"Wann sind wir endlich da? Ich kann mich nicht daran erinnern, dass es bei meiner Fahrt auch so lange gedauert hat!" Genervt warf sich Thomas gegen die Lehne seines Sitzes und starrte gelangweilt aus dem Fenster.
"Bruder, wir sind grad erst von der Einfahrt gerollt und mittlerweile hast du die Frage schon sechs Mal gestellt. Bist du dir sicher, dass du 21 bist?" Verwirrt beugte ich mich vor und schaute zu ihm in der mittleren Reihe des Autos. Wir hatten ein extra großes Auto gemietet, da wir immerhin zu acht und mit ganz viel Gepäck reinpassen mussten.
"Und deshalb wollte ich mit der Öffentlichen fahren. Mit euch acht Stunden hier eingesperrt zu sein, ist nicht unbedingt mein Traum." Auch Isabelle lehnte sich erschöpft zurück, wobei ihr Kopf auf meine Schulter fiel. Sie verstand einfach nicht, warum Thomas und Auralia uns begleiten musste. Immerhin hatte unser Rudel keinen Beta und niemand der Alpha Familie war im Haus. Ich weiß nicht, ob das sehr vorteilhaft ist, auch wenn aktuell Frieden herrscht.
"Hey sieh es doch mal positiv. Das ist die letzte Reise, die ihr als Familie unternehmen werdet. Immerhin werden wir vier Jahre das Internat besuchen und danach wird nichts mehr so sein wie früher." Aufmunternd sah uns Max an und ich musste den Versuch anerkennen, dass dieser Engel uns helfen wollte, aber er hatte leider zu sehr Recht.
Keiner antwortete auf seine Worte und er musste betreten feststellen, dass er etwas falsch gemacht hatte, aber wollte auch nicht den Grund erfragen. Es war nunmal so, dass der Alpha eine besondere Kraft besaß. Egal wie stark ein einzelner Werwolf war, der Alpha hatte mindestens eine weitere Stärke. Meistens hing es damit zusammen, dass er eine große Autorität und einen starken Einfluss auf Andere hat. Er könnte Untergestellten und Schwächeren seinen Willen aufzwingen und er hatte das Privileg, Menschen in Werwölfe zu verwandeln, was den Anderen verboten war. Außerdem hatte er als einziger die Kompetenzen ein Rudel anzuführen und die Grenzen der Reviere zu verändern.
Aber diese Kräfte waren begrenzt und erschienen nicht einfach aus dem Nichts. Man musste sie von anderen Alphas erben oder stehlen. Meistens wurde es an den Erstgeborenen weitervererbt und somit hing es an Thomas, unseren Vater zu töten. Ich hatte nur einmal gesehen, dass er darüber offen gesprochen hatte und das war am Tag der Enthüllung seines Erbes. Unser Vater hatte es auch mir und Leon erklärt, da wir beim Tod des Älteren die selbe Aufgabe erfüllen müssten.
Einen Wolf oder Menschen zu töten, war eine Sache, aber seinen eigenen Vater willentlich zu ermorden, war eine ganz andere. Zumal Thomas die Kräfte nicht nach einem natürlichen Tod übernehmen würde, sondern ihn noch in seinen jungen Jahren töten müsste. Das war die Bürde der Kinder eines Alphas.
Als Thomas darüber gesprochen hatte, konnte ich nicht das typische Glänzen in seinen Augen sehen. All die Ähnlichkeit zu unserer Mutter war verschwunden und er wirkte todernst. Ich hatte mich nicht getraut, das Gespräch mitzuverfolgen, jedoch war ein Fetzen hängengeblieben, den ich einfach nicht zuordnen konnte. 'Wenn ich wie damals die Wahl gehabt hätte, würde ich ihr immer dieses Privileg überlassen, aber ihr musstet alles kaputt machen. Rechtfertigt euch nicht dafür, ich werde euch niemals dafür verzeihen können, was ihr Ki angetan habt!'
Ich hatte ihn noch nie so wütend gehört und er meinte es ernst. Man merkte es nicht, aber aus irgendeinem Grund hasste mein Bruder unsere Eltern. Er ließ sich jedoch nie etwas anmerken und ich wüsste auch nichts davon, hätte ich damals nicht teilweise mitgehört.
Jedoch konnte ich meine Gedanken nicht richtig ordnen. Das monotone Atmen von Isabelle und diese Stille machten es mir nicht sonderlich leicht, meine Augen offen zu halten und irgendwann nickte ich ein. Wie lange ich geschlafen hatte, wusste ich nicht, aber als ich wach wurde, fuhren wir bereits durch einen dichten Wald.
Ich wollte mich aufsetzen und mir die Gegend genauer ansehen, doch lag Isabelle immer noch auf meiner Schulter und hatte sich an meinen Arm gekuschelt. Daher musste ich improvisieren. Ich merkte, dass nur Isabelle noch schlief, während die Anderen sich still beschäftigten. Also schaute ich auch stumm aus dem Fenster, soweit es jedenfalls möglich war.
Die dicht bewachsenen Baumkronen verdunkelten den klaren Himmel und ließen nur wenige Sonnenstrahlen durchdringen. Es roch nach nasser Erde und frischen Blättern. Es kribbelte förmlich in meinen Fingern. Ich wollte unbedingt raus aus diesem eingeengten Auto und als Wolf durch die Gegend rennen. Das musste ich dem Internat lassen, die Natur hier war wirklich schön.
Nach einer Stunde lichtete sich der Wald und ich war wirklich überrascht, dass rt so gigantisch war. Was war das für ein Ort? Immer mehr Sonnenstrahlen trafen das Auto, bis wir schließlich den Wald verließen und durch einen riesigen offenen Platz fuhren. Zwischen grünen Wiesen waren Steinwege gelegt, die in alle möglichen Richtungen führten und vereinzelt entdeckte ich Schüler und Lehrer. Ich folgte mit meinen Augen einem dieser Wege und merkte, dass die rot markierten Wege zu den Wohnhäusern führten, während wir einem blauen Weg folgten. Scheinbar hatten nicht alle eine so berauschende Orientierung.
Als wir dann einen Springbrunnen passierte, war mir Isabelles Schicksal egal. Ich sprang förmlich aus meinem Sitz und stützte mich aus dem geöffneten Fenster. Durch den Fahrtwind hörte ich nur dumpf das mürrische Grummeln meiner Adoptivschwester, doch die frische Luft tat einfach viel zu gut, als das ich ihren Standpauken hätte zu hören können.
Wir erreichten einen eng gepflasterten Weg und die holprige Fahrt hatte ein Ende. Die Wege waren gefüllt mit Schülern in dunkelblauen Uniformen und sogar Lehrern in schwarzen Roben. Wir folgten dem Weg, der für Autos gedacht ist und gelangten endlich an das riesige Gebäude. Von weiten hörte ich einige Jungs rufen, was ich denn da tat und ob ich nicht lieber zu ihnen springe, doch schenkte ich ihnen kaum Beachtung, denn das Internat war viel interessanter.
Ich konnte gar nicht schätzen wie breit oder hoch es war, aber das Gebäude schien die Wolken zu berühren und an die Wälder grenzen, obwohl das Internat genau in der Mitte dieser riesigen Lichtung war.
Das Gebäude selbst hatte einen hellen Grauton angenommen und wirkte sehr alt. Es war noch im alten Stil der Gotik gebaut mit einem riesigen Wappen über dem Haupteingang. Es stellte einen schwarzen und weißen Wolf dar, welche ineinander verschlungen waren und wie das Yin und Yang wirkten. Der weiße Wolf hatte ein goldenes Auge und der Schwarze ein Rotes. All das sollte die Harmonie der Wölfe darstellen. Der Alpha stand als Wolf immer noch auf der gleichen Stufe wie ein Beta, Omega oder anderen Wölfen. Wir lebten in Einklang und dieser Frieden sollte durch das Internat erhalten werden.
Wir fuhren an dem Gebäude vorbei zu einem riesigen Parkplatz, wo die verschiedensten Autos standen. Warum war hier überhaupt ein Parkplatz mitten im Wald? Schließlich hielt das Auto und wir mussten aussteigen. Sofort zog ich meinen Kopf wieder ein und wollte mich für Isabelles Standpauke bereitmachen, doch lag diese wieder schlafend in Max' Armen. Belustigt betrachtete ich den Wolf, wie sich friedlich vor sich hin schlummerte und niemanden für seine Dummheit anmeckerte. Das war ungewohnt.
Aufgeregt sprang Thomas auf, hievte sich über Leon und riss die Tür lautstark förmlich aus den Angeln. Mit einem Lächeln übers ganze Gesicht schaute er zu uns und schrie: "Willkommen im Lupus Luna Internat. Das wird euer Zuhause für die nächsten vier Jahre sein. Ihr werdet hier Freunde und Liebe finden, doch vergesst niemals, dass es für eure Zukunft in Frieden und Harmonie ist."
"Halt die Klappe, Schürzenjunge. Hier will noch jemand schlafen!" Grummelte Isabelle neben mir und kuschelte sich noch näher an Max heran. Leicht öffnete ich die Tür und konnte es kaum erwarten, dass sie bemerkte, was sie da grad tat. Und meine Erwartungen wurden übertroffen.
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If I hadn't met you
WerewolfVerstehst du denn nicht, dass es die einzige Chance ist? Töte ihn und ich komme zurück. Töte ihn und ich kümmere mich um das Rudel. Töte ihn und wir werden diesen Feind ein für alle mal los. Es spielt jetzt auch keine Rolle mehr... auch wenn er dein...