Kapitel 81

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"Los sag schon", drängte ich. "Anni war schwanger", schluchzte er. "Schwanger?", wiederholte Fabian und musste kurz schlucken. "Wieso war?", wollte ich wissen und führte ihn unter den überdachten Teil des Balkons, weil es wie aus Kübeln regnete. "Sie hat abtreiben lassen", schüttelte er den Kopf und die Tränen rannten wieder über seine Wangen. Fabian und ich wussten Beide nicht, was wir sagen sollten. Wir verstanden die Situation nicht. "Wie abtreiben lassen", keuchte mein großer Bruder und setzte sich auf den Boden. "Das war im Februar", begann Felix und schaute auf den Boden, "Anni ist Mittags zum Training gekommen und hat mir erzählt, dass sie einen Test gemacht hat und dass er eben positiv war", er schluckte kurz, "am Anfang hatte ich echt Angst, aber danach hab ich mich einfach nur noch gefreut, nur sie hat die ganze Zeit geweint und gesagt, dass es uns ruinieren wird und noch mehr so Mist". "Spinnt die?", schüttelte Fabian den Kopf. "Ja tut sie. Jedenfalls hat sie ein paar Wochen später einen Termin im Krankenhaus gemacht, ohne mir Bescheid zu sagen", fuhr er fort und setzte sich auch nach Unten. "Und hat das Kind einfach abtreiben lassen?", fragte ich geschockt. Felix nickte. Er sah aus wie ein Häufchen Elend. "Sie hat mir einfach mein Kind weggenommen, ich hab mich so gefreut, fast drei Wochen hab ich mich schon auf das Vatersein eingestellt", heulte er. "Wieso hast du erst jetzt Schluss gemacht Alter, es ist April?", wollte Fabian wissen und schaute ihn vorwurfsvoll von der Seite an. "Am Anfang hab ich eben gedacht, dass ich es einfach vergessen kann, aber in letzter Zeit war es einfach zuviel für mich und dann hab ich sie solange damit genervt, dass sie irgendwann ausgerastet ist und gesagt hat, dass wir da andere Ansichten haben", erklärte er. "Andere Ansichten?", schrie ich ihn an, was mir kurz danach schon Leid tat, "sie hat dich nicht mal richtig gefragt!", "Felix das geht echt nicht, die Fr.." -"Wir sind doch auseinander!", schrie Felix dazwischen. Augenblicklich waren wir auch wieder still. "Ich schlag die Kleine", schüttelte ich entschlossen den Kopf und sprang auf. Ich musste nach Hause. Ohne die Schreie von Felix zu beachten stürmte ich aus der Wohnung und rannte über die Straße. Annis Auto stand immer noch in unserer Einfahrt. Gut so. Niemand durfte meinem Bruder so etwas antun, nicht mal die Schwester von meiner Frau. Mit voller Wut schloss ich die Haustür auf und sprintete die Treppe hinauf. Am liebsten hätte ich jetzt irgendwas zusammengeschlagen. Nachdem ich auch die Wohnungstür aufgeschlossen hatte rannte ich ins Wohnzimmer, wo Anni und Jenna immer noch auf der Couch lagen. "Bist du schon wieder da?", drehte sich Jenna zu mir um und grinste. "Hör auf zu grinsen", zischte ich und erschrocken wich sie zur Seite, als ich auf sie zu lief. "Was fällt dir ein?", schrie ich ihre Schwester an. In mir kochte es. "Was willst du denn jetzt?", entgegnete sie und stand auf, um nicht zu mir hochschauen zu müssen. "Wieso nimmst du meinem Bruder sein Kind weg?!", brüllte ich und lief drohend auf sie zu. "Ich hab ihm gar nichts weggenommen", schrie sie zurück, "das ist meine Entscheidung!", "Wieso erzählst du ihm dann eigentlich von dem Kind?!", rief ich vorwurfsvoll. "Hört auf zu Schreien!", brüllte Jenna neben uns auf der Couch. "Halts Maul!", schrie ich sie an und schaute schnell wieder zu Anni. "Hör auf meine Schwester so zu behandeln!", tobte Anni. "Sagst du?! Schau dir mal an was du mit meinem Bruder gemacht hast!", schrie ich vorwurfsvoll, "mit ihm hättest du das mit einem Kind locker gepackt!", "Ich will aber kein Kind!", brüllte Anni und fasste sich in die Haare. "Kinder abzutreiben bedeutet sie zu töten", schüttelte ich den Kopf. "Es ist nicht dein Kind, verdammt also lass mich damit in Ruhe!", entgegnete sie. "Du hast ein Kind getötet, mehr Strafe brauchst du gar nicht", zischte ich und wollte den Raum verlassen. Ich wollte keine Gesichter sehen. Niemanden. Im Flur traf ich auf Jenna, die aus der Küche kam. "Was sagst du dazu?", fragte ich sie. "Mario geh mir aus dem Weg, ich will dich nicht sehen", zischte sie und schubste mich aus dem Weg. "Ja halt noch zu der Mörderin!", schrie ich und wenig später hatte ich schon die Handfläche von meiner Frau an der Backe. Bloß nicht zurückschlagen. "Leck mich", schüttelte ich den Kopf und rannte aus der Wohnzimmer. Mein Puls war auf 180. Ich spürte wie sich der Hass ausbreitete. Hass auf Anni und Jennas Naivität. Wieder bei Felix setzte ich mich auf die Couch und starrte Löcher in die Wand. Niemand fragte nach meinem Gespräch mit Anni. Ein Glück. Philipp saß bei Felix und versuchte ihn abzulenken. Aus irgendeinem Grund schaffte er es auch. "Erzähl mal von Manchester", setzte sich mein großer Bruder auf einmal neben mich. Er hatte gemerkt, dass ich sauer war. "In knapp zwei Wochen geht der Flug", erklärte ich. "Jenna und die Kinder bleiben da?", hakte er nach. "Ein Glück", zischte ich kurz. "Mario!", rief mein Bruder verärgert. "Im Moment läuft es nicht so wie es soll, aber das wird wieder", erklärte ich kurz. "Spätestens wenn du zwei Monate bei den Engländern chillen musst", grinste er, "was hast du jetzt zu Ann-Kathrin gesagt?", "Nicht viel, hab sie als Mörderin bezeichnet und bin wieder gegangen", zuckte ich mit den Schultern, "dann hat mir Jenna noch eine gescheuert und bin wieder gegangen". Fabian schluckte. Ich wusste, dass er es nicht gut fand. "Wann kommt die Tante wieder?", hörte ich Philipp fragend. Erschrocken hob ich meinen Kopf, aber Felix reagierte ziemlich unerwartet. "In nächster Zeit erstmal nicht, aber vielleicht irgendwann in der Zukunft", erklärte er gefasst und konzentrierte sich wieder auf sein Fußballquartett. Gegen neun Uhr abends verließen wir Felix Wohnung und liefen nach drüben. Philipp war schon eingeschlafen und Jonas wartete sehnsüchtig auf Nahrung. Irgendwie die Beiden auf meinem Arm balancierend klingelte ich an der Haustür und glücklicherweise wurde mir geöffnet. Wortlos hielt mir Jenna die Tür auf und wagte es nicht mir ins Gesicht zu schauen. "Jonas hat Hunger", meinte ich kurz und gab ihn ihr auf den Arm. Während sie ihn fütterte legte ich Philipp ins Bett. Ohne ein weiteres Wort legte ich mich auch hin. Als ich am nächsten Tag zum Training fuhr kam direkt schon Pep auf mich zu gerannt. "Mario pack deine Sachen zusammen!", schrie er schon von Weitem. "Ich hab doch noch zwei Wochen", entgegnete ich verwirrt. "Der Manager hat gerade angerufen und erklärt, dass du morgen schon anfangen sollst!", erklärte er und direkt drehte ich wieder um. Damit hatte ich gar nicht gerechnet. Spontan beschloss ich mich morgen vor dem Abflug von der Mannschaft zu verabschieden und fuhr nach Hause. Schon von Weitem sah ich Annis Wagen in unserer Einfahrt. Wohnte sie jetzt hier? "Was machst du schon wieder hier?", wollte Jenna wissen, als ich viel zu früh wieder zur Tür herein kam. "Ich muss morgen schon fliegen", erklärte ich und ging ins Schlafzimmer um meine Sachen zu packen. Ein wenig enttäuschte mich, dass darauf keine Antwort kam. So wie es ausschaute saß sie mit Anni auf der Couch. Wortlos warf ich einige Kleidungsstücke in den Koffer und das war es schon, denn mehr brauchte ich eigentlich. Die Reiseunterlagen hatte Pep für mich und Rest wollte ich am nächsten Morgen einpacken. "Fertig gepackt?", fragte Jenna, als ich ins Wohnzimmer kam. "Ja", entgegnete ich kalt und suchte meine Kopfhörer im Schrank. "Was machst du heute noch?", wollte meine Frau wissen und hörte sich dabei sehr schlecht gelaunt an. "Muss mich von Fabian und Felix verabschieden", antwortete ich in der selben Laune. "Schön, dass du dich nicht von Jenna verabschieden willst", mischte sich Anni mit ein. "Bitte sei einfach leise", zischte ich mit geschlossenen Augen. "Oder von deinen Kindern", fuhr sie fort. "Ann-Kathrin ich mach das schon, mach dir da keine Sorgen. Nur ich will es nicht machen, wenn du da bist", schrie ich. "Wieso musst du immer schreien!", beschwerte sie sich. "Sei froh, dass ich nicht anfange zu kotzen, wenn ich dich sehe", murmelte ich und suchte nach meinem Ipod. "Wenn du noch einmal sowas sagst bekommst du so eine gescheuert!", begann Jenna zu brüllen. "Wenn es doch aber so ist, ich will dem Mädchen gar nicht mehr in die Augen schauen!", schrie ich zurück und verließ den Raum. "Mario! Sie hat dir nichts getan!", rief Jenna und kam zu mir ins Zimmer gerannt. "Sie hat mir nichts getan?! Sie hat mir eine Nichte oder einen Neffen weggenommen und dir übrigens auch!", zischte ich und zeigte ihr dabei einen Vogel, "juckt dich das gar nicht?", "Wie es meiner Schwester geht, darum geht es mir! Mit Kind geht es ihr auf jeden Fall nicht besser als ohne!", erklärte sie. "Dann tut es mir sehr Leid, dass ich mich auch nur Sorgen um meinen Bruder mache!", fuhr ich sie an. "Ach der kommt von dem Trip schon wieder runter", meinte sie locker. Diese Aussage machte mich wütender als alles andere. "Trip?!", schrie ich, "hast du ihn dir schon mal angeschaut? Ich bin froh, wenn er sich nicht vor einen Zug schmeißt!", "Wir hatten doch alle schon mal Liebeskummer", schnaufte Jenna. "Sag mir eins", flüsterte ich, "wie hast du dich gefühlt als Lia damals gestorben ist? War auch nur ein Bisschen Liebeskummer oder?". Bei diesen Worten war Jenna leise. "Das kannst du nicht vergleichen", schüttelte sie den Kopf. "Und wie man das vergleichen kann", zischte ich und wollte gehen, doch sie hielt mich fest. "Lass mich los", schrie ich. "Sonst?", entgegnete sie. "Sonst raste ich hier gleich vollkommen aus", beendete ich meinen Satz, "ihr habt Beide kein Recht Anni als Unschuldslamm dazustellen". "Du hast kein Recht mich als Mörderin darzustellen!", schrie Anni von der Couch aus. "Ann-Kathrin, du bist wie alt? 23?", fragte ich. "Was hat das damit zu tun?", wollte sie wissen und kam auch mit ins Schlafzimmer. "Nehm dir mal ein Beispiel an deiner Schwester, die war 18 als sie schwanger war", meinte ich provokativ. "Mario!", schrie Jenna empört. "Wenn es doch aber so ist, sie ist doch kein Kind mehr und ihr Studium hat sie auch schon längst beendet!", schimpfte ich. "Ich darf über mein Leben entscheiden und nicht irgendein arroganter Arsch!", schrie sie mich an. Das war zu viel. "Wenn man Frauen schlagen dürfte wärst du tot", schüttelte ich den Kopf. "Okay das reicht", zischte Jenna, "mach das du hier raus kommst, deine Sprüche gehen zu weit" und warf mir meine Tasche hinterher. "Wie bitte?!", brüllte ich sie an, "toll, bei sowas hältst du zu ihr, Glückwunsch!", "Niemand beleidigt meine Schwester!", fuhr sie mich an, "und deinem kleinen Bruder kannst du ausrichten, dass er sich von Anni fernhalten soll". "Glaub mir so schnell meldet er sich nicht mehr, dafür sorge ich", entgegnete ich und wurde von ihr zur Tür geschoben. "Ich wünsche euch einen schönen Lästertag", nickte ich und wollte die Tür hinter mir zuziehen. "Halt einfach deine Fresse!", schrie Jenna und knallte die Tür zu. Da stand ich nun mit meiner Reisetasche im Flur. Den Nachmittag verbrachte ich bei Felix und zockte mit ihm Fifa, der perfekte Abschied. "Vielleicht komm ich dich mal besuchen", murmelte irgendwann nach dem gefühlten 30. Spiel. "Klar, hab da oben sowieso niemanden", entgegnete ich gelangweilt. "Was sagt Jenna dazu, dass du morgen schon fliegst?", wollte er wissen. "Die juckt es nicht, hängt mit Ann-Kathrin rum", erklärte ich. "Wie? Habt ihr Stress?", fragte er. "Ein Bisschen sehr ja", nickte ich und legte den Kontroller weg. Wenn ich mich im Innerern fragen würde, ob ich noch Bock auf Jenna und ihre Familie hatte musste ich diese Frage im Moment definitiv mit Nein beantworten, "England ist deswegen wahrscheinlich gar keine so schlechte Idee". Am nächsten Morgen verließ ich um zehn Uhr die Wohnung und verabschiedete mich von meinen Brüdern. Sie waren die einzigsten Personen, die ich mit meinen Söhnen richtig vermissen würde, von denen ich mich auch noch verabschieden musste. Dass Annis Wagen immer noch vor unserem Haus stand konnte diesmal meine Laune nicht trügen, denn ich konnte Philipp im Garten mit Milan Fußball spielen sehen. "Lass dich nochmal drücken", rief ich, als er auf mich zu gerannt kam. "Wie oft muss ich schlafen, dass ich dich wiedersehe?", wollte er wissen und weil ich mir ziemlich unsicher war, ob er mich in England besuchen würde schätzte ich: "Ungefähr 60 Mal". Bei diesen Worten verzog er das Gesicht und begann leise zu wimmern. "Das schaffen wir und wenn es mir gefällt kommt ihr auch früher zu mir nach", erklärte ich ihm. "Egal wo, hauptsache wir sind zusammen", flüsterte er und drückte mich nochmal fest. "Ist Jonas oben?", wollte ich dann wissen, weil ich mich von ihm auch noch verabschieden wollte. "Ja bei Mama", nickte Philipp und ließ mich los. Als ich oben ankam ging ich auf den Balkon. Anscheinend wohnte Anni jetzt hier. Ohne irgendein Wort nahm ich Jenna Jonas aus dem Arm und lief mit ihm ins Innere der Wohnung. "Ärger die Tante ein Bisschen", flüsterte ich ihm ins Ohr und schaute nochmal kurz auf ihn herab. Wenn ich ihn das nächste Mal sehen würde würde er schon wieder um Längen größer sein. Ich vermisste meine Jungs jetzt schon. Nach fünf Minuten kam ich wieder auf den Balkon und gab unseren Sohn zurück. "Tschüss", meinte ich kurz zu Jenna und wollte sie auf den Backen küssen, doch bekam stattdessen einen festen Schlag gegen meine Backe. "Unglaublich", schüttelte ich den Kopf, drehte mich um und ging aus der Tür. Jetzt reichte es mir entgültig. "Glaub nicht, dass du dich melden musst!", schrie Anni mir hinterher. Ihre Stimme machte mich aggressiv. "Keine Angst, deine Nummer hab ich schon längst gelöscht, da ist mir mein Speicherplatz zu kostbar!", konterte ich und schlug die Haustür hinter mir zu. Ich hatte mir meinen Abgang irgendwie herzlicher vorgestellt, doch wenn Jenna genauso fühlte wie ich war es für mich auch okay. Ich brauchte Abstand und sie wie es aussah auch. Und von Anni brauchte ich keinen Abstand, sondern einfach nur Kontaktabbruch. Volle Konzentration auf England.

Mal was ganz anderes.. Meinungen sind heute ganz wichtig!♥

Love never runs out (Mario Götze FF - ON HOLD)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt