Kapitel 98

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"Sie sind also Tyra Kyle, der letzte Jäger und sie sind Lord Whitenight, der Alpha der weißen Wölfe, richtig?" Ich saß im Schneidersitz auf dem Boden und schaute von der Frau mit den schwarzen Augen zu dem jungen Mann, der erschöpft auf einer Matte lag.
"Korrekt, kleiner Mister." Tyra Kyle setzte sich nun endlich auch hin und lehnte sich erschöpft gegen den jungen Alpha.
"Kannst du das lassen?" Genervt wollte Lord Whitenght Lady Kyle von sich drücken, aber hatte offensichtlich nicht genügend Energie dafür, weshalb er nur halbherzig gegen ihre Schulter boxte und dann den Arm sinken ließ.
"Das ist meine wohlverdiente Belohnung." Zufrieden machte sie es sich gemütlich und öffnete die Flasche in ihrer Hand. Ein stechender Geruch erfüllte den Raum und ließ Lord Whitenight genervt ausatmen.
"Wohlverdient? Du trinkst Alkohol in einem Raum voller kranker Kojoten. Du hast kaum was gemacht."
Sie nahm einen großen Schluck. "Schnauze. Meine Anweisenheit sollte für dich Heilmittel genug sein."
Ich beobachtete sie eine Weile. Lord Whitenight versuchte sie ständig von der Matte zu schieben, aber sie hatte eindeutig mehr Kraft und warf sich am Ende nur auf den Werwolf und nahm ihn in den Arm, auch wenn er sie nur von sich drücken wollte. Das kam mir sehr vertraut vor. "Seid ihr Geschwister?" Platzte es dann einfach aus mir heraus.
Sofort stoppten beide und starrten mich schockiert an. Der Ekel war deutlich in Lady Kyles Gesicht geschrieben. "Wir beide? Ich würde lieber meine eigenen Zehen abschneiden und essen, als zu erfahren, dass ich mit diesem Loser verwandt bin."
"Ich würde mich eher Häuten lassen, als mehr Zeit als nötig mit ihr zu verbringen. Die Frau wollte mich öfter umbringen, als ich zählen kann."
"Es ist nicht so, dass du es nicht verdient hast." Lachend kippte sie ihren Alkohol über Lord Whitenight aus und sprang sofort von der Matte, als er mit seiner Klaue nach ihr schlagen wollte.
"Ich hatte nichts damit zu tun!"
Ein Lachen huschte über meine Lippen. "Euch ist schon klar, dass ihr sehr nach Geschwistern klingt, oder?" Ich schlug mir meine Hand vor den Mund. Wer war ich, so mit diesen hochrangigen Tieren reden zu dürfen?
Beiden schauten langsam von mir zu sich, starrten sich einen Moment an und verzogen dann wieder das Gesicht. "Isst man seine Zehen eher mit Reis oder Kartoffeln?"
"Wo ist mein Messer?"
Mein Lachen platzte aus mir heraus. Ich konnte eindeutig mich und meine große Schwester in ihnen sehen. Wenn ich mich richtig daran zurückerinnere, wurde ihr Gesicht aus ihrem Kopf herausgerissen.
"Lord Whitenight?" Fragte ich, nachdem ich mich endlich wieder beruhigt hatte. "Haben sie jemals eine junge Frau namens Hayley Goldenforest vergewaltigt?"
Lady Kyle prustete ihr Trinken aus und all der übrige Alkohol landete auf mir. Lord Whitenight dagegen wirkte nicht allzu amüsiert. "Wie kommst du darauf?"
"Meine Schwester wurde vor vier Jahren von einem Mann mit dem Namen Whitenight vergewaltigt und hat sein Kind ausgetragen. Wir wissen nicht, was mit dem Kind passiert ist, aber das Kind ist der Grund, warum sie nicht mehr am Leben ist." Bevor ich mich zu den beiden gesellen konnte, kam der junge Lawrence Morgan vorbei, um mir zu berichten, dass meine Schwester verstorben ist. Ich bin zwar davon ausgegangen, aber irgendwie war es schon belastend. Ich hatte nun niemanden mehr. Lady Williams berichtete mir, dass keiner sie umgebracht hätte, sondern das Fluchmal auf ihrer Brust ihr Leben beendet hat, nachdem sie vom Nagual kontrolliert wurde und die beiden Alliierten bekämpfen wollte. Ich hatte niemanden mehr und irgendwie hatte sich der Wunsch in meinem Inneren entwickelt, dieses Kind finden zu wollen.
Eine Weile starrte mich der Alpha an und drehte sich dann auf seinen Rücken. "Du musst meinen Vater meinen. Mein Name ist Christopher Whitenight. Mein Vater hatte vor vielen Jahren damit begonnen, junge Frauen zu vergewaltigen, da er seinen Mate nicht gefunden hat, aber Erben wollte. Als ich dann geboren wurde, brauchte er keinen anderen Erben mehr, da ich als Alpha geboren wurde. Ich hatte eigentlich gedacht, er hätte nach mir aufgehört, aber es scheint wohl, ich habe mich geirrt. Mich wundert es aber, dass er dafür extra zum Nolan Rudel gegangen ist."
Nun starrte ich den jungen Alpha an. "Dann bin ich also der Onkel eurer Halbschwester oder eures Halbbruders?"
Seine Augen weiteten sich. "Versteh mich nicht falsch, aber Familie bedeutet mir kaum was. Ich habe nie meine Mutter kennengelernt, ich stamme aus einer Vergewaltigung, mein Vater will mich nur wegen meiner Kraft, mein Vater hat auch meine Tante verstoßen, um selbst Alpha zu werden und meine eigene Cousine wurde von einem fremden Rudel aufgenommen. Es scheint, es gibt auch noch unglaublich viele Geschwister meiner Wenigkeit in dieser Welt, aber das bedeutet mir nichts. Hat es nie und wird es veraussichtlich auch nicht. Nimm es mir nicht übel, aber du könntest mir nicht mehr egal sein."
Lachend klopfte Lady Kyle ihm auf seine nasse Schulter. "Der kleine Prinz ist nur betrübt, da sein Mate ihn verlassen hat. Er meint es nicht persönlich."
"Schnauze." Grummelte er und vergrub sein Gesicht in einem Kissen.
"Nennst dich mich Onkel Eric?"
Ein Kissen flog direkt auf mich zu und landete in meinem Gesicht. Es folg so schnell, dass ich nicht rechtzeitig reagieren konnte. Ich bekam erneut eine fette Ladung Alkohol ab. "Vergiss nicht, dass ich immer noch ein Alpha bin. Werd nicht frech, kleiner Mann."
"Ich bin 19 Jahre alt. Warum behandeln mich alle, als würde ich ein kleiner Junge sein?"
"DU BIST WAS?" Schrien mich beide gleichzeitig an. Sah ich so jung aus?
"Ich habe aber auch noch eine Frage. Warum wirkt Lord Whitenight so krank?"
"Es scheint, Kojotenblut fließt durch meine Adern. Das erklärt auch, warum einer der Drei Könige mal als Kojote und mal als Hybrid bezeichnet wird. Mein Vater muss ein inaktiver Kojoten-Werwolf-Hybrid sein. Ich kann aber auch nur wach sein, weil mein Werwolfgen so dominant ist." Er sagte das so selbstverständlich, obwohl ich nichts verstand. Er schien meine Verwirrung zu erkennen, aber schüttelte nur den Kopf. "Musst du nicht verstehen."
"Muss ich dann verstehen, warum ihr alle nur so nutzlos in der Ecke liegt? Die Kojoten werden nicht von alleine gesund!" Eine junge Frau mit leuchtend roten Augen betrat den Raum und ließ Lady Kyle sofort aufsprungen. "Lass stecken. Du musst nicht einen auf engagiert machen. Ich weiß genau, dass du eigentlich mit mir tauschen willst."
Lady Kyle nickte. "Ich will meinen Mate beschützen und du deinen. Es wäre besser, wenn ich den Außendienst übernehme und du dich um Henry kümmerst. Lass tauschen!"
Die junge Frau blieb stehen und starrte den Jäger an. "Grade weil sie unsere Mates sind, sollten wir getrennt arbeiten. Du würdest keine rationalen Entscheidungen treffen können und ich würde mich nur um diesen Sack Dreck kümmern, sollte ich mich die Pflege übernehmen sollen. Caliria hat uns nicht grundlos so eingeteilt."
Genervt setzte sich Lady Kyle wieder auf den Boden. "Ich hasse es, wenn Füchse recht haben."
"Es tut mir leid, das sagen zu müssen, aber wir haben erstaunlich oft recht." Die junge Frau kam immer näher und blieb neben mir stehen. "Ich weiß, dass du wach bist, Whitenight. Wir haben aber immer noch keine weiteren Informationen über Olivia oder Jiaki gefunden. Leonards Aufenthalt ist uns immer noch ein Rätsel, aber wir haben eine Spur. Du musst nur etwas durchhalten."
Lord Whitenight schüttelte wieder den Kopf. "Ich mache mir zwar unglaubliche Sorgen um Olivia, aber Marco schwebt in Lebensgefahr und Isabelles Zustand ist uns auch ein einziges Rätsel. Ich will eigentlich nur raus, aber das würde meinen Zustand nur verschlimmern. Lasst mich einfach alleine."
Die junge Frau packte meinen Arm und zog mich in die Höhe. "Ich bin Yako. Auralia-San hat dir vermutlich von mir erzählt. Ich werde mich erstmal um die kümmern, da Tyra ganz offensichtlich nicht dafür geeignet ist." Lady Kyle zog nur eine Grimasse, ließ uns aber ohne einen weiteren Kommentar abziehen.
Wir verließen den großen Raum voller kranker Werwölfe und liefen den langen kalten Gang entlang. Der Winter stand bald an und das machte sich deutlich bemerkbar. "Hast du irgendwelche Fragen? Solange wir laufen, kann ich dir jede Frage beantworten."
Ich überlegte kurz. "Was ist die aktuelle Situation?"
"Lady Caliria Miyarayo hat den Platz der Luna eingenommen, da sie auch schon die Luna zur Zeit des alten Alphas war. Sie plant mit Thomas Blackstorm, dem aktuellen Alpha, einen Weg zu finden, die Kojoten zu retten, die Chimären zurückzuholen und den Krieg zu beenden. Die beiden Gray-Geschwister arbeiten an einem Heilmittel der Kojoten, waren aber noch nicht erfolgreich. Die meisten Werwölfe konnten nach Lupus Luna gebracht werden, weshalb Tyler Silverstone vermutlich früher kommen kann, um dich abzuholen, als erwartet."
Ich nickte. "Was ist zwischen Lady Gray und dem Alpha Lord Blackstorm geschehen?"
"Ich habe keine genauen Informationen, aber es heißt, Thomas Blackstorm habe seinen Vater umgebracht, obwohl es nicht Teil des Plans war. Aus irgendeinem Grund hasst Auralia ihn dafür, aber sie hat mir nicht verraten, warum."
"Wer ist Isabelle?"
Yako zögerte. "Sie ist ein Ripper."
Sofort blieb ich stehen. Ich hatte gar keine gute Erfahrung mit diesen Monstern. Ich weiß, dass ihnen die Selbstbeherrschung fehlt, aber die Art und Weise, wie sie ihre Opfer auseinandernehmen, ist wirklich zu viel für mich und ich habe dabei zugesehen, wie meine gesamte Familie abgeschlachtet wurde, nur um dann verraten zu werden.
"Ich kann mir denken, was grad durch deinen Kopf geht, aber das ist nicht das Problem. Isabelle möchte nur ihre Schwester retten, aber muss dafür stärker werden, was darin resultiert, dass auch ihr Ripper stärker wird. Sie musste in ein Koma versetzt werden, da der Ripper an die Oberfläche dringt, wenn sie ohnmächtig ist. Das bedeutet, dass der Ripper vollkommen immun gegen den Fluch der Darachs, aber unkontrollierbar ist."
Ich wusste wieder nicht, was ich darauf antworten sollte. "Ist Lady Williams single?"
Ein Lachen platzte aus Yako heraus. "Das willst du wissen? Nun gut, wenn es dein Wunsch ist. Sie ist vergeben."
"An wen? Wer hat diesen wunderbaren Menschen verdient?"
"Ihr Mate, Lawrence Morgan." Überrascht starrte ich den Fuchs an. "Ich war auch überrascht, aber man kann sich nicht aussuchen, wer sein Mate ist. Man kann nur darauf hoffen, sich so innig mit ihm zu verstehen, wie es die beiden tun. Ich konnte es mir auch nicht aussuchen, aber Henry ist ganz okay."
"Warum verraten sie mir all diese vertraulichen Informationen?"
"Weil auch ich eine Bitte an dich habe." Davon hätte ich eigentlich ausgehen können. "Mein Bruder ist immer noch in Lupus Luna und ich habe keinerlei Möglichkeit, mit ihm in Kontakt zu treten. Ich sorge mich um ihn und will, dass du ihm einfach nur ausrichtest, dass er nach Hause kommen soll."
Ich nickte langsam. "Und was machen wir jetzt?"
Wir waren stehengeblieben. Es war erneut eine schwere Tür, die sehr mächtig wirkte. "Du darfst die Betten neu beziehen. Viel Spaß."

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