Kapitel 76

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Die Sonne brannte ungewöhnlich heiß und mein schwarzes Auto lud sich zusätzlich noch mit Wärme auf. "Ich bin übrigens Pate", erwähnte ich und legte den Arm um meine Freundin. "Das arme Kind", schnaufte sie und schaute mir tief in die Augen. "Ich liebe dich auch Ann- Kathrin", grinste ich und gab ihr einen Kuss auf die Backe. "Also go", rief sie und sprang aus dem Kofferraum. "Wohin?", wollte ich wissen. "Na deinem Neffen zuschauen?", rief sie und zog mich an der Hand hoch. Inzwischen waren die Zwerge auf dem Platz und wärmten sich auf. Anni und ich setzten uns auf die kleine Tribüne neben den Sportplatz und schauten Philipp zu. Er war mit Abstand der Schnellste und Beste. "Weißt du noch, was du zu meiner Schwester gesagt hast, als sie über Philipps fußballerische Zukunft gesprochen hat?", fragte meine Freundin. "Der hat das Götze- Gen", lachte ich. "Und was meinst du?", grinste sie. "Der hat es", nickte ich und legte meinen Arm um ihre Hüfte. Spontan holte ich mein Handy heraus und wartete auf den Moment, als Philipp vor dem Tor stand und schoss ein Foto für Instagram. "Every careers start is small, go little Mario!", schrieb ich darunter und postete es. "Stolzer Onkel?", grinste meine Freundin und legte ihre Füße auf die Klappstühle vor uns. In dem Moment klingelte mein Handy, Mario rief an. "Bruder?", meldete ich mich. "Servus, pass mal auf", murmelte er, "ich hab Jenna jetzt solange nicht mehr gesehen und ich würde erst heute Nacht nach Hause fahren". "Sollen wir deinen Junior also über Nacht nehmen?", fragte ich. "Ja sozusagen", entgegnete er. "Alles klar", nickte ich. "Wir haben einen Gast heute Nacht?", fragte Anni, nachdem ich aufgelegt hatte. "Zum Wohle der Familie", grinste ich. Nach einer Stunde kam Philipp zu uns auf die Tribüne. "Ich hab gewonnen!", brüllte er und setzte sich auf Annis Schoß. "Kumpel du übernachtest heute bei uns!", verkündete ich und strich ihm seine Frisur wieder in Form. "Echt?", rief er und begann zu strahlen. Anni schickte ihn zum Umziehen und wir gingen zurück zum Parkplatz. "Ich bin gespannt auf unsere Elternqualitäten", lachte ich, weil wir uns noch nie über Nacht um Philipp kümmern mussten. "Da musst du dich dran gewöhnen Felix", grinste sie und stellte sich vor mich an die Tür. "Du wieder", lachte ich und stieß sie leicht von mir weg. "Onkel Felix!", hörte ich meinen Neffen schon von Weitem schreien. Ich fuhr herum und hielt meine Hand hoch, damit er einschlagen konnte. Danach setzte er sich auf den Rücksitz und wir fuhren in Richtung Innenstadt. Vor Marios Haus blieben wir stehen und klingelten. Ein Glück öffneten ihre Nachbarn die Tür. "Servus Felix", begrüßte mich Dani und drehte gleich um, um mir den Schlüssel für die obere Wohnung zu geben. Dort befahl ich Philipp seine Sachen zu packen und bediente mich am Kühlschrank. Weil ich mich früher fast nur hier aufgehalten hatte kannte ich jede Ecke in und auswendig. Unten hörte ich, wie sich Anni mit Marios Nachbarin über Jonas unterhielt und lief dann zu Philipp in sein Zimmer. "Also wie schaut es denn jetzt aus", seufzte ich, als ich sah, dass er auf seinem Bett saß und Fußballsticker anschaute. "Ich kann das noch nicht alleine", jammerte er und rappelte sich auf. "Also gut", schnaufte ich und setzte mich vor seine Kommode, "Pack du mal deinen Schulranzen für morgen und ich such dir was zum Anziehen und den Rest raus". Als ich seinen Kleiderschrank durchwühlte stellte ich fest, dass Mario seinem Sohn nicht gerade die günstigsten Sachen kaufte. "Wie findest du das?", fragte ich und hielt ein Adidas T-Shirt hoch. "Cool", gab er von sich und packte seine Hefte in seinen Rucksack. "Das ist voll stylisch", entgegnete ich überzeugt und lief rüber ins Bad um mir seine Zahnbürste zu schnappen. "Wenn ich was vergessen hab musst du einfach was von mir anziehen", grinste ich und schloss die Wohnungstür hinter mir wieder. "Mir steht es bestimmt viel besser als dir", zwinkerte er mir zu und rannte die Treppe hinunter. "Können wir?", rief Anni und nahm Philipp seinen Schulranzen ab. "Loos", strahlte er und hüpfte auf und ab. "Also dann machs gut", grinste Anni und umarmte Dani schnell und dann liefen wir wieder auf die andere Straßenseite zum Auto. Fahren lohnte sich bei 50 Metern Fußweg zwar nicht, aber wir machten es trotzdem. Vor unserem Haus stieg ich aus und sperrte die Tür auf. "Hereinspaziert", meinte ich und ließ unseren Gast hinein. Sofort rannte er in den großen Flur und zog seine Schuhe aus. "Gehen wir in den Whirlpool?", rief er. "Immer langsam", rief Anni und lief in die Küche, "wir essen erstmal, was willst du denn?", "Nudeln", antwortete ich aus Gewohnheit und stellte Philipps Schuhe in den Schuhschrank. "Nicht du", rief Anni zurück. "Pizza!", hörte ich meinen Neffen aus dem Wohnzimmer schreien. "Okay", war Annis kurze Antwort. "Und was machen wir jetzt?", fragte ich ihn, als ich mich neben ihn auf die Couch setzte. Er saß gefasst da und schaute sich die Fotos an Annis Bilderwand an. Dort hangen gefühlt hundert Bilder, die die ganze Wand bedeckten. "Schau mal, das bist du", grinste ich und zeigte auf ein Foto, auf dem ich mit Philipp als Baby zu sehen war. Er begann zu kichern und zu mir hochzuschauen. Ich wusste nicht so genau, ob er jetzt über mein Aussehen mit 16 Jahren lachte oder über sich selbst. "Wer ist das?", fragte er dann und zeigte auf ein Bild schräg gegenüber. "Weißt du nicht wer das ist?", fragte ich verwirrt. Philipp schüttelte den Kopf und schaute mich fragend an. "Das ist deine Oma", meinte ich etwas leiser und nahm den Bilderrahmen vom Nagel. Philipp setzte sich auf meinen Schoß, weil er merkte, dass ich in Annis Anwesenheit nicht so laut über ihre Mutter reden wollte. Sie hatte zwar inzwischen in der Küche die Stereoanlage aufgedreht, doch sicher war sicher. "Mamas Mama?", fragte er nochmal und griff nach dem Foto. Wortlos nickte ich und schaute auf meinen Neffen herunter. Er wendete das Foto um sich seine Oma ganz genau anzuschauen. "Wann ist sie gestorben?", wollte er wissen. "Ein paar Monate vor deiner Geburt", antwortete ich. "Da war Mama ja noch ganz jung", flüsterte er und schaute entsetzt zu mir hoch. "Ja das war sie, gerade erst 18", meinte ich und strich ihm über seine Haare. "Hat Mama geweint?", fragte er. Jemanden anderes hätte ich bei dieser Frage wahrscheinlich Eine von hinten verpasst, aber bei Philipp war es völlig okay. "Oh ja das hat sie", flüsterte ich und entschloss mich einfach von der Zeit zu erzählen, "Jenna hat damals noch nicht gewusst, dass sie schwanger war, aber ihr ging es schon tagelang schlecht. Als deine Oma dann gestorben ist hat sie auch kurz danach erfahren, dass sie zwei Kinder bekommt und das hat sie dann erstmal völlig aus der Bahn geworfen". Philipps Gesicht verzeichnete ein großes Fragezeichen. "Hast du meine Oma gekannt?", fragte er mich aufgerissenen Augen. "Nein, dein Papa hat es erst drei Monate, nachdem deine Mama von ihrer Schwangerschaft erfahren hat, für nötig gehalten sie uns vorzustellen", lachte ich. Mein Neffe schmunzelte auch ein Wenig, doch wurde dann wieder ganz schnell ernst. "Wollte Mama uns gar nicht?", flüsterte er dann etwas niedergeschlagen. "Das kann man nicht so sagen", schnaufte ich, "sie war gerade 18 und hatte noch keine Arbeit und da passt einem ein Baby einfach nicht in den Kram, aber dein Papa hat sie immer ermutigt und so wie es ausschaut haben es die Beiden recht gut hinbekommen". "Du meinst Mama passten zwei Babys nicht in den Kram", verbesserte er mich. "Ja genau", nickte ich. "Schau mal da rüber", schaute ich auf und zeigte auf ein Foto an der rechten Wandhälfte, "das war deine Schwester". Das Thema musste endlich angesprochen werden. Ungefähr zweimal ihm Jahr besuchten wir alle zusammen Lias Grab, doch danach hatte Philipp noch nie ein Wort über sie verloren, doch langsam wurde es an der Zeit ihm Alles zu erzählen. "Schade, dass sie nicht mehr da ist", meinte er und spielte an meinem Ärmel herum. "Da hast du Recht", nickte ich und wurde wie in die Zeit zurückgebeamt. Der Krankenhausflur. Der Arzt kam aus dem Besprechungszimmer. Sagte irgendetwas zu Mario. Mario brach zusammen. Fabian fing ihn auf. Ich wusste genau was passiert war. Jenna kam mit Irina angelaufen. Sie brach auch zusammen. Danach nurnoch Tränen. Tränen. Tränen. "Jetzt schaust du aus wie meine Mama, wenn sie nachdenkt", erklärte Philipp. Ich antwortete nichts. Es tat mir so leid, dass Philipp von seiner Schwester nur einen grauen, mit bunten Blumen bepflanztes Grab anschauen konnte. "Jetzt sei mal nicht traurig, sondern erzähl mir was über Lia", crashte Philipp wieder meine Gedanken. "Eine Geschichte?", grinste ich. Er nickte eifrig. "Okay, dann pass mal auf. Bei der Weltmeisterschaft 2014 wart ihr gerade mal einen Monat alt, aber dein Papa wollte unbedingt, dass ihr mitkommt", begann ich die Geschichte vom WM- Finale zu erzählen, "aber deine Mama hat sich immer dagegen gewährt, weil sie euch nicht mit nach Brasilien nehmen wollte. Eure Oma Astrid hat aber hinter ihrem Rücken alle Flüge gebucht und sie alleine nach Brasilien geschickt, ohne euch". "Aber Papa wollte doch, dass wir dabei sind", hakte Philipp ein. "Das kommt ja noch", beruhigte ich ihn, "kurzerhand hat sie dann auch noch einen Flug für sich, mich und euch Beide am Tag vom WM- Finale gebucht und ist rübergeflogen und als Mario dann nach dem Schlusspfiff auf dem Rasen gestanden hat ist sie mit euch runter und ich glaube wirklich, dass das der glücklichste Moment in seinem Leben war". "Das hat Papa mir auch schon öfters erzählt, aber was hat das jetzt mit Lia zutun", flüsterte Philipp auf einmal und schmiegte sich an meine Brust. Darauf antwortete ich nichts, sondern grinste nur ein Wenig: "Lia war Marios kleine Prinzessin". "Prinzessin?", wiederholte Philipp stirnrunzelnd. "Sie war einfach sein kleines Mädchen, verstehst du?", versuchte ich es ihm zu erklären. "Er war dann bestimmt sehr traurig, als sie gestorben ist", brummelte er und schaute auf den Boden. "Du glaubst gar nicht wie traurig er war. Er hat fast für ein halbes Jahr nicht richtig Fußball spielen können", nickte ich, "dein Pate Marco hat sich sehr lange um ihn gekümmert". "Mein Pate ist eben der Beste", grinste Philipp und stand auf. Lange sentimentale Gespräche konnte man mit einem 6- jährigen Kind eben doch noch nicht führen, doch ich fühlte mich, als ob ich etwas erreicht hätte in Sachen Götzsche- Familienstruktur. "Jungs es gibt Essen!", rief meine Freundin aus der Küche und Philipp rannte ohne mit der Wimper zu zucken über den Flur zu ihr. Er war so ein braver Junge. Mario konnte stolz auf ihn sein, doch der hatte jetzt erstmal einen anderen Sohn, um den er sich kümmern musste.


Hallo! So hier ist Kapitel 76 & WOW WOW WOW wir haben tatsächlich die 100K! Danke Leute, das macht mich wirklich sehr stolz!♥ Ich weiß gerade gar nicht, ob dieses Kapitel diesem Anlass angemessen ist, aber geschrieben ist geschrieben. Tja ich schlage mich gerade durch mein Praktikum, (in den Pfingstferien!) und verstehe irgendwie nur Bahnhof haha.. naja machts gut und hinterlasst mir doch gerne ein Statement zu diesem Kapitel :)

Love never runs out (Mario Götze FF - ON HOLD)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt