Kapitel 11

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Am Nachmittag fuhr Nadine ins Rathaus und ich schaute nach Jenna. Als ich ihr Zimmer betrat lag sie im Bett und war überraschenderweiße wach. Sie hatte ein Buch in der Hand und weinte. Als ich mich zu ihr legte sah ich, dass es ein Familienalbum war. Ich küsste sie auf die Wange und sie klammerte sich gleich an mich. "Ich bin so froh dich zu haben", heulte sie und legte ihren Kopf auf meine Brust. "Ich bin immer für dich da", flüsterte ich. "Was ist das?", fragte ich und deutete auf das Buch. "Ein Fotoalbum das hat mir Mama zum 18. gemacht kurz bevor ich nach München gegangen bin", erklärte sie. "Ist sie das?", frage ich weiter und deutete auf ein Bild auf dem Jenna neben zwei Frauen und Anni stand. "Ja das ist meine Mutter. Das war bei meinem Abiball und das ist meine frühere Mathelehrerin", meinte Jenna und deutete auf die andere Frau. Ihre Mutter sah unglaublich gut aus und sah ihrer Tochter erschreckend ähnlich. Sportliche Figur, blonde Haare und diese wunderschönen Augen. "Wow sie war ja wunderschön", flüsterte ich und blätterte die Seiten um. Jenna zeigte mir Bilder aus ihrer Kindheit und Schulzeit und erzählte mir lächelnd mit Tränen in den Augen die Geschichten dazu. Ich hörte ihr einfach nur zu, hielt sie im Arm und ich spührte das es ihr gut tat. Wir lagen den ganzen Tag nur in ihrem Bett und redeten. Über ihre Familie, ihre Mutter und die glückliche Vergangenheit. "Danke das du für mich da bist", meinte sie am Ende und küsste mich auf die Wange. Ich tat auch die nächsten Tage nicht viel außer auf sie aufzupassen, dass sie nicht an ihrer Trauer und ihren Tränen kaputtging. Ich hatte mir für die kommende Woche frei geben lassen, weil mir Jenna und ihre Familie einfach viel wichtiger war als ein Bundesligaspiel gegen Frankfurt. Die Medien überschlugen sich, weil ich seit Samstag Abend nicht mehr in München gesehen wurde und Pep verkündet hatte, dass ich im nächsten Spiel aus privaten Gründen fehlen würde. Die Gentzels verarbeiteten den Tod der Mutter alle unterschiedlich. Jenna und Theo ließen sich von mir trösten, Anni saß herum und hörte Musik, Michael (Jennas Vater) redete viel mit ihren Großeltern und Sophia und Nadine versuchten ihre Trauer mit Arbeit verschwinden zu lassen, doch wirklich verdrängen konnte es niemand. Am Tag der Beerdigung fuhren wir gemeinsam zum Friedhof, alle in schwarz gekleidet und erwiesen Jennas Mutter die letzte Ehre. Jenna hatte sich dagegen entschlossen ihre Mutter nochmal sehen zu wollen, da sie viel zu viel Angst vor ihrer eigenen Reaktion hatte, also setzten wir uns in die erste Reihe und warteten das die Trauerfeier begann. Die Halle füllte sich, doch ich kannte keinen einzigen der Personen, die hereinkamen. Ich ignorierte die starrenden Blicke und konzentrierte mich einzig und allein auf Jenna und ihre Geschwister, die sichtlich mit den Tränen kämpften. Die Trauerfeier war zwar traurig, doch auch wunderschön. Jennas Tanten traten vor und erzählten mit Tränen in den Augen von ihrer Schwester und Anni bedankte sich bei ihrer Mutter und wünschte ihr eine schöne Zeit im Himmel. Auch irgendwelche Kollegen und Freunde nahmen Abschied und ihre Worte waren selbst für mich rührend. Als wir draußen am Grab standen klammerte sich Jenna an mich und weinte in meine Brust, Anni lag auch ihrem Freund in den Armen und Theo stand bei seinem Vater. Als der Sarg heruntergelassen wurde schluchzte Jenna laut und weinte. Als die Beerdigung beendet war nahmen die Gentzels die Beileidswünsche entgegen und dann fuhren wir in ein Restaurant, wo wir nochmal gebührend auf Helena anstießen. Die anderen Gäste unterhielten sich, doch unser Tisch blieb leise. Immerwieder kamen Freunde und Bekannte vorbei um Jenna und ihre Geschwister und vorallem Michael zu trösten, doch sehr viel brachte es nicht. Gegen 20 Uhr war der Leichenschmaus beendet und wir fuhren nach Hause. Ähnlich wie an den vergangenen Tagen verzog sich jeder wieder in sein Zimmer und es war wieder leise. Am Tag nach der Beerdigung weckte mich Jenna auf einmal auf und bat ich wieder mit ihr nach München zu fahren. "Es macht mich fertig hier, es erinnert mich alles an sie und die traurigen Gesichter machen mich nurnoch fertiger", seufzte sie und packte sich dann eine Reisetasche zusammen. Ich war ziemlich überrascht, doch folgte ihren Anweisungen. Nach zehn Minuten standen wir im Wohnzimmer und verabschiedeten uns von den anderen. Theo sah mich traurig an: "Passt gut auf euch auf, ich brauch euch noch in meiner Familie", meinte er und umarmte mich. "Mach ich und schau mal bei nem Spiel vorbei", antwortete ich und verabschiedete mich noch von den Anderen. Dann verließen wir das Haus und stiegen in meinen Wagen. "Endlich raus aus der Trauerstimmung", nuschelte Jenna und schaltete den Radio an. Das Wetter war warm und die Sonne schien, eigentlich hätte es ein wunderschöner Donnerstag sein können. Auf der Höhe von Nürnberg nahm Jenna auf einmal meine Hand und drehte sich zu mir. "Ich versteh immernoch nicht wieso du lieber bei meiner Familie geblieben bist als wieder zurück zum Training zu fahren", meinte sie. Ich zuckte mit den Achseln: "Denen gehts doch gut in München und euch gehts beschissen, zu wem wärst du gegangen?" Für mich klang es wie eine rhetorische Frage, doch sie verstand es nicht. "Ich liebe dich überalles, da macht man sowas", fügte ich hinzu. Sie lächelte und küsste mich auf die Hand. Nach zwei Stunden waren wir dann auch in München wieder angekommen und fuhren in ihre Wohnung, wo sie ihre Sachen in ihren großen Koffer zusammenpackte und dann in mein Auto hievte, ein Glück waren ihre Mitbewohner nicht Zuhause und sie konnte unbemerkt wieder abhauen. In meiner Wohnung räumte ich ihr einen Schrank frei und hängte ihre Kleider hinein, Jenna kochte uns solange etwas. "Jenna.. wollen wir heute Mittag mal beim Training vorbeischauen? Ich mein weil du brauchst ja auch Ablenkung und ich muss mich da mal wieder sehen lassen, sonst drehen die Zeitungen noch komplett durch", fragte ich. "Ja klar", nickte Jenna, während sie sich eine Nudel aus dem Topf angelte. Dann beschloss ich das erste Mal seitdem ich mein letztes Bild von Jenna und mir hochgeladen hatte wieder ins Internet zu schauen. Auf Facebook überschlugen sich die Gerüchte nur so förmlich. Meine neue Freundin würde mich vom Training abhalten, ich hätte einen Spontanurlaub gebucht, meine neue Freundin hätte mir verboten Fußball zu spielen und noch viele andere Gerüchte machten die Runde. Spontan beschloss ich die Sache aufzuklären. Die Gerüchte um mich sind alle falsch und ich werde bald wieder mein Training beginnen. Der wahre Grund ist privat und für die Öffentlichkeit nicht passend. Machts gut, euer MG. Das musste vorerst reichen. Jenna stellte das Essen auf den Tisch, einen rießigen Topf mit Nudeln und Bolognesesoße. "Schatz wer soll das denn alles essen?", fragte ich sie und riss die Augen auf. "Ich hab eben Hunger", meinte sie entschuldigend und hievte mir eine große Portion auf den Teller. Ohne etwas zu sagen begann sie den großen Berg, den sie sich danach genommen hatte in sich hinein zu fressen. Warscheinlich wollte sie die Trauer mit Essen verarbeiten und bei ihrer abgemagerten Figur, die sie in den letzten Tagen bekommen hatte, hatte ich auch gar nichts dagegen. Sie sah blass aus, doch hatte schon seit der Beerdigung nicht mehr geweint. Als sie tatsächlich die ganzen Nudeln geschafft hatte fuhren wir zur Säbener Straße, wo natürlich außgerechnet heute wieder ein öffentliches Training stattfand. Wir fuhren zwischen den Fans hindurch, die schnell ihre Kameras zückten, weil sie ja endlich mein Auto, das sie so lange vermisst hatten, wieder zu Gesicht bekamen. Im Parkhaus angekommen half ich Jenna aus dem Wagen und wir liefen hoch ins Gebäude, wo sie meine Hand nahm. "Ich such dann mal Hans", meinte Jenna, "mein Gips muss langsam mal gewechselt werden", dann traten wir aus dem Gebäude und die Fans kreischten. Meine Kollegen schauten sich verwirrt um, weil sie ziemlich überrascht von den Schreien der Fans waren. Als sie mich sahen winkten sie mir zu und zogen dann ihr Training weiter durch, nur die Blicke der Fans waren nurnoch auf Jenna und mich gerichtet und die Kameras knipsten. "Schon wieder da?", fragte auf einmal Hans von der Seite und schüttelte Mario die Hand. "Ja, ich fang morgen wieder an", meinte Mario, "kannst du dir Jennas Arm wieder anschauen, weil ich glaube sie braucht einen neuen Gips". Hans nickte und brachte sie in sein Zimmer. Ich blieb solange draußen und schaute den Jungs beim Trainieren zu. Am Ende kamen sie mir entgegen gejoggt und klatschten bei mir ein. "Servus", begrüßte ich sie. "Was warn da neulich los? Hat sich deine Freundin wieder beruhigt?", fragte Manuel und trank aus seiner Flasche. Diese Frage wollten wohl alle anderen auch stellen, denn sie sahen mich alle sehr erwartungsvoll an. "Ja sie hat sich beruhigt aber es ist was schreckliches passiert und das muss sie eben erstmal verarbeiten", meinte ich nur, weil ich nicht wusste, ob ich von Jenna aus die ganze Version erzählen durfte. Meine Mannschaftskollegen nickten verständnisvoll und meinten ich solle mit zu den Fans kommen, weil sie die ganze Zeit meinen Namen schrien. Natürlich konnte ich nicht hier stehenbleiben und den anderen beim Autogrammeschreiben zuschauen, deswegen folgte ich ihnen. Als wir bei den Fans ankamen schrien sie lauthals meinen Namen. Ich zog meine Sonnenbrille nicht aus, weil ich genau wusste wie müde meine Augen aussahen. Wortlos schrieb ich Autogramme und lächelte gequält für die Selfies der Fans. Viele wollten wissen wo ich die ganze Zeit gewesen war, doch ich konnte es ihnen einfach nicht erzählen. Ich war auch ziemlich froh als ich endlich fertig war und nach Jenna schauen konnte. Ich wollte sie in dieser schweren Zeit auf keinen Fall alleine lassen also lief ich Richtung Vereinsgebäude, wo wir uns direkt in die Arme liefen. Gleich schaute ich auf ihren Arm, wo sich jetzt ein frischer Gips befand. "Ist alles okay?", fragte ich sie gleich und Jenna nickte. Ich nahm sie an der Hand und ging noch schnell zu Pep. "Pep können wir kurz reden?", fragte ich ihn und er führte mich gleich auf das Spielfeld, wo uns keiner hören konnte. Zwar lagen wir genau im Blickfeld der hunderten Fans, doch das spielte erstmal keine Rolle. "Was machst du denn schon hier, ich hab gedacht du brauchtest so unbedingt Urlaub", motzte er mich an. "Ja es ist alles ein bisschen anders gelaufen. Ich würde morgen wieder mit dem Training anfangen wenns okay ist", erzählte ich, doch sein Blick war immernoch böse. "Denkst du eigentlich du kannst hier alles selbst entscheiden?! Ich bin dein Trainer. Sei froh das ich dich nicht gefeuert hab als du neulich einfach weggegangen bist", rief er. "Ich hatte einen Grund der mir einfach in dem Moment wichtiger war als die Mannschaft", meinte ich ruhig. Jetzt hob Pep drohend den Finger. "Du bist Fußballer, du bekommst Millionen dafür! Da wirst du dich ja wohl mal zusammenreißen können!", schrie er und lief rot an. Ich verstand gar nicht wieso er so überreagierte. Jetzt schaltete sich Jenna ein, deren Hand ich immernoch fest hielt. "Es ist meine Schuld", sagte sie leise. Jetzt fuhr Peps böser Blick zu ihr. "Misch dich nicht ein", zischte er. "Man Pep es ist war schreckliches passiert, da konnte ich nicht anders", rief ich fasste mir an die Stirn. "Jetzt komm mir nicht auf die Tou.." -"Meine Mutter ist am Freitag nach dem Spiel gestorben und Mario hat mich nach Hause gebracht und sich die Tage um mich gekümmert", brüllte Jenna auf einmal, deren Augen sich mit Tränen füllten. Pep war für einen Moment sprachlos. "Das wusste ich nicht.. das.. tut mir leid", stotterte er und sah mich betroffen an. "Mario ich hab gedacht du.." -"Macht nichts, du konntest es ja nicht wissen", unterbrach ich ihn und nahm Jenna in den Arm, die laut schluchzte. "Hey, Jenna es tut mir Leid. Wenn ich das gewusst hätte", sagte Pep jetzt viel ruhiger und legte seine Hand auf ihre Schulter. Natürlich war der wütende Pep, die weinende Jenna und die komische Dreierumarmung ein goldenes Motiv für die Fotographen, doch mir war es egal. "Sie können ja nichts dafür", meinte Jenna leise und befreite sich aus meiner Umarmung. "Jedenfalls würde ich gerne morgen wieder anfangen", fuhr ich mit dem Thema fort, "und ich hoffe es macht nichts wenn ich Jenna mitnehm". Pep schüttelte den Kopf: "Unter diesen Umständen natürlich und nochmal Entschuldigung wegen gerade, aber ich muss los, Pressekonferenz", meinte er eilig und joggte dann davon. Schnell zog ich auch Jenna runter vom Platz und fuhr mit ihr nach Hause. Als wir dort angekommen waren hatte sie sich wieder einigermaßen beruhigt und setzte sich mit einer Tüte Chips und Nutella auf die Couch. Ich verstand wirklich nicht wie man Trauer so verarbeiten konnte und als sie dann die Chips in die Nutella tunkte verstand ich die Welt nicht mehr. "Schatz du musst nicht aus Trauer alles in dich reinstopfen. Wir können auch einfach reden wenn du willst", versuchte ich sie von ihrem Fresstrip abzubringen, doch sie schüttelte nur den Kopf: "Ich fress gar nichts in mich rein, sondern hab einfach Hunger drauf". Ich hob nur die Augenbrauen, schüttelte den Kopf und setzte mich neben sie. Ich musste auf sie aufpassen, dass sie sich nichts antat, dass sie nie alleine mit ihrer Trauer war und musste sie irgendwie ablenken, denn ich wusste, dass ihr die größte Trauerphase noch bevorstehen würde...

Hallo Leute, wie findet ihr die plötzliche Wende? Danke für eure Reads & machts gut:)

Love never runs out (Mario Götze FF - ON HOLD)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt