Kapitel 117

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Als ich im Flieger nach Dortmund saß versuchte ich wieder meinen Kopf frei zu bekommen. Ich wollte einfach alles verdrängen. Jennas Ohrfeige und Philipps Ignoranz schienen sich wie ein Kopfkino abzuwechseln. "Mario willst du was trinken?!", brüllte mich Rummenigge an, weil ich anscheinend nicht reagiert hatte. "Nein danke", schreckte ich zurück und setzte meine Kopfhörer auf. Nach wenigen Minuten landeten wir auch schon wieder und ich wurde direkt in ein Taxi zum Doktor geschleppt, der meinen Fuß durchchecken sollte. "Der Bruch ist nicht allzu schlimm", meinte er und erklärte mir danach ganz genau seine Behandlungsmethoden. "Danke Doc", nickte ich und lief wieder zu meinem Taxi. Am Eingang hatte sich schon eine riesige Schlange mit Reportern gebildet, die mich unbedingt aus der Praxis humpeln sehen wollten. Meinen neuen Manager Timo lernte ich dann im Auto kennen. "Du bist eine harte Nuss, aber wir werden das schon irgendwie hinbekommen", nickte er, nachdem wir uns begrüßt hatten. "Was meinst du mit harte Nuss?", wollte ich wissen und stellte meine Krücken neben mich. "Naja wir müssen erstmal die ganze Gerüchteküche um dich rum aufklären", räumte er schnell ein, "du musst den Kopf frei bekommen". Damit sprach er mir direkt aus der Seele. "Das stimmt", entgegnete ich, "der ist im Moment nur gar nicht frei". "Der sollte aber frei sein", konterte er schnell. Zuviel "frei" in einem Satz. "Morgen hab ich eine Pressekonferenz einberufen", erklärte er und schaute aus dem Fenster, "heute kannst du dich noch ausruhen". "Danke", meinte ich aus Anstand und betrachtete meinen Gipsfuß. "Wann kommt deine Familie nach?", wollte er dann wissen. "Gar nicht", entgegnete ich, "im Moment läufts nicht". "Lass das mal nicht die Presse erfahren", antwortete Timo. Als ich ihn nur genervt anschaute nickte er nochmal: "Wirklich". "Ja ich pass schon auf, es weiß ja niemand was", versicherte ich ihm und schaute in das düstere Grau nach draußen. "Eigentlich ist das Wetter hier ganz schön", begann er. "Ich war hier schon ein paar mal", nickte ich und schaute vor zum Taxifahrer, "ach ja in die Innenstadt bitte". "Was willst du jetzt in der Innenstadt?", wollte er sofort wissen. "Ich muss mal meine Eltern besuchen und sie darüber informieren, dass ich wieder in der Stadt bin", antwortete ich und hatte seinen düsteren Blick wieder beseitigt. "Kommst du dann alleine in deine Wohnung?", wollte er wissen. "Ich glaube meine Mutter wird sich schon erbarmen mich hinzufahren", antwortete ich. "Sorry als dein Manager muss ich das abklären", entschuldigte sich Timo und tippte auf seinem Handy herum. Nach zehn Minuten hatte ich den Taxifahrer vor das Haus meiner Eltern gelotst und gab ihm ein Trinkgeld für das Schleppen meines Koffers. Nachdem ich geklingelt hatte dauerte es keine 10 Sekunden bis sich die Türen öffneten. "Da ist ja unser Verletzter", grinste meine Mutter mitleidig und gab mir einen Kuss auf die Backe, "schön, dass du zur Mama nach Hause kommst, wenn du gepflegt werden willst". "Ich muss euch was erzählen", begann ich gleich und humpelte ins Wohnzimmer, wo lautstark der Fernseher lief. "Ein Bisschen Klatsch und Tratsch hat noch keiner 50-jährigen geschadet", meinte sie und stellte die Lautstärke ab. Ich setzte mich aufs Sofa und legte meinen Kopf in den Nacken: "Ich spiel jetzt wieder in Dortmund", posaunte ich es heraus. "Was?! Und was ist mit München?", fragte sie. "Ich war ihnen zu oft verletzt, muss ich akzeptieren", entgegnete ich kurz. "Und was ist mi.." -"Warte mal kurz", unterbrach ich sie und starrte auf den Bildschirm des Fernsehers. "Ist das Jenna?!", fragte meine Mutter und griff sich so schnell es ging die Fernbedienung. Wie versteinert starrte ich auf den Bildschirm. Jenna war mit den Kindern in der Stadt. "Wahrscheinlich haben sie sie nur beim Shoppen getroffen oder so, mach dir mal keinen Stress", meinte meine Mutter und suchte tüftelnd den Lautstärkeregler. In mir machte sich Unbehagen breit. "Nein", antwortete ich. "..ge gab es Trennungsgerüchte über Mario Götze und seiner schönen Jenna", hallte die Fernsehstimme, "doch was Jenna heute mittag in der Münchner Innenstadt dazu sagte war mehr als nur ein Statement". "Wieso spricht die denn in der Stadt mit Reportern, ich rast aus", zischte ich und fuhr mir durch die Haare. Meine Mutter antwortete nicht. "Frau Götze, was sagen sie dazu, dass Mario das Trainingslager abgebrochen hat?", schrie der Reporter. Sie verdeckte Jonas Gesicht und schaute ihn nur düster: "Lassen sie mich doch einfach einmal in Frieden", antwortete sie, "es gibt auch andere Themen als Mario Götze". "Sind sie noch zusammen?", hakte der Reporter im Hinterherrennen nach. "Nein", antwortete Jenna kühl und lief mit Philipp an der Hand weiter. "Spinnst du", zischte ich vor mich her, "das kannst du nicht bringen". "Mario was ist los?", fragte meine Mutter entsetzt. "Das ist alles ganz anders", schrie ich und hielt mir die Hände vor den Kopf, "oh Gott sie macht gerade alles kaputt". Ich hatte mit Timo abgesprochen, dass niemand etwas über mein Privatleben erfahren würde. Gestresst suchte ich mein Handy und googelte meinen Namen. Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer. "Mario jetzt schau mich doch mal an", flüsterte meine Mutter, die Tränen in den Augen hatte, "deine Frau bekommt ein Baby, das geht nicht". "Das Baby ändert auch nichts an ihren Ausrastern", antwortete ich kurz und schaute wieder in den Bildschirm. "Was für Ausraster", wollte sie wissen. "Noch eine Ohrfeige fang ich mir nicht ein", antwortete ich. "Wieso hab ich davon nie was mitbekommen, verdammt Mario deine Kinder brauchen dich!", schrie sie mit rotem Gesicht. "Ich brauch sie auch, aber im Moment geht das einfach nicht", antwortete ich. "Das kann doch nicht sein", flüsterte sie und schaute auf den Boden. "Glaub mir das denke ich mir die letzten Wochen jeden Tag", entgegnete ich und stand auf, "mein Leben ist ein einziges Stück Scheiße im Moment". "Wie redest du denn!", schrie sie, "so wird in meinem Haus nicht gesprochen!". "Wenns aber so ist", antwortete ich leise. "Und was willst du jetzt machen?", fragte sie. "Gras drüber wachsen lassen und mich auf meinen Beruf konzentrieren", meinte ich, "wenn ich jetzt nicht die Notbremse zieh will mich bald keiner mehr und ich steh mit einer kaputten Familie und ohne Job da". "Du bist erwachsen", meinte sie dann und stand auf um sich einen Kaffee einzuschenken. Dann sagte niemand mehr was. "Wieso Jenna nicht mit in Dortmund ist muss ich ja nicht mehr fragen", seufzte meine Mutter. Auf einmal klingelte mein Handy. Ich kannte die Nummer nicht. "Ja?", nahm ich ab. "Mario?!", hörte ich Timos Stimme. Panisch setzte ich mich auf und legte mir schon jetzt meine Ausreden zurecht. "Ja was gibts", machte ich auf unschuldig. "Hast du schon mal ins Internet geschaut?!", schrie er, "haben wir nicht im Auto was ausgemacht?!" "Verdammt ich habs auch vor zwei Minuten selbst erst gesehen, meine Frau dreht gerade durch", versuchte ich mich rauszureden. "Was soll denn der Mist", rief er, "verdammt einen Tag da und du machst mir schon doppelt soviel Stress wie meine letzten zehn Spieler zusammen". Weil ich Timos Gejammere nicht weiter ertragen wollte legte ich auf und schnaufte einmal kurz durch. "Du kannst auch hier wohnen, wenn du willst", meinte meine Mutter, "dann bist du nicht ganz so alleine". "Ach das passt schon, keinen Stress", winkte ich ab, "ich bin ja keine fünfzehn mehr". "Aber du hast trotzdem einen gebrochenen Fuß und kommst nirgendwo hin", fügte sie hinzu, "und ein gebrochenes Herz, das dir wahrscheinlich nochmal ein viel größeres Hindernis ist". "Wie gesagt ich bin kein Teenager mehr", schüttelte ich den Kopf, "aber ich ruf dich an, wenn ich was brauch". Danach kochte sie mir einen Gemüseauflauf und leistete mir Gesellschaft. Auf Jenna sprach sie mich ein Glück nicht weiter an. Gegen 21 Uhr klingelte es an der Tür. Weil mein Vater auf Geschäftsreise war konnte es niemand aus der Familie sein. "Marco ist da!", rief meine Mutter, als sie wieder zurückkam, Marco im Schlepptau. "Servus Teamkollege", grinste er missmutig und hielt mir die Hand hin. Widerwillig schlug ich ein. "Wie geht's dir?", wollte er wissen und deutete auf meinen Fuß. "Passt schon, tut halt weh", meinte ich nur kurz. Ich hatte keine Lust auf noch ein Vertrauensgespräch. "Was macht der Nachwuchs und Anni?", wollte ich wissen. "Dem Nachwuchs gut, Anni geht es wirklich nicht gut", antwortete er kurz, "sie schafft es fast nicht auf Louis aufzupassen". "Wieso das?", fragte ich gelangweilt. Eigentlich wollte ich gar nichts wissen. "Ach die Nachwirkungen von diesem Schädel-Hirn-Trauma sind einfach scheiße", antwortete er, "sie kann sich nicht mehr konzentrieren, vergisst alles, heult die ganze Zeit und hat sich nicht mehr unter Kontrolle". "Dann hat sie ja mit ihrer Schwester einiges gemeinsam", entgegnete ich und versuchte Blickkontakt zu vermeiden. "Jenna kümmert sich gerade um eure zwei Kinder, Anni und Louis, sag sowas nicht", schüttelte Marco den Kopf, "sie ist wirkl.." -"Hör auf von ihr zu reden, wir sind kein Paar mehr, sie kann noch so toll sein, verstehs doch endlich!", brüllte ich ihn an. "Ich versteh euch nicht", schüttelte er den Kopf. "Jenna will immer jedem helfen und checkt nicht, dass sie dadurch ihre Nähsten vergisst", versuchte ich zu erklären. "Das ist Blödsinn", schüttelte Marco den Kopf. "Ist doch auch egal, ich konzentrier mich jetzt auf den Fußball", meinte ich und streckte mein Bein aus.

Am nächsten Morgen wachte ich auf der Couch meiner Eltern auf. Ich musste irgendwann eingeschlafen sein. Meine Mutter hatte mich zugedeckt. "Dein Handy klingelt schon die ganze Zeit", erzählte sie und hielt mir mein iPhone hin. "Wer soll mich den wichtiges anrufen", seufzte ich, als ich nur Timos Nummer sehen konnte. Genervt rief ich ihn an, nur um zu erfahren, dass mein Pressetermin um eine halbe Stunde nach vorne verlegt wurde. "Ich will meinen alten Manager wieder zurück", jammerte ich, als ich aufgelegt hatte. "Das Leben besteht auch aus schweren Zeiten", antwortete meine Mutter und hielt mir eine Tasse Kaffee hin, "das wollte ich dir die ganze Zeit schon sagen". "Danke, bist die Beste", grinste ich und nahm einen Schluck. Gegen halb drei Mittags fuhr mich meine Mutter zum BvB-Trainingsgelände, wo mich schon die Fotografen erwarteten. Die Fragen auf der Pressekonferenz drehten sich vor allem um meine Verletzung, mein neues altes Zuhause und meine neuen Ziele. "Souverän gelöst Götze", nickte mir Timo zu, als ich erlöst war. Danach ging ich in den Kraftraum um den Rest meines Körpers trotzdem zu trainieren, doch dachte die ganze Zeit nur an den Fernsehbeitrag gestern. "Jetzt pass doch mal auf", zischte mein Fitnesscoach, "träumen kannst du auch Zuhause". "Sorry", entgegnete ich. Mein Kopf schmerzte immer noch, wie die letzten Tage auch schon. Tatsächlich war das Zuhause meiner Eltern mein Aufenthaltsort in Dortmund geworden. Auch in den nächsten Tagen fuhr mich meine Mutter jeden Tag zum Training und lenkte mich ab. "Ich bin immer da, wenn du was brauchst", verabschiedete sie sich eines Morgens. In diesem Moment taten diese Worte verdammt gut. Außer meinen Eltern und meinen Brüdern meldete sich auch in den nächsten Wochen niemand. Marco gab mir ab und zu beim Training ein kleines Anni-Update, doch sonst herrschte Funkstille. Nach drei Wochen durfte ich wieder das normale Laufen beginnen. "Ich würde das ganze sehr gerne mit ihrem Arzt in München absegnen und dann dürfen sie auch wieder das trainieren beginnen", erklärte mein Chefarzt. Deshalb flog ich einen Monat, nachdem ich nach Dortmund gekommen war wieder nach München zurück um mich noch einmal genau durchchecken zu lassen. Es fühlte sich komisch an wieder in der alten Heimat zu sein. "Der Fuß ist wieder völlig der Alte", nickte mein Chefarzt ab, nachdem er ihn von oben, unten und wahrscheinlich auch von innen gründlichst untersucht hatte. "Warten sie mal draußen, ich druck ihnen eine Bestätigung aus", erklärte er und verwies mich raus zur Rezeption. Als ich eine Weile auf meinem Handy herumgedrückt hatte kam er endlich mit dem Zettel wieder und verabschiedete sich von mir. Meine Dankesrede wurde von einer bekannten Stimme unterbrochen. "Vielen Dank für ihre Betreuung Schwester Theresa", hörte ich Jenna sagen. Wie versteinert drehte ich meinen Kopf ein wenig nach links. Da ich hinter einer Pflanze stand konnte sie mich jedoch nicht sehen. Sie hatte einen Maxicosi unter dem Arm klemmen. Das konnte nicht sein. Abrupt hörte ich auf zu reden und starrte sie an. Jennas Bauch war flach und neben ihr stand ihr Bruder. Der Anblick riss mein Herz entzwei. Ich musste das Kind sehen.

Updatetime! Liebe Grüße & kommentiert alle ganz fleißig! So, jetzt ruft wieder meine Seminararbeit;(

Love never runs out (Mario Götze FF - ON HOLD)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt