Jenna PoV:
Nachdem ich den Tisch abgeräumt hatte saßen Mario und Philipp immer noch am Küchentisch und unterhielten sich. "Soll ich dich dann wieder zum Flughafen fahren?", fragte ich ihn und hängte mein Geschirrtuch auf. "Anders komm ich leider nicht weg", nickte er. "Ich fahr gleich mit Anni nochmal ins Krankenhaus, kannst du auf die Kinder aufpassen, dann kann ich sie hier lassen", meinte ich und lief zur Garderobe. "Ja kein Problem", antwortete er, "und danke". Nachdem ich Jonas gewickelt und zum Schlafen noch einmal hingelegt hatte setzte ich mich zu meiner Schwester auf die Couch und schaute ihr dabei zu, wie sie sich um Louis kümmerte. "Kannst du ihn bitte nehmen, mir ist gerade wieder schwindlig", meinte sie und schloss ihre Augen, "ich glaube wir sollten den Doktor später nochmal fragen, was das sein kann". "Anni du hattest ein Schädel-Hirn-Trauma, das ist ganz normal", entgegnete ich, obwohl ich diese Predigt schon gefühlt 5x gehalten hatte. Das sie immense Schäden davon getragen hatte traute ich mich jedoch nicht zu sagen. Als wir unsere Schuhe anzogen hatten ging ich nochmal zu Mario an den Tisch. "Also machs gut", meinte ich, nahm meinen Autoschlüssel und lief wieder weg. "Tschau", entgegnete er überraschend ruhig. "Was macht Mario denn hier?", fragte meine Schwester und hangelte sich am Geländer unsere Treppen hinunter. "Er war in der Gegend", meinte ich nur kurz. Als wir im Auto saßen musterte ich meine Schwester von oben bis unten. Sie starrte ins Leere. "Achso", antwortete sie und legte ihren Kopf gegen das Fenster, "ist doch sowieso alles egal". "Was soll das denn jetzt heißen?", fragte ich. "Keine Ahnung", flüsterte sie. Seit Anni aufgewacht war konnte man keine Gespräche mit ihr führen, da sie schwer mit den Folgen zu kämpfen hatte: Denk- und Gedächtnisstörungen, Schwindel, Depression, Aufmerksamkeitsschwäche und vor allem Probleme beim Umsetzen von Handelsabläufen. "Wir sind da Schwesterherz", meinte ich, als wir im Parkhaus standen. "Ja", schreckte sie hoch und schaute mich an, "wo?" "Komm mit", schnaufte ich und zog sie an der Hand zum Eingang. Während der Behandlung saß meine Schwester ganz still da und hörte dem Doktor zu. Auch wenn ich wusste, dass sie die Hälfte davon sowieso wieder vergessen würde. "Haben sie jemanden, der sich rund um die Uhr um sie kümmert?", fragte der Arzt als letztes. "Ja meine Schwester und ab und zu auch mein Freund", nickte sie und deutete auf mich. "Nun ja", meinte er, "ich kenne Frau Götze jetzt auch schon eine Weile und ich weiß, dass sie viel zu tun hat, mit ihren Kindern und mi..." -"Wir machen das schon irgendwie", unterbrach ich ihn. "Frau Gentzel würden sie für einen kurzen Augenblick den Raum verlassen, ich möchte mit ihrer Schwester alleine reden", fuhr der Doktor fort und Anni verließ mit einem komischen Blick den Raum. "Setz dich draußen auf die Bank", ordnete ich an, "ich komm gleich". "Frau Götze", begann der Arzt zu schnaufen und schaute mich angestrengt an, "wie soll ich es ihnen sagen..". "Annis Zustand wird sich verschlechtern oder?", meinte ich. "Richtig", nickte er, "das können sie nicht alleine schaffen". "Ab.." -"Sie haben ihrer Schwester genug geholfen. Sie braucht jetzt professionelle Hilfe". "Einen Pflegedienst?", wollte ich wissen. "Ein Heim für Mütter und ihre Kinder", verbesserte er mich. "Das können sie nicht machen, Anni wird mich hassen", schüttelte ich direkt den Kopf. Sie würde mir mein ganzes Leben lang vorwerfen, dass ich mich nicht um sie kümmern wollte. "Haben sie eine anderen Lösung?", fragte er. "Felix", schoss es mir in den Sinn. "Wie bitte?", hakte er nach. "Felix, ihr Ex-Freund und der Vater von Louis", erklärte ich, "er kann sich um das Kind kümmern". "Und um Frau Gentzel?", wollte er wissen, "gibt es da auch jemanden?" "Ihr Freund", nickte ich. "Marco Reuß!?", lachte der Doktor, "und wann passt der dann auf? In der Winter- und Sommerpause? Frau Götze er lebt in Dortmund". Ich kratzte mir am Hinterkopf: "Wenn er den Ernst der Lage kapiert wird das schon", schnaufte ich und malte mir in meinem Kopf schon viele Szenarien aus. "Mir ist nur wichtig, dass sie nicht die ganze Verantwortung tragen. Frau Götze, sie haben selbst drei Kinder und sie können sich nicht noch um zwei weitere kümmern, sie machen sich damit selbst kaputt", erklärte er. "Sie hören sich an wie mein Ex-Mann", lachte ich. "Da hat er auch Recht", meinte er und gab mir einen Zettel mit einer Reihe von Medikamenten darauf. "Hier, das sind alle Medikamente, die Frau Gentzel braucht", meinte er, "in der Apotheke wird man ihnen das dann genauer erklären". "Danke", antwortete ich. "Und bitte nehmen sie sich meine Worte zu Herzen", schnaufte er und gab mir die Hand, "ihr Zustand wird sich von Tag zu Tag ändern". "Was hat er gesagt?", drängte Anni, als wir zum Auto liefen. "Ach nichts, nur was wegen Helena", antwortete ich. "Aha", antwortete sie und hatte damit die Behandlung komplett aus ihrem Kopf gelöscht. Als ich Zuhause wieder aufschloss verschwand meine Schwester im Gästezimmer und ich setzte mich auf die Couch. Mario kam mit Helena auf dem Arm herein und setzte sich neben mich. "Und?", fragte er nach. "Ihr Gehirn ist ein einziger Brei", schnaufte ich und schaute ihn von der Seite an, "wir müssen was machen". "Wir?", wiederholte er vorsichtig. "Ich", verbesserte ich mich und schaute mich um, "Anni braucht jemanden, der sich 24 Stunden um sie kümmern kann, sonst wird sie in ein Mutter-Kind-Heim gesteckt". "Das ist doch Schwachsinn", schüttelte Mario den Kopf. "Mario sie kann Louis nicht großziehen", entgegnete ich, "es ist ein Wunder, dass sie mit ihm spielt und es danach nicht vergisst". "Und jetzt?", wollte Mario wissen. "Ich hab da an Marco gedacht, wir wären zu zweit ein gutes Team", fuhr ich fort. "Jenna das ist doch Schwachsinn", entgegnete er wieder, "Marco wohnt viel zu weit weg". "Ich kann mich schlecht gegen Borussia stellen", schnaufte ich und schaute ihn an, "Anni muss nach Dortmund ziehen". "Aber er hat doch auch eine Karriere", entgegnete er, "und Louis ist nicht sein eigenes Kind". "Er liebt Louis, glaub mir", versicherte ich ihm und fuhr mir durch die Haare. "Trotzdem", schluckte er, "er packt das nicht alleine". "Ich helf ihm ja dabei", meinte ich. "Du?", grinste Mario, "jeden Tag pendeln oder, Jenna du hast mit drei Kindern schon einen Vollzeitjob". "Sie braucht mich aber", entgegnete ich und versuchte meine Gedanken zu ordnen. "Wir brauchen alle irgendjemanden, nur manchmal muss man was loslassen", flüsterte er, "damit es dem anderen besser geht". "Stimmt", nickte ich. "Löst aber nicht das Problem", schnaufte er, "Marco kann nie und nimmer das alles alleine stemmen und die Frage ist, ob er das überhaupt will". "Na also von Wollen kann in der ganzen Situation nicht die Rede sein", entgegnete ich und schaute ihm in die Augen. Wie ich diese Augen geliebt hatte. "Ich kann auch helfen", meinte er. "Ausgeschlossen", meinte ich und schüttelte den Kopf, "musst du nicht zum Flughafen?" Genervt schaute Mario auf seine Uhr und nickte. Nachdem er eine halbe Ewigkeit zum Verabschieden gebraucht hatte musste ich dafür zum Flughafen rasen. "Und was machst du jetzt? Von früh bis spät Kinder hüten?", fragte er auf einmal, als wir gerade über den Mittleren Ring fuhren. "Ja", antwortete ich trocken, "aber Lena hat mir einen Job angeboten, jetzt nicht um Geld zu verdienen, sondern um ab und zu einfach mal raus zu kommen". "Und wo?", wollte er wissen. "P1", meinte ich kurz. "Nobel, nobel", grinste er, "dir ist schon klar, dass wir da öfters mit der Nationalmannschaft hingehen, oder?" Verwirrt schaute ich zu ihm rüber: "Hast du schon mal was von Trinkgeld gehört? Und denkst du ich hab Angst vor deiner Natio-Truppe?" "Ich wollte es nur gesagt haben", antwortete er und schaute aus dem Fenster. Als wir am Flughafen anhielten stieg ich nicht aus, sondern grinste ihn nur kurz an, schenkte ihm ein "Tschüss, bis demnächst" und drehte wieder um. Mein Hass saß nicht mehr so fest, wie vor ein paar Wochen, doch etwas mit ihm zu tun haben wollte ich trotzdem nicht. Als ich Zuhause angekommen war schnallte ich Helena ab und lief ins Haus. "Als ich schon Jonas im Hausflur schreien hören konnte wurde mir klar, dass sich an unserer Situation etwas ändern müsste. Gestresst setzte ich mich mit meinen beiden Kindern auf die Couch und dachte nach. Es musste einen Weg geben. "Philipp!", schrie ich meinen Sohn. "Was gibts?", fragte er und setzte sich neben mich. "Würdest du mit mir nach Dortmund ziehen?", fragte ich und hatte im Inneren schon Angst von der Antwort. "Zu Papa?", grinste er und riss seine Augen auf. "Naja jetzt nicht direkt, aber Tante Anni geht es schlecht und ich will sie nicht von fremden Leuten betreuen lassen und mit Marcos Hilfe könnte ich es alleine schaffen", erklärte ich ihm. "Wenn es ihr dann besser geht", nickte er, "ist das sicher?" Abrupt schüttelte ich den Kopf: "Nein das war gerade nur eine Überlegung von mir und da brauch ich natürlich die Zustimmung vom Mann des Hauses". "Dann könnte ich Papa öfters sehen", grinste er, doch verzog seine Miene augenblicklich, "aber was ist mit den Bayern, ich kann dann da ja gar nicht mehr trainieren und Profi werden". "Dein Papa spielt bei Dortmund, dann bekommst du da bestimmt auch einen Platz", versicherte ich ihm. Nach einer Woche hatte ich Kontakt zu meinem Versicherungsmakler aufgenommen und ließ ihn nach einer großen Wohnung in Dortmund suchen. Marco und Mario wussten von meinen Plänen und unterstützten uns dabei. Anni konnte mit Louis bei Marco in der Wohnung leben. Das einzige Problem, das ich hatte war Felix. Als ich ihm davon erzählt hatte, war seine Antwort, dass mich Marco dazu überredet hätte. Es tat mir leid, dass ich Louis von ihm trennen musste, doch Annis Wohl ging in diesem Falle vor. Nach einem Monat waren die meisten Geschäfte in München abgeschlossen und Philipp hatte tatsächlich einen Platz in der Jugend des BVB bekommen. Im Herbst stand dann der Umzug an. Wir hatten eine Wohnung mitten in der Altstadt, ähnlich wie in München, perfekte Lage und so weit weg von Mario und seinen Eltern wie nur möglich. Meine Schwester konnte schon zwei Wochen vor mir zu Marco ziehen und erleichterte mir so den Umzug ein Bisschen. Am Abreisetag flossen doch mehr Tränen als gedacht. Mein überstürzter Umzug gefiel doch nicht jedem und erst, als ich Philipp heulend in den Armen unseres Nachbarssohns Milan liegend sah, dachte ich zurück. Ich war mit Mario vor seiner Geburt hier eingezogen. Eine verdammt lange Zeit. Er war hier aufgewachsen und hatte nie ein anderes Zuhause kennengelernt. Als ich Helena und Philipp in ihre Kindersitze gesetzt hatte lief ich zu Dani und nahm sie in den Arm. "Was du in den letzten Jahren für mich gemacht hast ist unbezahlbar", flüsterte ich und nahm sie in den Arm, "ich habe nirgendwo mehr erlebt, als in diesem Haus". "Ich bin dankbar dafür, dass ihr hier wart", grinste Dani, "bitte besucht uns ab und zu mal". "Auf jeden Fall", antwortete ich, umarmte sie nochmal und löste Philipp von seinem Freund. "Bis demnächst", winkte ich und wartete bis sich mein Sohn auch angeschnallt hatte. "Kanns losgehen Cowboy?", fragte ich und schaute zu Philipp rinter, der zwischen den beiden Kindersitzen eingequetscht war. Widerwillig nickte er und schaute in ein Kinderbuch. Nach einer Stunde hörte ich von hinten nur noch Schnarchen. Die Fahrt war anstrengend, doch nach sechs Stunden hatten wir unser neues Zuhause erreicht. Der Umzugslaster kam kurz nach uns an und die Möbelpacker schleppten mir alle Möbel, die ich mitgenommen hatte in die Wohnung, welche im Erdgeschoss lag. Ich betrat erst zum zweiten Mal die Wohnung, doch fühlte mich direkt wohl. Ich hoffte nur, dass Philipp alles akzeptieren würde.
Hey Freunde, ein neues Kapitel und wie immer wünsche ich mir viele Kommentare! :) Rutscht gut rein♥
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Love never runs out (Mario Götze FF - ON HOLD)
Fanfiction"Lass mal zu der da hinten gehen" - ein Satz, der das Leben zweier Menschen komplett veränderte.