wie ihre Stimmen sich näherten und griff in einer Übersprungshandlung über den Tisch hinweg nach dem Brot.

Blick zu den Sternen  - Apache 207Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt