Kapitel 87

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Ich hörte die Allianz feiern. Ich konnte es ihnen nicht übel nehmen, da wir einen Sieg davongetragen hatten. Wir konnten die Darachs schwächen, aber ich wollte den Klang von freudigen Stimmen nicht hören. Ich habe etwas furchtbares getan und das galt auch für die anderen. Wir waren Mörder, aber keinen schien das zu kümmern.
Ich starrte gegen die Decke. Ich lag wieder auf derselben Couch, die früher ein Paradis für Kinder war, aber mich jetzt nur noch aufnahm, wenn ich aufgeben wollte. Eine Gestalt trat an die Couch heran. "Komm her." Ohne zu zögern, folgte ich dieser Aufforderung und ließ mich in zwei starke Arme fallen.
"Bin ich ein Monster?" Fragte ich und hörte meine schwache Stimme. Ich merkte auch, wie ich mich verzweifelt an die große Gestalt klammerte, aber ich konnte nicht anders. Ich fühlte mich ohne ihn so unglaublich verloren.
"Nein, das bist du nicht. Du willst nur das beschützen, was dir wichtig ist. Diese Welt lässt lediglich nur nicht zu, dass du es auf friedvolle Art und Weise machen kannst. Es ist nicht deine Schuld. Du bist kein Monster." Ich wollte ihm glauben, aber ich konnte nicht. Ich habe acht Personen getötet und noch viele mehr verletzt.
Es hat seinen Grund, warum ich mit dem schwarzen Tod zusammenarbeite. Auch ich bin als ein Monster bekannt, das seine Gegner in Fetzen reißt und im Kampf keinerlei Gnade zeigt. Leider kann ich mich an meine Taten kaum erinnern. Man nennt mich den Ripper, aber ich weiß nicht, was ich tue. Ich sehe nur die zerfetzten Leichenteile und weiß, dass ich das getan habe, wenn ich wieder zu mir komme, aber das war's auch.
"Ich kann das nicht mehr." Ich hörte, wie ich schluchzte und mekte auch, wie meine Tränen liefen, aber ich konnte sie nicht aufhalten oder etwas dagegen tun. Ich fühlte mich soweit weg, aber spürte alles direkt in meiner Seele. "Chris, ich kann das nicht mehr!"
Beruhigend strich mir mein Cousin über den Rücken und drückte mich noch näher an sich, damit ich wusste, dass ich nicht alleine bin. Doch ich fühlte mich dennoch so hilflos. Ich wollte stärker werden, um meine Familie zu beschützen, aber ich scheine nur stark geworden zu sein, um anderen Leid zu bringen.
Mein Kopf schoss in die Höhe. "Warte!" Schrie ich Chris schon fast an und versuchte, mich aus seinem Griff zu lösen. Er war viel zu verwirrt, als dass er mich hätte aufhalten können und ließ mich deshalb gehen. Ich rannte die Treppe hinauf und direkt in mein Zimmer. Ich ignorierte dabei die Tatsache, dass ich die Tür aus den Angeln riss und sie scheppernd zu Boden fiel.
Ich riss eine Schublade aus meinem Nachtschränkchen und hebelte schnell den Boden dieser Schublade hinaus. Dort kam es zum Vorschein.
Ich erinnerte mich an die Worte des jungen Naguals. Er sprach von einer Botschaft, die Olivia nicht erhalten hatte. Die einzige Botschaft, die nur sie hätte sehen können, musste sich in der Box befunden haben. Mir wurde erklärt, dass ein Paket mit den Überresten Leons angekommen ist und Chris versucht hatte, Olivias Blick abzuwenden. Aber was ist, wenn sich dort mehr als das Fleisch befunden hat? Was ist, wenn Chris es zum Schutz Olivias entnommen hatte? Und was ist, wenn dieses etwas der Zettel aus Pergament ist, den ich für Christopher zerstören oder verstecken sollte. Und was ist, wenn dieser Zettel eine Botschaft für Olivia enthielt?
Zitternd hielt ich den dreckigen Zettel in meinen Händen und starrte ihn an. Ich wusste nicht, was mich erwarten sollte, aber die Anwesenheit des Zettels allein machte mich sehr nervörs. Versichtig faltete ich ihn auseinander. Und dann wurde er mir aus der Hand gerissen.
Schockiert drehte ich mich um und wollte ihn zurückholen, aber ich stoppte. Hinter mir stand Olivia mit ihren kalten Augen und las den Inhalt des Zettels. Als wir zurückgehen sollten, hatte sie mich wieder bei meinem Vornamen genannt und ich dachte, ich würde endlich die alte Olivia wiedersehen, aber als sie ihren Blick hob, verlor ich jeglich Hoffnung dazu.
Ihr Blick war voller Hass. Ohne auch nur eine Emotion in ihrer Seele zu verdecken, zeigte sie mir das, was sie für mich empfand. Reinen, bodenlosen Hass und Verachtung. "So ist das also?" Fragte sie mich und lächelte leicht. Aber dieses Lächeln wirkte wie eine Grimasse. Ihre Augen sprühten vor Hass und das Lächeln unterstrich es nur noch deutlicher.
Ich wusste nicht, was sie gelesen hatte, aber es war ganz offensichtlich etwas furchtbares. "Olivia, warte!" Ich wollte ihre Hand packen, aber sie schlug mich sofort von sich. Meine Hand brannte und mein Herz schmerzte. Warum schaute sie mich so an? Ich wollte nicht, dass sie mich hasste! "Christopher hat mir diesen Zettel gegeben und meinte, ich solle ihn zerstören. Ich weiß nicht, was darin stand. Bitte, verzeih mir." Verzweifelt wollte ich wieder nach ihrer Hand greifen, aber ihr Lachen ließ mich stoppen.
Es war voller Verachtung. "Du und Christopher also?" Sie stoppte und schaute mich mit einem eiskalten Blick an, der sich für immer in meinen Kopf brannte. "Wieso bin ich nicht überrascht?" Und mit diesen Worten verließ sie mein Zimmer.
Ich war wie paralysiert, aber ich konnte sie auch nicht einfach gehen lasse. Ich zwang meine Beine in Bewegung und lief ihr hinterher. Als ich das Wohnzimmer betrat, stand sie schon neben Jiaki und Tyra, die sie fragend musterten.
"Ihr hattet recht. Man kann Whitenights wirklich nicht über den Weg trauen." Und mit diesen Worten drückte Olivia ihrer Schwester den Zettel in die Hand.
Christopher schien sofort zu verstehen und sprang auf. "Nein, hört auf!" Schrie er und wollte ihnen den Zettel nehmen, aber Tyra griff nur nach seiner Hand und überwältigte ihn. Keiner konnte Tyra im Nahkampf besiegen.
"Was steht da?" Fragte sie dann, als Christopher keine Möglichkeit mehr hatte, sich zu bewegen. Sein Blick wanderte zu mir und ich konnte ihn nur entschuldigend anstarren.
Ich hatte ihn verraten, da ich mich vor Olivias Hass mehr fürchtete, als mir unser Vertrauen lieb war. Das hatte er nicht verdient und trotzdem verriet ich ihn für meine eigenen Zwecke. Wieso musste er immer so leiden und von allen ausgenutzt werden?
Jiaki räusperte sich und starrte direkt auf den Zettel. "Hier ist ein kleines Geschenk für euch von uns, dem Darach-Rudel. Ich bin mir sicher, dass es der Prinzessin gefallen wird. Wenn sie möchte, dass dieser Junge lebt, sollte es die Familie sein, die ihn rettet. Wir warten jeden Freitag in der Nacht auf euch, bis die Frist abläuft im neutralen Gebiet im Norden. Wir wären bereit, ihn den Chimären zu übergeben. Wir werden euch erwarten. Bis dahin, gutes Gelingen. Unterzeichnet: Die drei Könige."
Langsam ließ sie den Zettel sinken und starrte Tyra an. Tyra starrte zurück, aber irgendwas ist dem Hass gewichen. Es sah aus wie... Angst. "Ich kümmere mich um die Verräter. Kümmert ihr euch lieber um Leonard. Heute ist der letzte Freitag. Beeilt euch lieber."
Sofort nickten die Blackstorm-Schwestern und wollten schon das Haus verlassen, als Christopher panisch das Wort ergriff. "Das ist eine Falle! Ich wollte nicht, dass ihr das seht, da ihr mit Sicherheit hingehen werdet. Ich wusste das. Es ist doch offensichtlich, dass ihr ihn nicht wiederbekommen werdet. Das ist eine Falle! Sie wollen uns schwächen, wie auch wir sie geschwächt haben! Er soll den Chimären wiedergegeben werden? Das schreit doch ganz offensichtlich danach, dass nur Chimären kommen dürfen, welche unsere stärkste Kampfkraft sind. Sie wollen uns nur schwächen!"
"Uns?" Olivia blickte auf Christopher hinab, als hätte sie nichts anderes gehört als erbärmliche Worte. "Leon ist einer von uns. Du bist einer von denen." Und das waren die letzten Wort, die Olivia an Christopher richtete, ehe sie mit ihrer Schwester in der warmen Nacht verschwand.
"Tyra! Bitte. Du liebst doch Jiaki. Wie kannst du sie dann einfach gehen lassen?" Christopher wand sich, aber wenn Tyra einen im Griff hat, dann wird man selbst als Alpha keine Chance mehr haben, sich von alleine zu befreien.
"Und ich dachte, du liebst Olivia und würdest sie niemals belügen. Man kann sich wohl immer täuschen." Die Verachtung in Tyras Stimme ließ mich zusammenfahren. Ich konnte das nicht mehr ertragen. Wieso musste das geschehen? Olivia wird bestimmt sterben!
Christopher schwieg. Sie hatte leider nicht unrecht. "Kann ich mal kurz den Zettel sehen?" Bittend versuchte er Tyra anzusehen, aber sie lachte nur auf.
"Wie bitte? Glaubst du echt, dass ich dir auch nur einen Millimeter über den Weg traue?" Ihr Griff wurde fester, was man am schmerzverzerrten Gesicht Christophers sehen konnte.
"Tyra, bitte. Ich muss was überprüfen." Das Flehen in seiner Stimme versetzte mir Stiche ins Herz und im nächsten Moment befand ich mich plötzlich vor Tyra. Ich wusste nicht, was geschehen ist, aber meine Hand fuhr in die Höhe, packte ihren Nacken und zerrte sie von meinem Cousin.
Sie war zu schockiert und konnte sich deshalb nicht verteidigen, aber das war auch nicht nötig. Das gleiche Gefühl hatte ich auch immer, wenn ich jemanden als Ripper ermordete und als mir das bewusst wurde, ließ ich sie los, als hätte ich mich an ihrer Haut verbrannt.
Sofort sprang Christopher auf und nahm den Zettel in die Hand. Er überflog den Inhalt und stoppte bei einer Passage. "Tyra, wir müssen nach Norkaru."
Verwirrt rappelte sich der Jäger auf und starrte den jungen Whitenight an. "Warum sollte ich mit dir in dein Rudel? Der Stützpunkt war mit eurem Rudel verbunden. Ich werde mich ganz bestimmt nicht in die Höhle des Löwen begeben."
Doch Chris ließ sich davon nicht beirren. "Du weißt doch bestimmt, was die drei Könige sind."
Tyra verkrampfte sich. "Wieso?"
"Ich habe in einigen alten Unterlagen diese Bezeichnung schon mal gelesen. Sie sollen der Grund für mysteriöse Angriffe auf mein Rudel gewesen sein, als mein Vater noch Alpha war. Wenn wir diese Unterlagen finden, finden wir vielleicht auch mehr über die drei Könige heraus."
Tyra zögerte. "Du hast keine Ahnung, was für Monster die drei Könige sind."
"Ein Hybrid, ein Nagual und ein Darach. Die drei Könige sind die drei Anführer des Darach-Rudels und Drahtzieher allen Leids." Wir drehten uns alle um und entdeckten Max hinter uns. "Ein Kojote hat überlebt und uns alles freiwillig verraten, ehe er gestorben ist. Diesmal war die Paralyse nicht so stark, dass sein Herz stoppte. Er ist lediglich am Blutverlust gestorben, aber hat uns mit Freuden berichtet, dass sich die Basis in Norkaru befindet und von den drei Königen angeführt wird. Er wusste nicht, was ihr Ziel ist, aber sie müssen aufgehalten werden."
Schockiert starrte ich ihn an. Also waren die Whitenights doch mit ihnen im Bunde. "Dann kannst du mir doch vertrauen!" Sofort packte Chris Tyras Arm. "Die Basis befindet sich nur in Norkaru. Er hat nicht gesagt, dass mein Rudel involviert ist. Lass uns gehen!"
Tyra zögerte wieder. Sie wusste vermutlich, dass es gefährlich war, aber sie wusste auch, dass Chris nach all den Untersuchungen nicht einmal verdächtig gewirkt hat. "Ich werde dich nicht aus den Augen lassen!" Zischte sie ihm zu und Chris nickte nur.
"Lasst mich mitbekommen!" Flehentlich blickte ich sie an, als die beiden schon fast die Tür verlassen hatten. "Es ist meine Schuld, dass die beiden weg sind. Ich möchte helfen."
Ich wollte noch weiterreden, aber der plötzliche Hass in Christophers Augen nahm mir die Luft. "Maximilian kann mitkommen. Du dagegen bleibst hier. Du hast schon..." Er drehte sich um. "Du hast schon genug angerichtet."
Und mit diesen Worten verließen mich auch Christopher und Max. Ich stand noch etwas im Wohnzimmer, ehe ich verloren und verlassen zusammenbrach. Ich wollte doch nur nicht, dass Olivia mich hasst. Wieso habe ich die Nachricht nicht einfach verbrannt? Wieso war ich so naiv zu glauben, ich könnte etwas vor ihr verstecken? Wieso war ich nur so dumm? Warum bin ich immer noch so schwach und hilflos wie damals?

If I hadn't met youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt