Kapitel 45

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Es tutete ewig lange. Schon fast wollte ich auflegen, doch dann meldete sie sich doch. "Ja?", brüllte jemand in den Hörer. "Svea?", fragte ich und hielt ihn ein Bisschen weiter weg von meinem Ohr. "Wer ist da?", rief sie. Ich hatte das Gefühl, dass sie betrunken war. "Hier ist Jenna. Ist alles okay bei dir?", fragte ich. "Alles superdupi Süße!", lachte sie. Im Hintergrund konnte ich Männer und Jungen schreien hören. "Svea wo bist du denn! Wer ist da noch?", fragte ich verzweifelt. "Ich bin Zuhause und Tom ist hier und noch ein paar Freunde", brüllte sie und die Musik im Hintergrund wurde wieder lauter. In ihrer Wohnung musste eine Party steigen. "Du musst da raus", meinte ich leise und legte auf. "Mario!", rief ich und ging nach Innen. "Was?", fragte er. Er lag gerade mit Lia auf der Couch und hatte sein Handy in der Hand. "Wir müssen zu Svea fahren, ganz schnell und keine Widerrede", rief ich und schlüpfte in meine Airmax. Anni beauftragte ich auf die Kinder aufzupassen und dann fuhren wir nach Schwabing. Wie bereits geahnt standen vor der Wohnung viele Autos. Ohne nachzudenken liefen wir zur Tür und klingelten. "Und du denkst wirklich sie wohnt noch hier?", fragte Mario. "Sie war betrunken als wir telefoniert haben und hörst du nicht die Musik?", meinte ich. Aus der Wohnung konnte man, trotz der dicken Wände, einen lauten Bass hören. Die Tür öffnete sich und Svea stand vor uns. Sie hatte tiefe Augenringe und trug ein Bikinioberteil und eine Hot Pant. "Svea wie schaust du denn aus!", zischte ich, ehe hinter ihr Tom erschien. "Eeey Jennaschätzchen!", rief er und wollte mir einen Kuss auf die Backe geben, doch ich wich ihm aus. Ich packte Svea am Arm und zog sie in den Hausflur. Sie stank nach Alkohol, Schweiß und Zigaretten. Mir war es egal, ob sie noch irgendwelche Sachen in der Wohnung hatte. Sie musste hier weg. Tom schien es nicht zu interessieren, dass wir seine Freundin mitnahmen. "Was macht ihr mit mir?!", schrie Svea und wollte sich von mir wegreißen, doch ich war in nüchternem Zustand viel stärker als sie. Mario trug sie auf seinen Armen ins Auto und fuhr sie in unsere Wohnung. Dort trug er sie aufs Sofa und ich setzte mich neben sie. "Svea was machst du denn für Sachen", flüsterte ich. "Bisschen trinken, bisschen rauchen, bisschen dies und das", kicherte sie. "Was haben die denn mit dir gemacht. Du schaust so schlecht aus", meinte ich und schüttelte den Kopf, während ich durch ihre Haare fuhr. Anni kam mit einem Glas Wasser an und gab es meiner Freundin. "Wie läufts eigentlich in der Uni?", fragte ich. "Abgebrochen", lachte sie. "Wie bitte?!", rief ich und suchte irgendjemanden, der mit mir meinen geschockten Blick teilen würde. "Du kannst doch nicht einfach die Uni schmeißen", meinte ich und strich ihr über die Stirn. Toms Freunde hatten ihr ganzes Leben zerstört und ich sah es als meine Aufgabe an es wieder in Ordnung zu bringen. „Du bleibst erstmal bei uns", ordnete ich ihr an und holte ihr frisches Bettzeug aus unserem Kleiderschrank. „Toll und wo soll ich jetzt pennen?!", zischte Anni, als wir kurz zu dritt im Schlafzimmer standen. „Ich fühl mich langsam wie soeine Auffangstation für gestrandete Seehunde", murmelte Mario und schüttelte den Kopf. „Soll ich sie in Schwabing an zuviel Alkohol und Drogen verrecken lassen oder was?! Anni du kannst die Couch im Gästezimmer ausziehen", meinte ich und trug noch eine Decke ins Wohnzimmer. Svea war, Gott sei Dank, eingeschlafen. Das tat sie auch die ganze Nacht und den nächsten Vormittag. Gegen 13 Uhr, als ich gerade Marios Geburtstagsessen für den nächsten Tag bestellt hatte, wachte sie auf und hielt sich den Kopf. „Ich sterbe", machte sie sich bemerkbar und schaute zu mir hinüber. „Guten Morgen", sagte ich kalt und brachte ihr ein Wasser und eine Kopfschmerztablette. „Was mach ich bei dir?", wollte sie wissen und setzte sich auf. „Ich hab dich aus deinem Drecksloch geholt", erklärte ich. „Drecksloch?", wiederholte sie. „Man Svea ich hab gedacht du hast mit Tom Schluss gemacht!", rief ich ihr vorwurfsvoll zu. „Ich liebe ihn eben und schrei nicht so", stöhnte sie und hielt sich den Kopf, „hast du ne Zigarette?" Ich schüttelte den Kopf: „Du kannst da nicht mehr zurück. Du machst dein Leben kaputt". „Jenna übertreib nicht ich komm schon klar", meinte sie und winkte ab. „Drogen nehmen nennst du klar kommen?! Einfach so die Uni abbrechen nennst du klarkommen?", rief ich. „Ich hab doch trotzdem was zu tun, ich jobbe immernoch im Supermarkt", erklärte sie stolz. „Aber sicher nur, weil du so besser an Alkohol und Zigaretten kommst", schüttelte ich den Kopf. „Mach doch keinen Stress. Ich hab in letzter Zeit einfach viel Party gemacht, das ist alles", meinte sie und nahm einen großen Schluck vom Wasser. „Entweder wir schaffen das zusammen da raus, oder ich lass dich gleich einliefern", verkündete ich und somit war mein Ziel bekannt. „Na gut. Die nächsten zwei Wochen bleib ich bei euch", säufzte sie und schlug mit mir ein. Sie hatte sich so verändert. Die sonst so schicken Oberteile und Hosen hatten sich in nuttige Stofffetzen verwandelt. Ihre Augen waren viel zu überschminkt und hatten große Augenringe. Sie sah abgemagert aus und roch nach Rauch. Das erste was sie brauchte war eine Dusche, wohin ich sie auch zuerst führte. „Ich lass dich erst wieder raus, wenn du wieder normal riechst", rief ich ihr zu und schloss die Tür. Währenddessen legte ich meine Kinder zum Schlafen. Anni war am Morgen mit Felix verabredet und schaute ihm beim Trainieren zu und Mario hatte ebenfalls Mannschaftstraining in der Arena. Am liebsten hätte ich ihn begleitet, doch „das Projekt Svea" schien mir im Moment wichtiger. Ich machte ihr eine Kanne Tee und kochte ihr Nudeln, während sie duschte. Ich hatte das Gefühl sie duschte den halben Nachmittag, doch das war es mir Wert. Um drei Uhr kam sie wieder aus dem Badezimmer und hockte sich neben mich an den Esstisch. „So und jetzt ess mal wieder was Richtiges", befahl ich und schob ihr den Teller vor die Nase. „Kennst du das noch?", fragte ich, „das sind Nudeln". „Du bist so lustig", zischte sie und nahm ihre Gabel in die Hand. Als sei es die erste Malzeit in ihrem Leben fuhr sie vorsichtig mit der Gabel durch die Nudeln und betrachtete jede einzeln. „Los jetzt iss. Sie beißen schon nicht", sagte ich genervt und begann zu essen. „Das schaut ja echt gesund aus", meinte sie und nahm den ersten Bissen. „Mein Freund ist nun mal Fußballer, da bleibt mir nichts anderes übrig", entgegnete ich. „Ich hab schon seit einem Monat kein Selbstgekochtes mehr gegessen", erzählte sie. „Wie bitte?", fragte ich geschockt, „was hast du denn immer gegessen?". Sie zuckte mit den Schultern: „Wenn Tom gut drauf war haben wir bestellt und manchmal mussten eben die Zigaretten herhalten oder das Gras.. da vergisst man den Appetit schon mal ganz gerne". „Das sieht man", meinte ich und deutete auf ihre abgemagerten Arme. „Wir müssen deinen Körper wieder in Schuss bringen und dein Leben wieder auf Vordermann bringen", erklärte ich. „Und wie willst du das machen?", wollte sie wissen. „Du brauchst eine neue Wohnung, einen Studienplatz und einen neuen Freundeskreis", antwortete ich. „Ach du Scheiße", flüsterte sie. In dem Moment ging die Tür auf und Anni und Mario kamen hereinstolziert. "Ist Felix gar nicht dabei?", fragte ich. "Nein der muss heute endlich mal wieder länger trainieren, ich hab schon fast gedacht er ist nur zum rumschlabbern hier", erklärte Mario und gab mir einen Kuss. Anni legte ihre Tasche ab und kramte eine Kippe heraus. "Erst wird was gegessen!", ordnete ich ihr an und stellte ihr einen Teller mit Nudeln vors Gesicht. Sie schnaufte und setzte sich neben Svea. "Was machen wir denn heute Abend Schatz?", erkundigte sich Mario und setzte sich neben mich. Sein strenger Ernährungsplan ließ eine Zwischenmahlzeit wohl nicht zu, deswegen schnappte er sich eine Wasserflasche. "Was hast du denn vor?", grinste ich. "München bei Nacht?", schlug er vor. "Ähm Leute", schaltete sich Anni dazwischen, "ihr habt zwei Kinder und zwei Gäste hier". Mario zuckte mit den Schultern: "Die Kinder schlafen und die Gäste passen doch bestimmt gerne auf oder?". Anni schnaufte beleidigt. "Du darfst sogar dein Herzblatt einladen", fügte ich hinzu. Mit diesem Angebot war meine Schwester zufrieden. "Und bitte pass auch ein Bisschen auf Svea auf", fügte ich hinzu. "Übertreib nicht Jenna", zischte Svea und stocherte in ihrem Essen herum. "Nicht, dass du uns wieder abhaust", erklärte ich. Nach zehn Minuten hatten die Beiden ihr Mittagessen beendet und verschwanden zum Rauchen auf den Balkon. "Alles kann ich ihr nicht wegnehmen", meinte ich zu Mario, weil er mich schon wieder vorwurfsvoll ansah. Am Abend brachte ich die Kinder ins Bett und warf mich in ein schönes Kleid. Ich wusste nicht genau was Mario mit „München bei Nacht" meinte, doch meine neuen AirMax eigneten sich bestimmt super dafür. Mein Freund präsentierte sich in seiner gängigen Robe- kurze Jeanshose und ein Hemd darüber. „Fast dasselbe hattest du bei unserem ersten Treffen auch an", grinste ich und küsste ihn, als wir beide vor unserem großen Spiegel im Flur standen. „Das du das noch weißt", grinste er. „Ich könnte dir sogar noch sagen, was du bei unserer ersten Begegnung anhattest", meinte ich und küsste ihn nochmal. In dem Moment klingelte auch schon Felix an der Tür und das war unser Zeichen, dass wir gehen konnten. Ich persönlich war ziemlich froh, dass Svea noch dabei war und die Beiden nicht einen ganzen Abend Sturmfrei hatten. „Erklärst du mir jetzt endlich mal was wir heute machen?", fragte ich, als mir Mario die Tür zu seinem Audi aufhielt. „Wie wäre es mit einem romantischen Spaziergang im Olympiapark bei Sonnenuntergang?", schlug er vor und setzte sich ans Steuer. Sein Vorschlag klang fantastisch. „Los gehts", willigte ich ein. Heute hatte ich extra meine große Tasche mitgenommen, weil ich gut gepolstert eine Sektflasche zum Anstoßen mitgenommen hatte. Die Fahrt raus nach Milbertshoven war lange, doch das Wetter war traumhaft und es schien ein wunderbarer Abend zu werden. Im Gebiet um den Olympiapark herum fanden wir einen Parkplatz und liefen dann los. Langsam wurde es dunkler und die Sonne ging unter. Im Park war es überraschend ruhig, doch trotzdem konnten wir nicht ganz ungestöhrt spazieren gehen. Immerwieder kamen kleine und große Fans zu uns und wollten ein Bild von Mario oder von uns Beiden haben. "Müssten die nicht schon längst im Bett sein?", maulte Mario, als ein kleiner Junge, geschätzt sechs oder sieben Jahre, ein Bild bekommen hatte. "Ach bleib cool", lachte ich. Wir liefen am Olympiasee entlang und genossen die letzten schwachen Sonnenstrahlen, bis es auf einmal dunkel war. "Komm wir setzen uns auf den Hügel da", schlug Mario vor und zog mich einen der großen Hügel hinauf, von denen man das Olympiastadion und den See super im Blick hatte. "Oh Gott ist das schön", flüsterte ich und setzte mich auf den Boden. Mario legte seinen Arm um mich und seinen Kopf auf meine Schulter. Sein Geruch erfüllte meine Nase und ich bekam eine Gänsehaut. Der Moment war, wie alle anderen mit ihm an meiner Seite, magisch. Wir saßen da und redeten über Gott und die Welt, wie bei unserem ersten Date. Heute erinnerte mich sovieles an jenen Tag im August. Mario erzählte mir lustige Geschichten über Marco und seine Familie und ich hörte einfach nur zu und lachte mit ihm. Um halb zwölf hatte ich den Eindruck, dass fast keine Menschen mehr im Park waren, denn man sah niemanden mehr herumlaufen. Nur im Schwimmbad brannte noch Licht. Es war ein perfekter letzter Abend zuzweit. Wenige Minuten vor 12 Uhr holte ich den Sekt heraus und füllte ihn in kleine Plastikbecher. "Ich weiß, dass Jogi Alkohol nicht so gerne sieht, aber auf deinen 22. Geburtstag müssen wir einfach anstoßen", meinte ich und drückte ihm den Plastikbecher in die Hand. Nervös schaute ich auf die Uhr, die nicht aufhörte 23:59 Uhr anzuzeigen. "Genieß deine letzten Sekunden mit 21", lachte ich, ehe es endlich Mitternacht schlug. "Ich wünsche dir alles alles alles Liebe zum Geburtstag und alles was du dir wünschst!", rief ich und fiel ihm um den Hals. "Danke Schatz, aber ich hab doch schon alles", flüsterte er und drückte mir einen Kuss auf den Backen. Wir hielten uns lange im Arm fest. Gefühlte zehn Minuten, dann ließ er mich wieder los und wir stießen an. "Auf dich", flüsterte ich und drückte ihm einen langen Kuss auf den Mund.

Hallo & ein gutes Neues Jahr 2015 euch allen! Ich hoffe ihr seid alle gut reingerutscht & macht euch nicht allzuviele Vorsätze :-) Ich hoffe euch gefällt das Kapitel & Voten & Kommentieren ist wie immer SEHR erwünscht! In den nächsten Tagen werde ich nicht allzuviel Zeit haben zu schreiben, weil ich am Montag Geburtstag habe und deswegen noch ziemlich viel vorbereiten muss. Machts gut;)


Love never runs out (Mario Götze FF - ON HOLD)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt