"Ich geh sie jetzt suchen", meinte ich und schnappte mir meinen Autoschlüssel. "Fahr bei Lucia vorbei!", schrie mir Jenna hinterher, die gerade am Telefon war. So schnell es ging fuhr ich zum Haus von Philipps Freundin und klingelte. Als die Tür geöffnet wurde stand vor mir eine blonde Frau, die ein Handy am Ohr hatte und erschrocken auflegte, als sie mich sah. "Hallo ich bin Mario, der Papa von Philipp, ist er bei euch?", fragte ich schnell. "Alex", entgegnete sie schnell und schüttelte den Kopf, "Lucia ist auch noch nicht aufgetaucht und ich mach mir langsam wirklich Sorgen". "Wir müssen sie suchen gehen", schnaufte ich und wollte wieder umdrehen. "Ich komme mit", meinte sie schnell und zog die Tür hinter sich zu. "Sie können bei mir mitfahren", schlug ich vor und wenige Augenblicke später fuhren wir den Schulweg der Beiden ab. Wir fanden sie auf keinem Spielplatz, in keinem Kiosk oder Supermarkt und auch nicht in der Schule, also fuhr ich zum Trainingsgelände, auch wenn ich keine Ahnung hatte wie mein Sohn dorthin kommen sollte. "Suchst du mal die Plätze ab und ich geh rein und schau da nach", ordnete ich an. "Kann ich da einfach rumlaufen?", fragte sie vorsichtig. "Wenn dich jemand anmacht sagst du, dass du eine Freundin von mir bist und etwas wichtiges suchst", erklärte ich und ging ins Gebäude, wo ich fast mit Matthias zusammenstieß. "Was machst du noch hier?", fragte er verwirrt. "Hast du meinen Sohn gesehen?", rief ich schnell und schaute mich überall um. "Nein, wieso?", fragte er. "Er ist nicht von der Schule heimgekommen", meinte ich kurz und stieß ein unüberhörbares, "PHILIPP!" aus. "Ich befürchte, dass du woanders suchen musst", seufzte er, "viel Glück". In dem Moment klingelte mein Handy. "Jenna!", rief ich und hoffte, dass sie gute Nachrichten hatte. "Mario hast du sie?", fragte sie, "ich hab in der Schule und in der Kinderbetreuung angerufen, aber da sind sie nicht". "Nein, wir waren überall und er ist nirgendwo", meinte ich verzweifelt. "Wir müssen zur Polizei", flüsterte sie. "Ich geh gleich", beschloss ich und legte auf. Alex war auf dem Platz auch nicht erfolgreich, deswegen fuhren wir auf die Wache. Zuerst wurden wir nur angestarrt, weil es anscheinend nicht oft vorkam, dass ein Fußballer bei ihnen nach Hilfe fragte. "Wie können wir ihnen helfen?", fragte eine abgemagerte Frau, als wir endlich drankamen. "Wir suchen unsere Kinder", erklärte Alex, "sie sind heute nicht von der Schule heimgekommen". "Wurden sie hier abgegeben oder haben sie irgendetwas gehört?", mischte ich mich ein. "Hier noch nicht, aber ich rufe meine Kollegen an und frage nach, wie schauen sie denn aus?", wollte sie wissen. "Der Junge ist ungefähr 1,20 groß und hat braune Haare", meinte ich. "Was hatte er denn an?", fragte sie weiter. "Ein Deutschlandtrikot und eine blaue kurze Hose", fügte ich hinzu, "und schwarze Adidasschuhe". "Vielen Dank und das andere Kind?", fuhr sie fort. Schnell schilderte Alex der Frau Lucias Aussehen und dann mussten wir warten. Nach einer Viertelstunde kam sie kopfschüttelnd zurück und musste uns enttäuschen: "Es wurde niemand gefunden". "Dann schalten sie bitte ihre Kollegen ein und suchen nach den Beiden", drängte ich. "Das geht leider erst nach 24 Stunden", hakte sie ein. "Verdammt!", brüllte ich und machte kehrt und ging aus dem Gebäude. Wo konnten die Beiden nur sein? Bis zum Abend suchten wir noch bei den Busunternehmen, am Bahnhof, in sämtlichen Restaurants und Felix und Fabian suchten auf den Straßen, doch wir fanden sie nicht. Um zehn Uhr abends trafen wir uns wieder in unserem Wohnzimmer, wo Jenna zusammengerollt auf dem Sofa lag und verzweifelt versuchte nicht zu weinen. "Baby sie tauchen wieder auf", versuchte ich sie zu beruhigen, "du kennst doch kleine Kinder". "Ja ich kenne Philipp und das macht mir ja gerade Sorgen", seufzte sie und ich ließ mich neben sie auf die Couch setzen. Felix und Alex diskutierten immer noch hitzig über irgendetwas und Fabian telefonierte. "Wer ist die Frau?", fragte Jenna mich von der Seite. "Lucias Mama", entgegnete ich kurz, worauf Jenna aufstand und auf die blonde Frau zuging. "Ich bin übrigens Philipps Mama", grinste sie gequält und gab ihr die Hand. "Alexandra", antwortete sie kurz und unterhielt sich dann kurz mit Jenna. Jeder überlegte, wo die Beiden sein konnten, doch niemandem fiel noch etwas ein. Es schien, als hätten wir schon die ganze Stadt ausgesucht, doch das Problem war, dass die Stadt einfach viel zu groß war. Am nächsten Morgen stand ich um sechs Uhr auf, weil ich die ganze Nacht nicht geschlafen hatte und Jenna neben mir hatte die ganze Nacht entweder geweint oder gezittert. Felix und Fabian hatten auf der Couch geschlafen und Alex war im Gästezimmer. "Morgen Baby", flüsterte ich, als ich in die Küche kam, wo Jenna mit einem Pot Kaffee am Tisch saß. Sie antwortete mir nicht, sondern sah nur kurz auf und "schenkte" mir ein kurzes Lächeln. "Wenn sie wenigstens über Nacht gekommen wären", krächzte sie, "wer weiß wo sie gerade sind oder übernachten müssen". "Wir schalten heute die Polizei ein und die finden sie, ganz bestimmt", flüsterte ich und massierte ihr die Schultern. "Morgen", hörte ich jetzt auch Alex Stimme hinter mir, die schon fertig angezogen aus dem Gästezimmer kam und sich mit an den Tisch setzte. "Kaffee?", fragte meine Frau und reichte ihr eine Kanne. "Danke", flüsterte sie und schaute aus dem Fenster. "Ist euch über Nacht noch irgendein Ort eingefallen, an dem sie sein könnten?", fragte Lucias Mutter nachdenklich. "Ich fahr heute in die Schule und schau, ob sie dort aufgetaucht sind, wenn nicht frage ich die Kinder, ob sie etwas gehört haben", erklärte ich. "Und wenn nicht gehen wir danach zur Polizei", fügte Alex hinzu. "Das geht doch erst nach 24 Stunden oder nicht?", fragte Jenna. "Hallo ich bin Mario Götze? Da sind denen drei Stunden oder sowas doch egal", meinte ich kurz und ging in mein Zimmer um mich umzuziehen. Um halb acht fuhr ich zu Philipps Schule, wo ich zuerst einige Worte mit der Lehrerin sprechen musste und ihr die ganze Situation erklärte. Immer wieder hatte ich ein Auge auf die Tür und hoffte, dass Philipp und Lucia einfach hereinspaziert kamen, doch das taten sie nicht. "Natürlich können sie ein paar Worte an die Mitschülern richten", rief die Klassenlehrerin und erteilte mir sofort das Wort. Es kam mir komisch vor vor sovielen Grundschülern zu sprechen, doch die meisten schauten mich nur grinsend oder aufgeregt an, weil sie mich vom Fernsehen aus kannten. "Hallo Leute, ich hab ein paar kurze Fragen an euch", begann ich und kratzte mir am Hinterkopf. Damit ich sympatischer wirkte setzte ich mich mit einer Arschbacke auf die Tischkante und faltete die Hände zusammen. "Ich bin der Papa von Philipp, wer mich noch nicht kennt und ich habe eine wichtige Nachricht: Philipp und Lucia sind gestern nach der Schule nicht nach Hause gekommen und wir haben keine Ahnung wo sie sind", begann ich, "wir brauchen alle eure Hinweise, vielleicht haben sie etwas gesagt, was sie machen wollen oder wo sie hingehen wollten". "Weiß Lucias Mama schon davon?", fragte ein Mädchen mit braunen Haaren und aufgerissenen Augen. "Ja und sie sucht auch verzweifelt nach ihr", antwortete ich, "und denkt dran, es ist völlig egal, ob Philipp euch gesagt hat, dass ihr es niemandem erzählen dürft oder nicht, ich muss alles wissen, was er gestern nach der Schule gemacht hat, sonst taucht er vielleicht nie wieder auf". Darauf waren auch die letzten kleinen Kinder in der hintersten Bank still. "Also könnt ihr mir irgendwas sagen?", fragte ich. In der vorletzten Bank meldete sich ein Junge und ich gab ihm ein Zeichen, dass er mit mir raus gehen sollte. Ich kannte das Kerlchen irgendwoher, doch konnte ihn nicht einordnen. Ich setzte mich mit ihm vor das Klassenzimmer auf eine Bank und bückte mich zu ihm nach unten. "Philipp ist mein bester Freund", begann er leise und schaute auf den Boden. Wieso kannte ich seinen Namen nicht? "Hat er dir etwas gesagt?", hakte ich vorsichtig nach, worauf er nickte. "Er wollte Lucia den Bach mit den Surfern zeigen, weil sie ja noch nicht lange hier wohnt", erklärte er, "sie sind gleich nach der Schule losgelaufen, aber sie wollten noch ein paar Sachen Zuhause davor holen". "Also sind sie erst nach Hause gelaufen?", fragte ich nochmal nach. "Ja zu Philipp nach Hause, weil seine Mutter etwas kochen wollte", nickte er, "eigentlich wollte ich auch mitkommen, aber ich hatte gestern Fußballtraining". "Richtig stark von dir, dankeschön", meinte ich und klatschte mit ihm ein. Der Kleine schien nicht sehr redseelig zu sein, denn er lief schnurstracks wieder in den Klassenraum. Nachdem ich jedem nochmal unsere Telefonnummer gab bat ich sie zu überlegen und fuhr zurück in unsere Wohnung, wo ich Alex mit an Bord nahm und auf die Wache fuhr. Wieder die gleiche Frau saß am Schalter und ließ uns gleich in ihr Zimmer hinein. "Sie müssen jetzt sofort ihre Kollegen losschicken und unsere Kinder suchen", drängte ich. "24 Stunden sind aber noch ni.." -"Scheiß auf 24 Stunden", redete ich dazwischen. Langsam wurde mir die Lage bewusst. Philipp konnte überall sein. "Herr Götze das geht nicht so einfach", schüttelte sie den Kopf. "Frau..", Alex schaute auf das Namensschild der Frau, "Schindler, sonst kommen wir in zwei Stunden wieder und es ist doch scheiß egal, ob sie bis dahin die Pausenbrotdiebstähle, die sie sonst behandeln würden aufschieben und sich erst um zwei vermisste Kinder kümmern!". "Pausenbrotdiebstähle?", wiederholte die in braun gekleidete Frau und schaute uns böse an. "Ich hab seit gestern Abend kein Auge zugemacht, also nehmen sie Kontakt mit ihren Kollegen auf, oder ich mache es selbst", mischte ich mich ein. "Hören sie mir jetzt bitte mal zu", schwafelte Frau Schindler, die, wie ich feststellen musste einen Berliner Dialekt hatte, "nur weil sie jetzt hier bekannt sind oder so tuen heißt es nicht, dass sie von der Polizei besser behandelt werden". "Haben sie eigentlich Kinder?", fragte Alex dazwischen. "Nein, sowas brauch ich nicht", zeterte sie. "Kein Wunder", zischte ich. "Dann wissen sie nicht, wie es ist, wenn einem das Wichtigste genommen wird", schüttelte Alex den Kopf und wollte umdrehen und gehen. "Warte doch mal", zischte ich, doch sie riss sich weg. "Ach bei der Trulla hat das doch keinen Sinn, wir fahren auf eine andere Wache und sagen, dass eine gewisse Frau Schindler kein Bisschen Gespür für Menschlichkeit hat". "Das ist Erpressung!", schrie Frau Schindler und zückte das Telefon und wenig später ging auch schon ein Suchbefehl raus. "Als erstes schalten wir es in Radio und lokalen Fernsehsendern und wenn sich darauf niemand meldet werden wir unsere Truppen losschicken", erklärte uns ein junger Polizist. "Vielen Dank", nickte Alex und kurz darauf machten wir uns auf den Weg nach Hause. Den ganzen Nachmittag hörten wir Radio um die Suchmeldung zu hören. Jenna und meine Brüder waren irgendwo anders unterwegs um zu suchen, deswegen war ich mit Lucias Mutter alleine. "Es tut mir ja jetzt echt leid", begann ich, als wir nebeneinander auf der Couch saßen, "aber wie lange geht das mit Philipp und Lucia jetzt schon?" Alex musste kurz lachen: "So ein halbes Jahr, aber öffentlich ist es erst seit zwei Monaten". Beim Wort öffentlich mussten wir beide schmunzeln. "Ich bin nicht oft Zuhause, deswegen kenne ich erst Lucia seit gestern", meinte ich entschuldigend und dann begannen die 15-Uhr-Nachrichten. "Das Antenne Bayern Team bittet um ihre Hilfe: Der siebenjährige Philipp Götze und die sechsjährige Lucia Gärtner aus der Maxvorstadt werden vermisst. Die Beiden sind gestern nicht von der Schule heimgekommen und ihre Eltern suchen verzweifelt nach Augenzeugen. Der Junge trägt ein Deutschlandtrikot von Mario Götze und eine blaue kurze Hose und das Mädchen ein kurzes Blümchenkleid. Hinweise werden in unserer Zentrale oder in allen Polizeistellen gerne angenommen. Danke für ihre Hilfe", sprach die Nachrichtensprecherin. Als wir beide das hörten waren wir geschockt. "Mir wird das gerade erst richtig bewusst", schluchzte Alex und legte ihren Kopf in ihre Hände. Auch ich konnte nicht mehr. Die Angst was los war fraß mich auf.
Bitteschön!
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Love never runs out (Mario Götze FF - ON HOLD)
Fanfiction"Lass mal zu der da hinten gehen" - ein Satz, der das Leben zweier Menschen komplett veränderte.