Kapitel 40

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Am Samstagmorgen war es draußen so heiß, dass ich mir zum ersten Mal in diesem Jahr eine kurze Hotpant anzog. Solange hatte ich auf diesen Tag gewartet. Um zehn Uhr verließ ich, nach einem etwas spärlichen Frühstück, das Haus und fuhr mit dem Auto zum Krankenhaus. Hinten hatte ich die Maxi Cosi verstaut und musste mich tierisch beeilen, weil mein Termin mit dem Arzt in einer halben Stunde anstand. Im Auto war es fürchterlich heiß und die Autofahrt zog sich ewig lang hin, weil ausgerechnet heute mitten in der Stadt eine Baustelle war. Ungeduldig hämmerte ich mit den Fingern auf das Lenkrad ein, in der Hoffnung, dass es irgendetwas verändern würde. Mit fünfzehn Minuten Verspätung schaffte ich es endlich auf die Station im Großhadener Klinikum. "Frau Gentzel wir dachten schon sie wollen die Beiden gar nicht abholen!", lachte Dr. Neumann, als er mich sah und schüttelte mir die Hand. "Entschuldigung, aber draußen war soviel Stau", meinte ich gestresst. Mit einem Winker lotste er mich in sein Büro, wo ich mich gegenüber von ihm setzen sollte. Dort wies er mich nochmal auf alles hin, auf nähere Termine und wie ich mit den Kindern umzugehen hatte, doch die meisten Sachen wurden mir sowieso schon tausendmal im Vorbereitungskurs erzählt. "Gut! Wenn sie dann alles verstanden haben und keine Fragen mehr haben können sie jetzt hoch gehen und Philipp und Lia mitnehmen", grinste er und gab mir wieder die Hand. Schnell lief ich dann durch den langen weißen Gang zum Aufzug, wo ich fast in einen Arzt hineinlief. Er warf mir einen bösen Blick zu und huschte dann schnell weiter. Oben angekommen stand schon meine altbekannte Freundin die Krankenschwester mit Philipp auf dem Arm im Zimmer. "Heute ist der große Taag", flüsterte sie mir lächelnd zu und reichte mir das Kind. "Dankeschön für die Betreuung", grinste ich gespielt und zückte eine Schachtel Edelpralinen aus meiner Tasche. Mit einem strahlenden Lächeln bedankte sich die Krankenschwester, die sich als Frau Förner herausstellte und machte dann auch Lia fertig. "Der Doktor hat ihnen bestimmt schon alles erklärt", murmelte sie mir zu, während sie mir auch noch den zweiten Zwilling auf den anderen Arm legte. "Ja hat er, dankeschön, machen sie es gut", verabschiedete ich mich, weil ich merkte, dass ich so schnell wie möglich zum Auto kommen wusste, weil der Balast auf meinem Arm mit der Zeit echt schwer wurde. Ein Glück ließen die Kleinen bis zum Auto ihren Schnabel und ich konnte sie sanft in ihre Kindersitze legen und schnallte sie fest. Vorsichtig fuhr ich dann nach Hause, wo ich sie kurz füttern und mich fertig machen wollte. In meiner Wohnung angekommen legte ich sie auf die Couch und machte ihnen eine Milch warm. In diesem Moment klingelte unser Telefon. "Gentzel?", meldete ich mich. "Jenna!", hörte ich Marcos Stimme, "kommst du zum Flughafen?" "Hatte ich vor, wieso fragst du?", entgegnete ich. "Mario denkt, dass du nicht kommst, weil du noch viel zu erschöpft bist", erklärte er. "Quatsch", lachte ich, "ich komm ihn natürlich abholen, das kannst du ihm gerne sagen". "Nein! Es soll eine Überraschung werden", wendete er ein und lief umher, das konnte ich hören. "Oh Gott bist du süß", kicherte ich. "Dein Freund freut sich übrigens schon riesig seine Kinder heute Abend im Krankenhaus zu besuchen", fügte Marco noch hinzu. "Das glaub ich dir", meinte ich und ließ aus, dass sie ja schon längst Zuhause waren, weil es dann für alle noch eine Überraschung sein würde. "Wann seid ihr denn in München?", wollte ich wissen und lief wieder zum Kochtopf um die Temperatur der Milch zu testen. "Wir fliegen gleich los, also sollten wir in einer Stunde dasein", antwortete er lässig. "In einer Stunde?!", rief ich und wurde aufeinmal hektisch. "In einer Stunde", wiederholte Marco nochmal. "Okay, dann machs gut!", würgte ich ihn ab und legte auf. Schnell gab ich Lia und Philipp die Flasche und hoffte, dass sie nicht sofort wieder einschlafen würden, was ein Glück nicht passierte. Dann legte ich sie in den Kinderwagen und warf mich in schönere Kleidung: ein luftiges Sommerkleid und Schuhen mit Keilabsatz. Voll im Stress verließ ich mit den Kindern wieder meine Wohnung und brauste mit dem Audi zum Flughafen. Meine Aufregung konnte größer nicht sein. Ich freute mich so sehr Mario wiederzusehen. Sein Gesicht. Ihn wieder in meiner Nähe zu spühren. Als ich in die große Eingangshalle kam warteten dort schon sehr viele Fotografen, deswegen schlich ich mich unbemerkt an ihnen vorbei und setzte mich mit dem Kinderwagen in ein Café. Die Landung des Flugzeugs war schon auf der Anzeigetafel angeschrieben, deswegen konnte es nicht mehr lange dauern. "Jenna? Bist dus?", rief auf jemand hinter mir, was mich herumfahren ließ. "Sarah!", rief ich, als ich das Gesicht von Bastis Freundin erblickte. "Herzlichen Glückwunsch Süße! Basti hat mir gestern schon Bescheid gesagt", rief sie und fiel mir um den Hals. "Dankeschön", freute ich mich, ehe sie einen Blick in den Kinderwagen warf. "Zucker", flüsterte sie und streichelte Lia an ihren Bäckchen, worauf sie ihre kleinen Äuglein öffnete und Sarah anstarrte. "Mario wird so stolz sein", grinste sie und legte nochmal den Arm um mich. Aus dem großen Fenster des Cafés konnten wir ein riesiges Flugzeug, das mit einer deutschen Fahne versehen war ausrollen sehen. "Ich glaube sie sind da", lächelte Sarah und zeigte auf das große Flugzeug. Von meinem Sitzplatz hatte man super das Flugzeug im Blick, das gerade seine Türen öffnete. Einige Männer mit schwarzen Anzügen, die in diesem Moment leider nur aussahen wie kleine Stecknadelköpfe stiegen aus. "Wollen wir raus gehen?", fragte Sarah und zeigte nach draußen zur Eingangshalle, wo ich jetzt auch einige andere Freundinnen sehen konnte. Verlegen nickte ich und Sarah schnappte sich den Kinderwagen und fuhr mit ihm nach draußen. Langsam nahm auch die Presse von uns Notiz und einige machten Fotos von uns beiden. Das wird wieder eine lustige Schlagzeile, liebe BILD, dachte ich mir und stellte mich dann zu Caty Fischer und noch ein paar anderen Frauen, die ich nicht kannte. Ein Glück waren die Fotographen nicht für uns, sondern für die Nationalmannschaft da, die in diesem Moment das Terminal betraten. "Jetzt kann es nicht mehr lange dauern", wisperte Sarah, "sie müssen nurnoch ihre Koffer holen". Etwas aufgeregt tappte ich vom einen Fuß auf den anderen und schaute ständig auf die rießige Anzeigetafel vor unseren Augen. Nach zwei Minuten weiteren Wartens wurde es bei den Fotographen lauter, denn irgendjemand wichtiges schien im Anmarsch zu sein. Und tatsächlich: Von ganz hinten konnte ich Olivers Umrisse erkennen. "Bierhoff! Bierhoff!", brüllten die Fotographen und wollten unbedingt ein Interview mit ihm haben. Zügig lief er zu den Kameras und sprach mit einem ARD- Reporter. "Er schaut erstaunlich fit aus", meinte Sarah und hielt weiter nach Basti Ausschau. Mit der Zeit kamen immer mehr Physiotherapeuten und Betreuer den langen Gang entlang gelaufen und nach zehn Minuten erschien endlich Jogi, der wieder lauthals von den Fotographen aufgehalten wurde. Er warf uns kurz einen grinsenden Blick zu und stellte sich dann auch ihren Fragen. Dann erkannte ich endlich die Umrisse von den schwarzen Anzügen und mein Herz schlug schneller. Voran liefen Philipp und Basti, der Sarah schon von weitem erkannt hatte und breit grinste. Claudia war anscheinend nicht gekommen um Philipp abzuholen, deswegen lief er auch schnurstracks zu den Kameras. Sarah fiel Basti um den Arm und ich stand etwas abseits daneben. Es kamen immer mehr Spieler angelaufen, doch Mario konnte ich nicht sehen. Dann war auf einmal die Schlange zu Ende und ich suchte verzweifelt nach meinem Freund, doch konnte ihn nicht finden. Schon etwas panisch stellte ich mir vor, dass Mario durch irgendeinen Hintereingang direkt nach Hause fahren würde und auf einmal erschien mir meine Aktion richtig peinlich und sinnlos. "Wo ist denn Mario?", wunderte sich Sarah, die mit Basti an der Hand wieder zu mir kam. Fragend zog ich die Schultern hoch: "Warscheinlich ist er schon nach Hause gefahren", säufzte ich. "Das kann nicht sein, er hat vorhin zu mir gesagt, dass wir ihn mitnehmen müssen", schaltete sich Basti dazwischen. "Und wo blei" -"MARIO!", wurde ich auf einmal von einem Reporter unterbrochen. "Mario! Mario Götze!!", stimmten die anderen Reporter auf einmal noch mit ein und tatsächlich kamen jetzt auch Mario und Marco nebeneinander den Gang entlang. Bei seinem Anblick sprang mein Herz und ich bekam gar nicht mit, wie sich Basti über den Kinderwagen beugte und irgendwas zu mir sagte, denn ich war so auf meinen Freund fixiert. Doch er hatte mich immernoch nicht gesehen, weil ich hinter einigen Fotographen verborgen war. Grinsend murmelte er Marco irgendetwas zu, worauf der ihn lachend in die Seite boxte. "MARIO!", brüllte wieder der Fotograph und diesmal nahm ihn mein Freund auch wahr. Er lief auf ihn zu und konzentrierte sich nur auf ihn. Sollte ich mich irgendwie bemerkbar machen? Winken? Rufen? Die beiden standen so nah vor mir, dass ich genau das Gespräch mithören konnte. "Mario, wie schätzen sie die Deutsche Nationalmannschaft nach dem Trainingslager in Südtirol ein und wie lautet ihr Statement zu den negativen Schlagzeilen?", fragte er und richtete das Mikrofon genau in sein Gesicht. Mario konzentrierte sich nur auf den Reporter: "Ich glaube wir sind..", er redete irgendetwas, doch allein der Klang seiner Stimme erfüllte mich wieder mit Wärme. Sein Blick wendete er nicht vom Gesicht des Reporters ab. "Sind sie bereit für Rio? Haben sie gute Spielchancen?", wollte der Reporter wissen und Mario grinste: "Ja", dann überlegte er und sah kurz an ihm und mir vorbei zum Eingang. Ignorierte er mich? "Meine Chancen stehen gut", begann er und wollte seinen Blick wieder dem Reporter widmen, doch als er mich erblickte verstummte er augenblicklich und hielt sich die Hände vor seinen Mund. Sofort brach er das Interview ab und lief auf mich zu. "Baby", flüsterte er und schloss mich in seine Arme ein. Mir schossen die Tränen in die Augen, als ich endlich wieder seinen Geruch vernahm. Die Kameras um uns herum klickten, doch in diesem Moment war mir alles egal. "Ich liebe dich so sehr", schniefte ich und gab ihm einen langen Kuss. "Ich dich auch, du bist das Beste", flüsterte Mario. "Schau mal wen ich dabei hab", flüsterte ich in die Umarmung und führte ihn zum Kinderwagen, der ein paar Meter weiter weg bei Sarah und Basti stand. "Nein", flüsterte Mario und drückte meine Hand. "Sind sie hier?", fragte er mich. "Ja sie sind hier", meinte ich und zog ihn herum, sodass er das erste Mal seine Kinder sehen konnte. Immernoch seine Hand haltend wartete ich auf Marios Reaktion. "Oh Gott", flüsterte er und ging neben dem Kinderwagen in die Hocke. Er vergrub seine Augen in seiner einen Hand und begann schwer zu atmen. Ein Glück hatte Marco es gerade geschafft die Aufmerksamkeit der Presse auf sich zu ziehen, sodass nur wenige Marios Gefühltchaos mitbekamen. Er begann zu schluchzen und stand dann wieder auf und umarmte mich nochmal: "Danke, dass du mir soetwas schenkst", flüsterte er und drückte mich ganz fest. Ich konnte in diesem Moment einfach nicht antworten. "Komm lass uns verschwinden", flüsterte er dann nach ein paar Augenblicken und wir entfernten uns voneinander. Kurz wischte er sich ein paar Tränen weg und verabschiedete sich noch bei Basti und Marco mit Handschlag, die wieder mit Lia und Philipp beschäftigt waren. "So und jetzt lasst mal den Papa ans Werk", grinste Mario und drängte Marco und Basti zur Seite, "wenn ihr auch Sowas haben wollt müsst ihr euch ins Zeug legen", scherzte er und schob den Kinderwagen vor sich her. Relativ unbemerkt verließen wir den Flughafen und liefen zur Tiefgarage, wo wir das erste Mal alleine waren. Mario schob vorsichtig und bedächtig den Wagen vor sich her und ließ dabei nicht den grinsenden Blick in seinem Gesicht verschwinden. Vor seinem Auto stehengeblieben hievten wir erst seine Reisetasche in den Kofferraum und dann nahm ich Lia aus dem Kinderwagen und legte sie Mario in die Arme. "Meine Prinzessin", flüsterte er und lief ein paar Meter um sich auf eine Stufe zu setzen. Über das Baby gebeugt wischte er sich wieder eine Träne aus dem Gesicht und streichelte ihre Bäckchen. In dem Moment kam ich auch mit Philipp an und setzte mich neben ihm. "Jenna ich liebe dich so sehr", flüsterte er und es musste schon ein ziemlich süßes Bild gewesen sein: Mario und ich, nach zwei Wochen endlich wieder vereint und er das erste Mal mit seiner Tochter auf dem Arm. "Vielleicht doch ein Bisschen unromantisch im Parkhaus oder?", lachte ich und schaute mich um. "Lass uns nach Hause fahren", beschloss Mario und stand wieder auf und legte Lia vorsichtig in dem Kindersitz auf die Rückbank. Dann setzte er sich ans Steuer und wartete auf mich, bis ich auch mit Philipp soweit war. Schnell setzte ich mich auf den Beifahrersitz und Mario ergriff sofort meine linke Hand und fuhr los. "Muss ich jetzt langsamer fahren?", fragte er und warf einen prüfenden Blick auf die Rückbank. "Einen Unfall bauen solltest du früher auch schon nicht", lachte ich und drehte leise die Musik auf. Wir fuhren aus dem Parkhaus hinaus und sahen sofort wieder Fotographen davor stehen. Mario warf ihnen nur kurz einen Winker zu und rauschte ab. Zuhause angekommen schnappte ich mir die Reisetasche meines Freundes und den Kinderwagen ließ ich im Kofferraum. "Schaffst dus?", fragte ich Mario, der gerade dabei war die Kinder aus dem Auto zu holen. "Na klar ich bin doch Superman", lachte er. "Ich geh schon mal rein okay?", rief ich ihm zu und schloss schon mal die Haustür auf. "Weißt du wie sehr ich diesen Geruch vermisst hab?", fragte mein Freund, als er wenige Augenblicke hinter mir erschien und seine Schuhe abstriff. "Nicht nur du", entgegnete ich und trug die Reisetasche ins Badezimmer. Mario hatte sich währenddessen mit Lia und Philipp aufs Sofa gesetzt und betrachtete sie still, während sie auf seinen Oberschenkeln lagen. Ich blieb noch ein Bisschen in sicherer Entfernung stehen und betrachtete das Schauspiel. Mario fuhr über die Wangen, worauf das eine Kind zu quäken begann. "Hey, das ist jetzt schon unfair", beschwerte er sich und drehte sich zu mir um. "Psscht", flüsterte ich und lief zur Couch, "Mama ist ja da". Ich nahm Philipp auf den Arm und wog ihn hin und her. "Wir haben ein Problem", meinte Mario verbissen. "Weil das Kind schreit?", lachte ich. Er schüttelte den Kopf: "Nein mein Sohn hasst mich". "Ach ein Gelaber", entgegnete ich und schaffte es Philipp wieder zum Einschlafen zu bringen. Sanft gab ich ihn wieder an meinen Freund ab und setzte mich neben ihn auf die Couch. "Ich wusste, dass wir zwei perfekte Kinder bekommen", nickte Mario und legte sich dann, wie wir es früher immer gemacht hatten, mit seinen Kopf auf meine Oberschenkel. Anstatt ihm zu antworten beugte ich mich zu ihm nach unten und gab ihm einen langen Kuss. Als ich wieder nach oben ging säufzte ich: "Ich will gar nicht an nächste Woche denken". "Brasilien?", entgegnete Mario kurz. Ich nickte geknickt und strich ihm ein Haar aus dem Gesicht. "Na ihr kommt doch mit!", meinte Mario gelassen. "Spinnst du? Ich kann doch keine Kinder, die eine Woche alt sind mit in ein Flugzeug nehmen", rief ich. Mario schaute mir in die Augen: "Wenn man will geht alles. Jenna ich brauch euch". Ich schüttelte den Kopf: "Mario du träumst, ich kann nicht mitkommen". Fast schon flehend schaute Mario zu mir hoch: "Ich halte es solange wirklich nicht aus, ich kann dich doch nicht solange alleine lassen!" "Du wirst es, genauso wie ich, aushalten müssen. Du musst alleine in Brasilien kämpfen".

Meinungen? Unglaublich, schon fast 23K! Dankeschön:)

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Love never runs out (Mario Götze FF - ON HOLD)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt