47. Ach, kein Interesse

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Volkan

Ich hatte mein Zeitgefühl verloren und auch meinen Gleichgewichtssinn. Ich hatte nach dem ersten Shot nicht mehr mitgezählt. Beim Aufstehen von der Couch in der Suite kam ich ganz schön ins Taumeln und musste mich an den Anderen festhalten, um nicht gegen die spärliche Einrichtung zu laufen oder über meine eigenen Füße zu stolpern. Ich musste die ganze Zeit lachen und wusste selbst nicht mehr worüber. Ich bahnte mir meinen Weg Richtung Badezimmer und lief an Johannes und einer kleinen Brünetten vorbei, die sich an ihn schmiegte. Sie trug mittlerweile nicht mehr viel und schien sich daran nicht zu stören. Es ging ganz schön ab bei den beiden und ihre Hand fuhr mehr als offensichtlich immer wieder über Johannes Schritt, da fehlte nicht mehr viel, bis die Hand in der Hose verschwand. Im Vorbeigehen grinste ich ihn an, ohne die beiden jedoch zu stören. Mit Schwung stieß ich die Tür nach innen auf und schloss mich wenige Sekunden später in dem kleinen Badezimmer ein. Mein Blick fiel nur kurz in den übergroßen Spiegel, der mir eine Version von mir selbst präsentierte, die ich nicht sehen wollte, sodass ich mich wegdrehte und umständlich lange versuchte, meine Hose nach unten zu ziehen. 
Mir fiel es schwer, noch anständig die Toilette zu treffen und auch das helle Licht blendete mich sehr. Umso schneller versuchte ich wieder herauszukommen.
Ich nutzte gleich den Moment, in dem ich noch Stehen konnte, und lief auf die ziemlich großzügige Terrasse der Suite. Auf den Balkonmöbeln in der rechten Ecke hörte ich leises Stöhnen und Kussgeräusche. Die spärliche Beleuchtung ersparte mir glücklicherweise genauere Details. Ich stellte mich etwas abseits an das Geländer, zog meine Schachtel Kippen aus der Hosentasche und steckte mir eine an. Mit der anderen Hand holte ich endlich mein Handy hervor, löschte die bereits angefangene Nachricht an V und drückte auf das kleine Mikrophon, um mit ihr sprechen zu können. Bei all den Pärchen hier, bekam ich genau so viel Lust und vermisste ihre Küsse und Berührungen auf meiner Haut. Ich fing an zu sprechen, versuchte dabei nüchterner zu wirken, und erzählte ihr erst einmal von dem Konzert und wie ich den Abend empfunden hatte, bis Charlie neben mir auftauchte und sich an meine Brust lehnte. Ich hatte nicht mit ihr gerechnet und zuckte leicht zusammen, als ich ihre blonden Haare zuordnen konnte. Sie hatte scheinbar Freundinnen in die Suite eingeladen, die jetzt mit etwas Abstand an der Balkontür standen und uns beobachteten. Sofort fing sie an in meine Audio zu plappern. Ohne, dass ich ihre Worte genau verstand, machte sich Wut in mir breit.
Ich drehte mich ruckartig weg, sodass Charlie fast den Halt verlor, um die Audio allein zu Ende zu bringen und V zu sagen, dass ich sie vermisste. Als ich fertig war, stand Charlie in einer sehr unbequem aussehenden Körperhaltung am Geländer, den Arsch rausgedrückt und ihre Brüste deutlich sichtbar. Ach, würden all diese Frauen doch nur wissen, wie unattraktiv sie sich damit machten.

„Was sollte das, du hast doch gesehen, dass ich was aufnehme." richtete ich mich mit rauem Ton an Chalie, die wimpernklimpernd zu mir hoch sah.
„Nee, das hab ich erst gesehen, als du gegangen bist. Ist doch nicht so wild, entspann dich mal. Hast du ne Kippe?". Sie hatte wieder diese Kleinmädchenstimme aufgesetzt und schmunzelte mir entgegen. Sie griff direkt an meine Hose und drückte den Stoff an der Stelle an der die Taschen waren zusammen, um sie auf Inhalt zu prüfen. Innerhalb von Millisekunden war ihre Hand in meiner Tasche und sie zog die knisternden Kondompackungen hervor.

„Ach, kein Interesse. So ist das. Hast du es dir also doch anders überlegt?" flüsterte sie in einem verführerischen Ton zu mir. Sie kam einen weiteren Schritt auf mich zu und ihre Brüste berührten nun fast meinen Körper. Sie schaute wie ein Hundewelpe von unten zu mir nach oben und ihre Hand kam meinem Gesicht eindeutig zu nah. Mir stockte für einen Moment der Atem, bis ich meine Sprache wiederfand. 
„Ich hab meine Meinung nicht geändert, ich will dich einfach nicht bumsen, ok?" locker spuckte ich ihr die Worte entgegen. Meine Wortwahl war hart, das wusste ich, doch wollte sie mich ja nicht anders verstehen. In ihrer Bewegungsabfolge blieb sie stehen und schaute mich verletzt an. Hinter mir hörte ich Hakan meinen Namen sagen und ich drehte mich ruckartig zu ihm um und ließ Charlie stehen. Ihre Freundinnen eilten sofort zu ihr und bildeten einen Halbkreis um sie herum.  

„Kannst du mal kommen, bitte?" Er wirkte auf einmal so nüchtern, dass ich mir vorkam, als hätte meine Mutter mich beim Rauchen erwischt.
„Was soll das, Volkan?!" zischte er mir vorwurfsvoll zu. Ich fühlte mich sofort ertappt. 
„Ist doch nichts passiert, alles gut."
„Bitte? Sie hat dich fast geküsst? Ihr steht sau eng zusammen und sie hält dir Gummis vors Gesicht. Du weißt, wie das wirkt?"
„Ja, richtig. Wirkt. Ich muss es so wirken lassen, weil niemand außer dir verdammt nochmal weiß, was wirklich abgeht. Was soll ich ihr sagen? Nein, ich hab ne Freundin zu Hause von der aber niemand wissen darf? Ich würde sie nicht betrügen und doch schon gar nicht mit Charlie man, so gut müsstest du mich doch kennen."
„Ok, schon gut, reg dich nicht so auf. Vielleicht sollten wir dann aber mal so langsam abhauen. Es ist schon kurz vor 4 und so langsam wird es scheinbar gefährlich hier." mit einem strengen Blick in Richtung der Mädelsrunde, griff Hakan nach meinem Arm und dirigierte mich wieder ins Innere der Suite, weg vom Feuer. Ich nickte nur und folgte ihm wortlos. Seine Ansprache hatte mich wirklich wütend gemacht, doch nicht nur, weil er mir unterstellte mit einer anderen Frau zu flirten, sondern auch weil ich V so krass vermisste und mich allein fühlte. Und doch gab es einen kleinen Moment des schlechten Gewissens, weil ich Charlie hatte so nah kommen lassen. Warum ging ich zu ihr zurück, nachdem ich die Audio beendete und nicht einfach wieder rein. Warum gab es diesen kurzen Moment, in dem ich die Aufmerksamkeit genoss...

Blick zu den Sternen  - Apache 207Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt