104. Nummer eins

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Volkan

Ich schwenkte meinen Arm so, dass ein kleiner Lichtstrahl eines Scheinwerfers im Club meine Uhr erleuchtete und ich die Zeit ablesen konnte. 2:48
Die Vorhänge des abgesperrten Bereichs waren mittlerweile so zugezogen, dass man von außen kaum einen Blick hereinwerfen konnte, was sich meine Freunde gleich zu Nutzen machten und unbekümmert tranken, tanzten und rummachten. Automatisch ging mein Blick immer wieder zu V, die mit den anderen Mädels tanzte und sich rhythmisch zum Bass bewegte. Mein Blick glitt ihren Körper hinauf und wieder hinunter. Sie bewegte sich so ungewollt sexy, so ästhetisch und geschmeidig.
Ich bekam Lust mit ihr zu tanzen, so wie wir es schon mal, früher an diesem Abend, gemacht hatten. Ich wollte sie dabei in meinen Armen halten und auch einfach küssen können.
Wilde Gedanken schossen mir durch den Kopf, sie hier und jetzt einfach zu küssen und offen zu legen, dass was zwischen uns lief. Dem Versteckspiel endlich ein Ende zu bereiten. Doch schnell schob ich diese Idee wieder bei Seite in Anbetracht, wo wir uns befanden und ich heute schließlich den Ball flach halten wollte. Außerdem war zwischen uns nichts besprochen... wir waren... Freunde. Freunde, die sich heute küssten...
Als ich gerade wieder von Vs Körper aufsah, trafen sich unsere Blicke. Anklagend schüttelte sie leicht den Kopf, begann zu lachen und warf ihre Haare nach hinten über die Schulter, während sie weiter tanzte. Ich nickte sie zu mir herüber.

„Wasn?" rief sie mir über die laute Musik zu. Ich stieß mich von dem Geländer, an dem ich lehnte, ab und beugte mich zu ihr herunter, um ihr direkt ins Ohr sprechen zu können.
„Du siehst atemberaubend aus, wie du da tanzt.". Während ich das sagte, legte ich ihr mehr oder weniger absichtlich eine Hand an die Taille.
Sie begann zu lächeln. Jackpot. Kurz hatte ich Sorge zu weit gegangen zu sein.

„Du beobachtest mich also? Wie wärs, wenn du einfach mit uns tanzt, damit ich sehe, was du draufhast?" herausfordernd schaute sie in meine Augen, doch ich musste passen. Ich war nahezu nüchtern und wollte ihnen den Spaß nicht verderben.
„Ich tanze nur mit dir allein."
„Dann sollten wir vielleicht gehen, oder?" ihre Stimme war verführerisch, genauso, wie ihr Blick. Fuck

Mein Körper spannte sich bei dieser offensiven Frage an. Mir blieb die Spucke weg.

„Hast du schlagartig Lampenfiber bekommen? Keine Sorge, wir können auch erstmal ganz langsam tanzen" sie grinste mir mutig entgegen, betonte dabei das ganz langsam, damit ich auch wirklich verstand. Ich liebte dieses große Ego. Es machte Spaß, dass wir endlich wieder auf dieser Ebene miteinander sprachen.
Als ich mich wieder gefangen hatte, zog ich einmal die Brauen hoch, während ich ihr fest in die Augen sah, dann lief ich los zu Hakan, um mich zu verabschieden. Die anderen bekamen mein Vorhaben leider ebenfalls mit und versuchten mich zu einer letzten Kippe zu überreden. Bevor sie mich in die Sitzecke zogen, drehte ich mich noch einmal zu V und symbolisierte mit zwei Fingern an meinen Lippen, dass wir noch eine rauchten. Mit einem Kopfnicken in Richtung der Sitzecke, wollte ich sie dazu einladen und sah sie fröhlich zu uns, zum Rhythmus des Lieds wippend, laufen. Sobald wir saßen und die Luft um uns herum verqualmt und noch stickiger als ohnehin schon war, traf sie die Müdigkeit wie ein Schlag. Sie lehnte ihren Kopf an die Schulter meines Bruders und auch der Alkohol zeigte sich mit jeder weiteren Minute deutlicher. Sie war wie ausgewechselt.
Als ich dann für uns beide entschied zu gehen, schlossen sich Johannes, Tami, Hakan, Sophie, Sasan und Musti an, ebenfalls loszufahren. Als V von dem Sofa aufstand, ließ sie sich, zu müde, um zu sprechen, in die Jacke helfen. Ich zog ihre dunklen Haare aus dem Kragen und legte ihr eine Hand auf den Rücken, um sie zu stützen, als sie beim Aufstehen schwankte. Vor der Tür begann eine rege Diskussion, denn Musti und Sasan schlugen vor, ein Großraumtaxi zu nehmen.
„Wir fahren doch aber alle in verschiedene Richtungen, das macht doch gar keinen Sinn." warf Hakan ein, der genervt Sophie festhielt, die ebenfalls torkelte.
„Ist doch egal, so können wir noch bisschen zusammen sein. Ich will noch nicht nach Hause, so kann ich noch bisschen Zeit mit euch verbringen.". Musti runzelte die Stirn.
„Wir sind doch aber auch zu acht, das passt doch gar nicht." gab ich nun auch zu denken. Ich wollte mir kein Taxi teilen. Ich wollte keine Zeugen haben, wer wo ausstieg. Oder mit wem.
„Ach was. Sophie kann doch bei Hakan auf den Schoß. Kommt schon Leute, es ist doch kaum ein Umweg." versuchte Sasan uns zu überzeugen und wählte bereits die Nummer des Taxiunternehmens.
Ich gab mich geschlagen und atmete genervt tief ein und aus. V, die sich eingehakt und ihren Kopf an meinem Oberarm angelehnt hatte, stand mit geschlossenen Augen da und hielt sich mit Mühe wach, um nicht an Ort und Stelle einzuschlafen.
„Hälst du noch durch?" flüsterte ich ihr zu.
„Hm, glaub schon. Bin ziemlich betrunken..."
„Ich merk schon, du schwankst bisschen."
„Tschuldigung" erwiderte sie mit einem Lächeln, gefolgt von einem großen Gähnen, bei dem ihre Augen weiterhin geschlossen blieben.
„Ich halte dich fest."

Blick zu den Sternen  - Apache 207Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt