Kapitel 74

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"Du bist wirklich etwas leichtsinnig. Ich werde dir das bis an mein Lebensende übel nehmen." Sauer linste Lawrence zu mir rüber, als ich noch eine Schluck der bitteren Medizin nahm. "Du hättest sterben können. Wäre es das wert gewesen?" Als ich nicht auf seine Prädigt reagierte, stieß er sich vom Auto ab und zerrte an meinem Arm. "Ich rede mit dir! Hättest du mit dem Gewissen leben können, wegen so einer Tat zu sterben?"
Langsam ließ ich die Medizin sinken und starrte ihn entgeistert an. "Dir ist schon klar, dass wir uns auf einem Trainingsplatz der Kojoten befinden, oder? Der Biss ist für alle tödlich und beim Training kann es aus Versehen mal zu einer Bisswunde kommen. Glaubst du wirklich, dass die Kojoten nicht auf so etwas vorbereitet sind?"
Schweigend ließ Lawrence meinen Arm los und lehnte sich wieder an das Auto. "Es ist trotzdem nicht akzeptabel. Mach so was nie wieder!"
Ich nickte nur stumm und nahm einen weiteren Schluck der Medizin. Ich hasste bitteres Zeug, aber was sein muss, muss sein. Das Gift eines Kojoten ist äußerst gefährlich. Wenn man es nicht sofort behandelte, könnte man innerhalb weniger Minuten sterben und das nicht auf die angenehme Weise. Ich wusste zwar nicht, wie man sterben würde, da es keine Quellen aus erster Hand gibt... offensichtlich, aber die paar Minuten, die das Gift meine Adern durchfloss, waren mehr als genug. Ich hatte mich so kraftlos und leer gefühlt, dass mir Dunkelheit sogar lieber gewesen wäre.
"Was genau soll meine Aufgabe sein?" Die Fahrertür öffnete sich und Jayden Archer stieg aus dem Auto, an dem Lawrence und ich lehnten.
Wir wusste aber auch nicht so recht, was das hier alles sollte. Max ist einfach gekommen und meinte, mein Vater wolle uns in die Menschenwelt schicken, um Spaß zu haben. Ich wusste wirklich nicht, was ich mit so einem Auftrag anfangen sollte. Das war total untypisch für... irgendeinen Werwolf. Es war doch viel zu gefährlich, zumal wir bereits in den Kriegsvorbereitungen steckten.
"Ihr sollt uns begleiten und beschützen, sollte irgendwas schiefgehen, Sir Archer." Max betrat den Platz und hielt ein Bündel voller Geld in der Hand. "Keiner von uns kann außerdem Auto fahren, weshalb wir euch ausnutzen müssen. Ich hoffe, das ist okay." Natürlich hätte Jayden niemals nein sagen können, weshalb er nur etwas verwirrt nickte.
"Brauchen wir noch irgendwas? Essen? Trinken? Einen Kindersitz?" Ich konnte sehen, wie leichte Panik in Jayden aufstieg und er sich fragend umblickte. Kindersitze? Wie diese Erhöhungen in Menschenautos, damit die Kinder richting angeschnallt werden konnten? Wenn Werwölfe zu klein für ihre Sitze sind, wirft man sie in den Fußraum und hofft, dass sie nicht durch den Raum geworfen werden, wenn man zu scharf bremst. Warum sollten wir so was brauchen, zumal die jüngsten von uns 16 sind.
"Also für Klein Blackstorm brauchen wir wirklich einen. Schaut sie euch an. Sie ist so klein und zierlich. Wenn wir das nicht machen, stirbt sie noch." Grinsend kam uns Shang entgegen, der Marco im Arm hielt. Ein reizender Auftritt. Ich konnte ihm auch nur einen Grimasse schneiden, da Jayden sich nervös umschaute.
"Sind das alle? Ich kann mich doch nicht um so viele Kinder kümmern. Ich habe keinerlei Erfahrung damit!" So sah er auch aus. "Ich weiß nicht, wie man mit Kinder umgeht. Braucht ihr einen Stall? Was macht man mit hungrigen Kindern? Was soll ich tun? Betreiben Kinder Fotosynthese?"
Sofort drehten wir uns alle in Jaydens Richtung, der uns halb verzweifelt und halb verwirrt anstarrte und die Arme in die Höhe riss. Was hatte der bitte sein ganzen Leben gemacht, wenn er nicht mal wusste, dass wir nicht wachsen wie Pflanzen?
"Das klingt ja grauenhaft. Daddy hätte uns ruhig eine bessere Begleitung andrehen können!" Lachend stieß Alexandra auf uns und ich war wirklich erleichtert, sie zu sehen. Sie gehörte zu den wenigen unserer Truppe, die wusste, wie man irgendwie überlebt. Ich will nicht sagen, dass wir nur wissen, wie man kämpft oder in Gefahrensituationen um sein Leben kämpft, aber wenn ich sage, wir könnten uns in der Menschenwelt alleine Essen bestellen, wäre das gelogen. "Ich habe übrigens noch jemanden mitgebracht. Ich hoffe, dass es für euch okay ist, wenn sie mitkommen." Grisend breitete Alex ihre Arme aus und präsentierte uns zwei Menschen, die auf das Auto zuliefen.
"Ich kotz im Strahl." Platzte es mir heraus. Doch ehe jemand antworten konnte, stellte sich Shang vor mich und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Wo warst du? Ich und mein Körper haben dich vermisst." Grisend und von oben herab betrachtete er die kleinere Gestalt von beiden. "Wenn du noch länger weggeblieben wärst, wäre ich über deinen Freund hergefallen. Und dabei hatte ich letzte Woche einen so schönen Dreier für uns geplant."
Lachend kam die kleinere Gestalt näher und klopfte Shang auf die Schulter. "Es tut mir wirklich leid. Aber ich hoffe wirlich, dass du deine Hand nicht überanstrengen musstest. Ich bin ja jetzt wieder da, mein großer Junge." Verführerisch stupste sie ihm auf die Nase und wirbelte um ihn herum, bis sie vor mir stand.
Neben mir hörte ich nur Max murmeln: "Kann man das noch umtauschen?" Und ich vernahm auch, wie Marco leise zustimmte und nach einer Adresse für das Tauschwarengeschäft fragte.
Die Augen der Person betrachteten mich mit einem freudigen Blick und einem viel intensiveren Blauton als ich ihn kannte. Ihre Haare hatten auch eine viel hellere Farbe angenommen, die ich nicht mal als helles blond bezeichnen konnte. Ihre goldenen Locken sind in den letzten Wochen anscheinend verschwunden und erinnerten nun stark an das Platinblond der Silverstones. "Hat dich der Stress alt werden lassen?" Grisend drückte ich dem perplexen Lawrence meine Medizin in die Hand und stieß mich vom dreckigen Auto ab.
"Es war erstaunlich entspannend ohne dich. Ich musste mal nicht rumschreien, weil du dein Leben nicht im Griff hast." Als ich vor der Person stand und sie mir antwortete, fuhr sie mir kurz durch meine schwarzen Haare. "Deine Haare sind gewachsen. Von dir kann man der eher weniger behaupten."
Sofort schlug ich ihre Hand weg und grinste sie an. "Ich habe dich kein bisschen vermisst. Kannst du deshalb wieder zurück zu Tyra und Ki gehen, Whitenight?"
"Das kannst du vergessen. Ich bin hier, um zu bleiben, Blackstorm." Einen Moment lang starrte wir uns an. Ich starrte in ihre intensiven blauen Augen und sie in meine furiosen braunen Augen.
"Was soll denn das?" Verwirrt taumelte Jayden um das Auto herum, verlor dabei seine Brille und schob mich und Isabelle Reddinson oder eher Isabelle Whitenight auseinander. "Wollten wir uns nicht vegnügen?"
"Xuezhang wird sich sicherlich vergnügen können, da Isabelle und Christopher endlich wieder da sind." Ich erhielt ein verächtliches Schnauben von Shang, aber als ich zu ihm sah, zuckte er nur mit den Schulter, als wolle er sagen: Unrecht hat die Kleine nicht.
"K-" Irritiert starrte Jayden durch die Runde. "Können wir jetzt einfach dahin fahren, wo uns der Alpha haben will?" Bittend schaute er uns an und endlich erbahmte sich Lawrence seiner. Und nach seinem Befehl stiegen wir in das große Auto ein.
Doch ehe ich da Auto betreten konnte, packte mich jemand am Arm und zog mich zurück auf den Waldboden. "Bekomme ich keine Begrüßung?" Von oben herab starrten mich goldene Augen an, die voller Hoffnung schimmerten.
"Hast du es dir denn verdient, Whitenight?" Ich drückte ihn nicht von mir, sondern ließ ihn meine Arme weiterhin umklammern, aber ich hatte auch nicht vor, selbst die Initiative zu ergreifen.
"Ich habe alle Tests deiner Schwester bestanden und Tyra verdächtigt mich auch nicht mehr des Verrats. Dein Vater hat mir und Isabelle die Freiheit geschenkt, also denke ich schon, dass ich es irgendwie verdient haben muss."
Ich wollte irgendeinen zynischen Kommentar abgeben, aber Alex kam mir zuvor. "Seid ihr dann soweit? Die Buden lassen sich nicht alleine ausrauben. Ich war zwar noch nie in einem Vernügungspark, aber mir bereitet es ein Vergnügen, Leute über's Ohr zu hauen. Also steigt endlich ein und seid nicht so hetero. Marco bekommt sonst noch einen Ausschlag!"
Mit großen Augen starrte mich Christopher an, aber ich fing nur an zu lachen und stieg mit ihm ein. Ich wusste immer noch nicht, warum wir in einen Vernügungspark sollten, aber wenn man Leute betrügen kann, soll es mir recht sein.

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