Verzweifelt lief ich am Frühstücksraum vorbei, ignorierte die anderen Spieler und lief in mein Zimmer. Mein Kopf brummte, mein Herz schmerzte, mein Magen rebellierte und mein Fuß schien abzufallen. Bald würden es die Medien wissen und dann wusste es auch meine Familie. Und Jenna. Ich hatte keine Ahnung was ich machen sollte, ob überhaupt eine Mannschaft noch Interesse an mir hatte. Meinen Koffer hatte ich gar nicht erst ausgepackt. Im Badezimmer putzte ich mir meine Zähne und packte mein Waschzeug zusammen. Als ich im Spiegel meine dunklen Augenringe sah, schnaufte ich und starrte mich an. Erschöpft schleppte ich mich zu meinem Bett und holte mein Handy heraus. Ich musste die einzige Person anrufen, die mir jetzt helfen würde: Fabian. "Mario was gibts?", meldete er sich, "was machst du denn für Sachen mit deinem Fuß?" "Servus", flüsterte ich und fuhr mir über das Gesicht. "Ey ist alles okay bei dir?", hakte er gleich nach. "Nein, ganz und gar nicht", antwortete ich und meine Stimme begann schon wieder zu zittern. "Was ist mit deinem Fuß?", wollte er wissen. "Scheiß doch mal auf meinen Fuß", zischte ich und wollte mein Herz ignorieren, "ich wurde gerade entlassen". Mein Bruder sagte nichts. "Ich hab es ja schon geahnt, aber mich mit ins Trainingslager nehmen und dann rauswerfen ist doch beschissen", redete ich weiter. „Und wieso, haben sie dir einen Grund gesagt?", wollte er wissen. „Ja das kann man sich ja denken", antwortete ich, „ich hab einfach keine Spielpraxis, weil ich mir ständig irgendetwas breche oder privaten Stress hab". „Das macht Sinn", meinte mein Bruder psychologisch, „was sagt Jenna dazu". „Sie weiß noch nichts davon", schnaufte ich, „bei uns läuft es im Moment nicht". „Du musst es ihr sagen", machte er Druck, „naja sie wird es schon merken, wenn du früher Zuhause bist". „Das ist nicht lustig!", brüllte ich ins Telefon, „ich kann nicht mehr nach Hause!" „Hat sie dich rausgeschmissen? Mario was soll der Kindergarten", kommentierte er, „komm vorbei, wenn du wieder in München bist, dann erklärst du mir das alles". Ohne noch etwas zu sagen nahm ich das Handy vom Ohr, dachte kurz nach und legte dann auf. Nachdem ich mich umgezogen hatte nahm ich meinen Koffer und lief damit in die Lobby, um auf mein Taxi zu warten. „Mario fährst du zum Arzt?", fragte Thomas, als er mit seinen Fußballschuhen in der Hand an mir vorbeispazierte. „Nein", entgegnete ich kalt und hielt meinen Kopf geduckt, sodass er meine verheulten Augen nicht sehen konnte. „Was dann?", hakte er nach. „Ich muss mir einen anderen Verein suchen", meinte ich kurz und kratzte mir dabei am Hinterkopf, „ich hab keine Spielpraxis mehr". „Wie? Du gehst? Ganz und gar?", fragte er geschockt. „Ich hab keine Ahnung wohin, ja aber ich gehe", nickte ich und schaute ihm dabei in die Augen. Wieder bildeten sich Tränen und wenn ich meinen Teamkollegen so anschaute brach es mir fast das Herz. Thomas war überall mit dabei, von Anfang an. „Scheiße Mario", meinte er zerknirscht und nahm mich in den Arm. „Ich weiß nicht was ich machen soll", schluchzte ich und verzog mein tränenerfülltes Gesicht, „Jenna hat mich rausgeschmissen, die Bayern haben mich rausgeschmissen". „Rummenigge hat bestimmt schon mit mehreren Vereinen geredet, der setzt dich doch nach so vielen Jahren nicht einfach vor die Tür", schüttelte Thomas den Kopf und ließ mich wieder los. „Sag es bitte den Anderen", schniefte ich und wischte mir über die Wange. „Halt die Ohren steif und melde dich bei mir, wenn du was brauchst", meinte er und klopfte mir auf den Rücken. Bevor ich noch mehr meiner Kollegen begegnen würde lief ich aus dem Gebäude und beschloss draußen auf mein Taxi zu warten. „Ach da bist du ja schon", hörte ich Rummenigge vom Eingang aus sagen, „ich hab gedacht du wolltest ohne mich fahren". „Nein ich fahr doch so gerne mit dir", zischte ich ihn an, völlig ungewollt. „Ich hab viele Angebote bekommen", begann er dann und setzte sich neben mich auf die Bank. „Von wem?", fragte ich hoffnungslos. „Leicester und Chelsea in England, ein paar Vereine in Frankreich und Italien, S.." -„Und in Deutschland?", unterbrach ich ihn. „Hertha, Werder, ein paar Zweitligisten", begann er, „60 München, Stuttgart". „Wars das?", fragte ich, weil kein Verein dabei war, auf den ich wirklich Lust hatte. „Nein", meinte er und begann ein wenig zu grinsen. „Spar dir dein Grinsen", schüttelte ich den Kopf. „Dortmund", fügte er hinzu. „Was?", fragte ich und schaute ihn ungläubig an. „Tuchel will dich schon lange wieder zurück", meinte er. „Ich überlegs mir, wenn ich meinen Kopf wieder frei hab", nickte ich und stand auf, weil der schwarze Wagen angefahren kam. Als wir im Flugzeug saßen lehnte ich meinen Kopf gegen die Wand und dachte nach. Ich konnte unmöglich jetzt Zuhause aufkreuzen, schon gar nicht mit so einer Nachricht. „Es ist uns allen wirklich nicht leicht gefallen es dir zu sagen", sagte Rummenigge auf einmal. „Ich verstehs doch schon", winkte ich ab, „ich war einfach zu blöd, ihr könnt ja nichts dafür, dass ich mich ständig verletze". „Also verstehst du unsere Entscheidung?", wollte er wissen. „Ich will sie nicht verstehen, aber ich muss", nickte ich und drehte mich dann weg. Felix fiel auch raus, da er viel zu nah bei uns wohnte. Der Flug dauerte eine Ewigkeit und meine Spotifyplaylist gefiel mir auch nicht mehr. Als der Flieger gelandet war setzte ich mir meine Kapuze auf und lief auf meinen Krücken zum Kofferband. Schnell holte ich mein Handy raus und rief meinen großen Bruder an, dass er mich abholen sollte. „Du siehst echt scheiße aus", schnaufte er und schaute mich von der Seite an. „Danke", nickte ich und lehne meinen Kopf wieder gegen die Fensterscheibe. „Wohin darf ich dich fahren?", fragte er. „Mein Auto steht noch am Krankenhaus", überlegte ich. „Du kannst nicht fahren, das ist dir aber bewusst", hakte er ein. „Nein, ist das so?", fragte ich und hob meinen Gipsfuß. „Nur das wir uns richtig verstehen", antwortete er. „Ich müsste nur ein paar Sachen aus dem Kofferraum holen", fügte ich hinzu. „Dann gehen wir danach nochmal rein und lassen deinen Fuß anschauen", meinte Fabian. Darauf hatte ich nichts einzuwenden. Als ich meine Papiere und einige Kleidungsstücke aus meinem Auto geholt hatte humpelte ich -mal wieder- zur Rezeption und wartete auf meinen Arzt. „Ach da kommt er ja schon", meinte die Dame aufgeregt. „Danke für die Betreuung und ihre Mühen", hörte ich eine sehr bekannte Stimme hinter mir sagen. „Und kommen sie bitte sofort, wenn ihr wieder schwindelig ist", schaltete sich eine Stimme dazwischen. „Natürlich, sie können sich verlassen", meinte Marco. Auf der Stelle drehte ich mich um und stand jetzt fast mit im Kreis. „Mario", sagte mein bester Kumpel überrascht, „was machst du denn hier?" Er hatte Anni eingehakt, direkt daneben stand Jenna. „Fuß gebrochen", antwortete ich kurz, „hi Anni, schön, dass es dir wieder gut geht". Sie schaute mich nur mit einem leeren Blick an und verzog keine Miene. „Wo sind die Kinder?", widmete ich mir dann meiner Frau zu. „Bei meinem Vater", antwortete sie kurz. „Ich bin dann Zuhause, dann kann ich aufpassen", meinte ich angespannt. „Schminks dir ab", entgegnete sie kurz und spazierte aus der Tür. Ohne mir groß Gedanken darüber zu machen schleppte ich mich zur Liege im Behandlungszimmer und ließ wieder die volle Prozedur über mich ergehen. „Das sieht sehr gut aus", nickte der Arzt und druckte mir einen Zettel aus, „glauben sie mir, solange müssen sie gar nicht aussetzen, dann können sie wieder angreifen". „Ähm.. danke", meinte ich und versuchte seinen Satz einfach zu vergessen. „Ich bring dir dein Auto dann so in den nächsten Tagen vorbei", meinte Fabian, als ich vor meiner Wohnung ausstieg. „Danke, bist der Beste", schnaufte ich und lief zur Haustür. Als ich oben die Wohnung aufschloss kam mir direkt Jenna entgegengeschossen. „Sag mal rede ich spanisch?!", schrie sie mich an. „Was hast du denn?", wollte ich wissen. „Du sollst verdammt nochmal verschwinden!", antwortete sie. „Jetzt fahr doch erstmal runter!", entgegnete ich. „Hast du dir wirklich den Fuß gebrochen, weil du gegen die Tür gehauen hast?", meinte sie dann und zeigte auf meinen Gips. „Jap", antwortete ich zerknirscht und stellte meinen Koffer ab. „Und was sagt dein Chef dazu?", wollte sie wissen. „Lass mich doch erstmal reinkommen", forderte ich sie auf und wollte an ihr vorbeihumpeln, doch sie blockierte mit ihrem Arm den Durchgang. „Vergiss es", entgegnete sie, „geh lieber zurück zu deinem tollen Fußball und verdien unser Geld". „Ich kann nicht mehr zurück", meinte ich leise und schaute auf den Boden, „die haben mir heute früh gekündigt". „Was?!", schrie meine Freundin aufbrausend, „wie? Musst du jetzt weg?" „Jap", antwortete ich kurz. „Ich bleib da", antwortete sie schnell, „ich kann hier nicht weg". „Schön", nickte ich, „hab ich mir sowieso schon gedacht". „Mario ich kann dich im Moment einfach nicht anschauen", schüttelte sie den Kopf, „ich glaube wir haben uns auseinander gelebt". „So ein Bullshit", schüttelte ich den Kopf, „wir müssen einfach warten, bis du wieder von deinem Zicken-Trip runter bist". „Bitte geh einfach", schüttelte sie den Kopf. „Alter", zischte ich, „und was ist mit den Jungs?" „Denen hab ich schon beigebracht, dass du weg bist", antwortete sie und drängte mich immer weiter aus der Wohnung. „Du bist doch völlig gestört", schüttelte ich den Kopf, „komm mal von deinen Schwangerschaftsaggressionen runter". „Wie bitte?!", fuhr sie hoch und gab mir eine schmerzhafte Ohrfeige. „Du bist doch nicht mehr normal!", schrie ich, nahm meinen Koffer und drehte mich um. Mein letzter Versuch mich mit Jenna zu versöhnen war jetzt auch schief gegangen. „Tauch hier bloß nie wieder auf", schrie sie und zeigte mir noch provokativ den Mittelfinger. „Jetzt wird's kindisch", rief ich ihr hinterher und schmiss die Haustür zu. Meine Tasche auf dem Rücken humpelte ich rüber zu Felix und klingelte. Bevor er öffnete wurde ich von meinem Handy unterbrochen. „Ja?", meldete ich mich. „Mario?", unverkennbar Rummenigges Stimme. „Was gibt's?", fragte ich etwas genervt und lief an Felix vorbei. „Hör zu, ich hab gerade nochmal mit einigen Vertretern gesprochen", begann er, „wenn du nach Dortmund willst, dann musst du heute noch zusagen und in den nächsten Tagen alle Zelte in München abgebaut haben". „Verstehe, werde ich oben dann von den Dortmunder Ärzten behandelt?", wollte ich wissen und setzte mich auf Felix' Couch, der mich nur mit aufgerissenen Augen ansah. „Genau das ist der Gedanke dahinter", antwortete er, „ich weiß ganz genau, dass du nur nach Dortmund gehen würdest". „Stimmt", antwortete ich kleinlaut. „Darf ich zusagen?", wollte er wissen. „Macht den Vertrag fertig", bejahte ich, „ich komm heute noch mal vorbei". „Okay, bis später", verabschiedete er sich und legte auf. „Du gehst weg?", fragte Felix ungläubig und setzte sich neben mich. „Jap", antwortete ich, „es ist sowieso wichtig erstmal auf Abstand mit Jenna zu gehen, ihre Launen gehen gar nicht". „Ich merk davon gar nichts", schnaufte Felix und kratzte sich am Hinterkopf, „aber was bleibt dir anderes übrig, du brauchst einen neuen Verein". „Würdest du mich dann hinfahren?", wollte ich wissen und legte meinen Fuß hoch. „Ich hab Louis da", antwortete er kurz. „Wieso du?", hakte ich nach, „wieso ist er nicht bei seiner Mutter, du hast doch auch Training heute". „Ja ich weiß schon, aber Anni ist noch etwas geschafft", antwortete er kurz, „und die Ärzte müssen in den nächsten Tagen erst testen welche Folgen sie davon getragen hat". „Kannst du mich dann fahren oder nicht?", fragte ich jetzt nochmal ärgerlicher, weil ich das Gefühl hatte, dass jedes Thema, welches ich ansprach mit dem Thema „Anni" unterbrochen wurde. „Ja lässt sich schon einrichten, ich muss ihn vor dem Training sowieso zu ihr fahren", nickte er. Auch wenn ich nicht wusste weshalb er solange gezögert hatte bedankte ich mich und legte mein Bein hoch. „Mama wird sich bestimmt freuen, wenn ein Sohn wieder in Dortmund wohnt", fügte mein Bruder hinzu. „Kannst du vergessen, wenn sie von Jenna und mir erfährt interessiert sie das kein Stück mehr", entgegnete ich. „Das ist doch noch nicht entgültig", schüttelte Felix den Kopf. „Ich will einfach im Moment nicht mehr, ich mach mich nur selbst kaputt dadurch", versuchte ich zu erklären, „mir kommt es so vor, als wäre sie ein Mädchen, das frisch in die Pubertät gekommen ist". „Aber sie ist.." -„Felix versteh es einfach, du kennst die Situation selbst", unterbrach ich ihn und wollte das Thema ruhen lassen, „lass mich erstmal das mit Dortmund abklären". Gegen frühen Abend kamen wir an der Säbener Straße an. Auf den Plätzen trainierten einige Jugendmannschaften. Unter Beobachtung humpelte ich in das Gebäude und klopfte im Büro. „Hast du es dir gut überlegt?", fragte Rummenigge und hielt mir ein Dokument hin. „Was soll ich denn da groß überlegen", zuckte ich mit den Schultern und schnappte mir einen Kugelschreiber. „Hast du schon mit deiner Familie geredet?", wollte er wissen, asl er mir das Papier hinschob. „Ja", log ich und schrieb meinen Namen unter den Vertrag. „Morgen wäre die Abreise, schaffst du das?", fragte er, „11 Uhr hier". „Ich bin da", nickte ich und gab ihm die Hand. Nachdem er mir noch viele Details genannt hatte wurde ich entlassen. Nachdenklich lief ich in meinen Krücken über das Sportgelände und blickte über die Plätze. Ich hatte fast ein wenig Gänsehaut. „Was machst du denn hier?", wurde ich aus meinen Gedanken gerissen, „und was hast du mit deinem Fuß gemacht". Ich fuhr herum und sah meinen Sohn vor mir stehen, mit seinen Fußballschuhen in der Hand. „Ich hab mir den Fuß gebrochen gestern und konnte deswegen nicht mitfahren", erklärte ich und versuchte mich zu ihm nach unten zu bücken. „Kommst du jetzt wieder zu uns?", wollte er wissen. „Nun ja", begann ich und kratzte mir am Hinterkopf, „ich muss nach Dortmund". „Was machst du da?", fragte er und wurde misstrauisch. „Ich werde behandelt und danach spiel ich da", meinte ich. Darauf verzog er sein Gesicht und begann zu schluchzen: „Du ziehst nach Dortmund aus". „Ich muss, der Fc Bayern will mich nicht mehr haben", flüsterte ich und nahm ihn in die Arme, „eure Mutter schafft das auch ohne mich, ich bin ihr da nur ein Klotz am Bein". „Das stimmt", antwortete er zu meinem Entsetzen und schniefte noch einmal, „ich muss mich umziehen". „Machs gut, wir sehen uns", flüsterte ich und nahm ihn kurz in den Arm. Danach rannte er schnell davon. Ich wusste nicht was Jenna ihm erzählt hatte, doch sie hatte ihm gewaltig das Gehirn gewaschen. Vielleicht gut, da ich so leichter nach Dortmund gehen konnte, aber doch eher eine Enttäuschung. Jetzt musste ich mich alleine durchschlagen.
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Love never runs out (Mario Götze FF - ON HOLD)
Fanfiction"Lass mal zu der da hinten gehen" - ein Satz, der das Leben zweier Menschen komplett veränderte.