Sofort stockte unsere Mutter. Ihre Mimik veränderte sich zwar nicht, aber ihre Augen zeigten deutlich, dass sie dieses Gespräch weder führen wollte noch konnte. Unser Vater war dagegen sehr ruhig, was ziemlich ungewöhnlich für diesen impulsiven Werwolf war. "Das sind Fragen, die man euch erst im Unterricht erklären wird." Winkte er ab.
Das war eine Lüge. Von Klein auf wird jedem Wolf die Geschichte der Soulmates erzählt. Die Geschichte von einer halben Seele, die auf der Suche nach dem anderen Teil ist, welcher das gebrochene Herz vervollständigt. Es ist die Geschichte von Liebe und Geborgenheit, denn Soulmates sind Menschen, die für einen da sind, wenn es andere nicht können, die einen bedingungslos lieben und diese Liebe weiter geht als die Liebe der Eltern. Es ist eine Liebe so rein und unverfälscht, dass es niemand zerstören könnte, denn es ist das Vertrauen und der Glaube der Beiden, dass es dort draußen jemanden gibt, der bis ans Ende des Lebens und weit nach dem Tod an deiner Seite sein wird.
"Und ich dachte immer, dass Eltern für die Aufklärung zuständig sind." Murmelte Livvy bedrückt. Scheinbar hatte sie echt auf Antworten gehofft, aber zum Glück fragte sie nicht weiter. So dachte ich jedenfalls. "Bruder." Rief sie mich und ich richtete den Blick auf meine kleine Schwester, die mir in keiner Weise ähnlich war. "Weißt du davon?"
Ich stockte. Ich wusste, dass es mir verboten war und als ich zu unseren Eltern sah, schüttelten sie kaum merklich ihren Kopf. Ich hasste es. Ich hasste es, Livvy anzulügen. Sie war meine bessere Hälfte, meine Zwillingsschwester und diese Dinge betrafen sie genauso wie mich, wie jeden Gestaltwandler. Warum war es nur ihr nicht erlaubt, die Wahrheit zu erfahren? Ich musste sie so oft anlügen. Anlügen darüber, was ich bin, was es mit unserer Familie auf sich hat, was es bedeutet ein Blackstorm zu sein, was in der Zukunft auf sie zu kommen würde. Ich hatte sie so oft angelogen und ich hasste es. Irgendwann hatte ich aufgehört zu sprechen, da aus meinem Mund nur Lügen für sie strömten und es mich zerriss. Ich hatte es satt. Ihre Augen strahlten immer so wissbegierig, wenn sie glaubte, ich könnte all ihre Fragen beantworten. Ich war ihr großer Bruder, der direkt vom Alpha lernte und sie hätte doch eigentlich das gleiche Recht haben sollen, diese Antworten zu erhalten.
Also nickte ich stumm. Ich spürte, wie sich die Aura unseres Vaters verdunkelte und er mich mit roten Augen anfunkelte. "Tut mir leid." Flüsterte ich und zog Livvy an mich. Das sollte meine letzte Lüge sein. Ich war es satt mich von meinen Eltern unterdrücken zu lassen. Livvy hatte das Recht, alles zu erfahren. Es tat mir nicht leid, meine Eltern hintergangen zu haben. Ich wollte nur nicht, dass Livvy das wütende Gesicht unseres Vaters sah.
"Du wirst trotzdem alles erfahren, was du wissen musst. Dafür habt ihr ja James als Lehrer." Presste der Alpha zwischen zusammengepressten Zähnen hervor.
"Was den anbelangt," versuchte Isabelle die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. "Was ist mit dem Kerl los? Marco meinte nur, dass er unsicher sei, aber das kann doch nicht alles sein."
Lachend trat Thomas von hinten an sie heran und schlug ihr auf die Schulter. "Ach James ist was ganz besonderes."
"N-nenn' mich nicht James! Ich bin immer noch Professor Lighthallow!" Irgendwie erkannte man den gnadenlosen Professor nicht mehr wieder. Seine Stimme wirkte leise und gebrechlich. Seine langen schwarzen Haaren hingen wirr aus seinem Zopf in seinem Gesicht und erst dadurch konnte man sehen, wie dunkel seine Augenringe waren und wie erschöpft er eigentlich war.
"Ich hatte letztes Jahr meinen Abschluss. Du bist nicht mehr mein Professor, James." Leichtfüßig lief er auf Professor Lighthallow zu und legte einen Arm um unseren Mentor. "Er schläft zwar kaum, ist total unsicher und genervt von Kouhei, aber er ist ein verdammt guter Lehrer und seine Idioten wird er mit seinem Leben schützen."
Betreten starrte er auf den Boden und murmelte unverständlich. "Ihr werdet halt meine Kinder sein, was soll ich machen?"
"Bruder, ich verstehe nichts mehr. Meine Eltern verheimlichen mir Dinge, ich hab einen unsicheren Mentor und ein Haus, in dem ich mich mit Sicherheit verlaufen werde. Egal, ich pack meine Sachen aus. Marco, kommst du?" Ihre Stimme klang leicht und unbeschwert, aber es würde sie die gesamte Nacht beschäftigen. Ich wünschte wirklich, ich könnte ihr alles erklären, aber es war mir einfach nicht gestattet."Du hast wohl all diesen Probleme immer noch nicht aus der Welt schaffen können, stimmt's?" Tyler Silverstone lehnte sich an einen Pfahl des Wohnhauses unserer Kinder und schaute mich mit seinen undurchdringlichen blauen Augen an. Die Kinder und der Professor hatten ihre Sachen genommen und waren dabei, sich das gesamte Gebäude anzuschauen. Auch Auralia ist mit gegangen, da es sich als nicht sonderlich schwierig herausgestellt hatte, sie mit auf das Gelände zu bringen. Denn aufgrund ihrer Familiensituation war uns es möglich, einen Nicht-Werwolf mit zu Lupus Luna zu nehmen.
"Sagst du? Deine Familie hat schon seit vielen Jahren selbst Probleme. Misch dich nicht in unsere Angelegenheiten ein." Genervt drehte ich mich von ihm weg. Ich hatte keine Nerven für ihn. Ich kannten ihn seit meiner Schulzeit, aber als Freunde hätte ich uns nicht bezeichnen können.
"Liebling, Leon kommt." Calirias Anwesenheit hätte ich unter Tausenden erkannt und das blind und taub. Auch wenn ich den Klang ihrer Stimme immer geliebt habe, brachten diese Worte nur Unmut mit sich.
"Was ist denn? Willst du uns erklären, warum du dich gegen deine Verbote gestellt hast? Du kennst die Regeln! Du weißt, was Olivia geschehen ist, als sie es beinahe herausgefunden hätte. Warum wagst du es dennoch?" Er kannte meine Gründe, warum konnte er nicht einmal auf mich hören? Ich spürte die Wut in mir auflodern, aber versuchte es für sie zu unterdrücken.
"Uhh, gibt es etwas Ärger im Paradis der Blackstorms?" Gehässig grinste uns Tyler an, aber als ich ein Knurren tief aus meiner Kehle erklingen ließ, zuckte er zusammen und ließ uns alleine. Es hatte seine Vorteile, Alpha zu sein.
"Sie hat es aktiviert und diesmal wirklich. Ihr könnt zwar weiterhin versuchen, es zu unterdrücken oder zu verheimlichen, aber früher oder später wird sie es erfahren und daher wäre es besser, wenn sie es von uns erfahren würde." Leons Stimme wirkte zwar fest und entschlossen, doch schwang auch Angst mit ihr. Er hatte Angst um seine Schwester. Er wollte sie nicht schon wieder verlieren und ich konnte diese Angst verstehen. Aber sollte sie es erfahren, könnte sie nie wieder aus dieser Unterwelt fliehen. "Ihre Augen waren grün. Hätte ich sie nicht zu Boden gerissen, dann hätte sie einen Wolf getötet. Ihr müsst sie aufklären!"
Er hatte vermutlich Recht, aber wir konnten es ihr nicht sagen. Mir war es lieber, wenn sie irgendwelche Wölfe töten würde, als dass ich meine Tochter verlieren würde. Dann hat sie Blut an den Händen, aber ich werde nicht zulassen, dass ich mein eigenes Kind zu Grabe tragen muss. "Das hat noch Zeit. Sie hat sich noch nicht verwandelt, daher können wir nichts genaues sagen. Lass ihr noch etwas Zeit." Und damit beendete ich das Gespräch. Olivia sollte es noch nicht erfahren.
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If I hadn't met you
WerewolfVerstehst du denn nicht, dass es die einzige Chance ist? Töte ihn und ich komme zurück. Töte ihn und ich kümmere mich um das Rudel. Töte ihn und wir werden diesen Feind ein für alle mal los. Es spielt jetzt auch keine Rolle mehr... auch wenn er dein...