Kapitel 109

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"Seid ihr fertig?" Verunsichert linste Max durch den Türspalt. Kichernd stieß Mononoke die Tür auf und knallte damit diese den jungen Gray vor den Kopf.
Zischend hielt sich Max die Stirn. Keiner schenkte seinem Schmerz Beachtung. "Was willst du?" Fragte ich nur mit gedämpfter Stimme, als wir das Sanatorium verließen.
"Ich brauche eure Hilfe." Zögernd folgte er uns, aber seine Stimme klang bestimmt.
Ich dachte an einige Momente zurück. Caliria hatte uns auch um einen Gefallen gebten. Sie wollte, dass wir uns um die verwundeten kümmern. Mononoke hatte daraufhin nur losgelacht und sie gefragt, ob sie nicht ganz bei Verstand sei und ob sie nicht aus ihren Fehlern lernen wollte. Das hatte Henry so wütend gemacht, dass er von Caliria und Jayden Archer rausgetragen werden musste, damit er niemanden verletzen konnte. Wenn ich also ehrlich sein sollte, hatte ich nicht sonderlich Lust mit Mononoke an meiner Seite, irgendjemandem zu helfen.
"Kannst du uns helfen?" Sagte ich, während wir den Weg abliefen, um das Blackstorm-Haus zu betreten. Die Stimmung im Sanatorium war viel zu belastend, als dass man sich dort ordentlich hätte unterhalten können.
Verwunderte schaute mich der Junge mit seinen grünen Augen an. Oder war er schon ein Mann? Ich war mir nicht mehr ganz sicher, wie alt die ganzen Knirpse waren. Es fühlte sich schon wieder Jahre her an, die ich noch unbekümmert in Japan gelebt habe. Ich konnte mich kaum noch daran erinnern, was ich den ganzen Tag gemacht habe. Wahrscheinlich nichts. Mein Leben war vor dieser Reise wirklich unerfüllt. Ich sollte wie Yako auf jeden Fall diesen kleinen Fuchs finden, der uns nach Nalawe gedrängt hat. Wir sind ihm etwas schuldig.
"Wobei braucht ihr denn meine Hilfe?" Ich hörte in seiner Stimme genau, dass er gar nicht wissen wollte, was mein Wunsch war. Er wollte nur seine Sorgen bei uns loswerden, aber da ich für ihn autoritärer war, ließ er mich gewähren. Das fand ich immer lustig an Werwölfen. Sie schoben sofort all ihre Bedenken und Wünsche beiseite, sollte der Alpha oder jemand mächtiges auch nur falsch ausatmen. Sie waren ihren Vorgesetzten wirklich untergeben.
"Henry hat immer wieder davon gesprochen, dass sie mitgenommen wurden. Er meinte auch, Yako sei nicht mehr hier. Ich habe viele bekannnte Gesichter vermisst. Wo sind sie?"
Max blieb stehen und starrte auf den Boden. "Es ist..."
"Spuck's aus, Kleiner. Wir haben nicht ewig Zeit oder sollte ich eher sagen, ihr habt nicht ewig Zeit?" Belustigt kam Mononke auf Max zu und starrte ihn direkt an. "Sag es ihm."
"Was soll er mir sagen? Maximilian, rede!"
Er zuckte zusammen, als hätte man ihm mit einem Stromschlag erwischt. "Die Darachs haben sie mitgenommen." Flüsterte er.
"Was?" Ich hatte damit gerechnet, aber das bedeutet nicht, dass ich es glauben wollte.
"SIE HABEN SIE ALLE MITGENOMMEN!" Er hob seinen Kopf und starrte mich mit Tränen in den Augen an. "Sie haben sie mitgenommen. Yako-Sama, Marco, Christopher, Isabelle, Lawrence und Alex! Alle sind fort und ich bin hier! Wieso wurden sie mitgenommen? Warum haben sie den Rest getötet? Was soll das? Wo sind sie? Wo sind meine Freunde!?"
Verzweifelt klammerte er sich an mein Oberteil. Ich wusste aber nicht, was ich sagen sollte. Was sollte ich tun? Ich wusste es doch auch nicht. Die Darachs haben meine Schwester und die ganzen Kinder entführt. Woher sollte ich wissen, was zu tun ist? Ich habe die letzten Monate nur auf einen Nogitsune aufgepasst. Ich kann mich nicht mal vor mir selbst schützen. Was erwartete er von mir?
"Bist du wirklich so dumm oder tust du nur so?" Mononoke klang relativ belustigt, als ich sein Gesicht nicht sehen konnte. Während wir zu ihm schaute, wirkte er genervt.
"Was willst du denn? Weißt du überhaupt, wie das ist, alle zu verlieren, die du liebst? Was willst du überhaupt hier? Keiner hat danach gefragt, dich hier zu haben! Wieso bist du hier und nicht Isabelle!?" Max wollte auf Mononoke losgehen. Ich wusste, dass er keine Chance gegen einen uralten Fuchs hatte, weshalb ich seine Schultern packte und an mich zog.
Mononoke war gar nicht mehr begeistert. "Nein." Seine Stimme klang zirrend und melodisch. Er sprach mit einer viel tieferen Stimme als sonst, was mich sehr beunruhigte. Ich hätte gegen ihn keine Chance, sollte er jemals angreifen. Ich hatte mein Training immer vernachlässigt. Ich hatte nur drei Schweife, die jeder junge Fuchs mit Leichtigkeit erlangen konnte. Mononoke war ein schwarzer Nebel, der Leute wie dünnes Eis zerbrechen konnte. Ich durfte es nicht darauf ankommen lassen.
"Mononoke..."
"Ich weiß nicht, wie es ist , jeden zu verlieren. Niemand wollte jemals dieser jemand für mich sein. Ich war immer auf mich alleine gestellt und sieh mich an. Ich lebe immer noch. Also reiß dich zusammen und heul nicht wie ein kleines Baby. Die Welt dreht sich nicht um dich und deine Probleme. Ich stelle mich auch nicht hin und jammere jedem Dahergelaufenen die Ohren voll, dass mich meine Eltern verstoßen haben, jeder mir die Schuld für jede kleine Unannehmlichkeit gab, dass ich nie jemanden hatte, auf den ich mich verlassen konnte, dass ich für immer und ewig dafür bestimmt bin, alleine zu sein. Und die Ewigkeit ist lang. Also reiß dich gefälligst zusammen oder willst du, dass ich dich von deinem Leid erlöse?"
"MONONOKE!" Ich wollte nicht so laut sein, aber es war wenigstens effektiv. Der Nogitsune verstummte. "Du weißt doch bestimmt, warum die Darachs genau diese Menschen entführt haben, oder? Verrate es mir."
Er rümpfte die Nase, was ihn sehr junge wirken ließ. "Warum sollte ich es dir verraten?" Er klang ziemlich trotzig. Ich hatte neben Yako keine jüngeren Geschwister und war diese Tonlage deshalb nicht gewöhnt. Es war eigentlich ziemlich ungewöhnlich, dass unser Vater, Watanabe-Dono, nur zwei Kinder für sein Alter hatte, aber wer waren wir schon, seine Handlungen zu hinterfragen?
"Würdest du es denn vor mir verheimlichen?"
Schweigend scharrte er im Dreck. Sein Wutausbruch war längst vergessen. "Die Darachs wollen die Hybriden erschaffen."
"Das wissen wir! Erzähl uns was neues!" Genervt wollte Maximilian nach Mononoke treten, aber ich konnte ihn noch aufhalten.
"Hör zu, Hyakkun. Ich will dir das gar nicht erzählen, da Caliria recht hat. Ihr solltet die Überlebenen nach Lupus Luna bringen und dort den Krieg verbringen. Kann man das eigentlich noch Krieg nennen? Es gibt nur noch zwei Blackstorms in Freiheit und das sind Caliria und ihr ältester Sohn. Die Darachs wollen sie. Ihr habt nichts damit zu tun. Lass das einfach alles fallen und kehre mit mir nach Japan zurück!"
Ich ließ Maximilian fallen und ergriff Mononokes Hand. "Ich hätte das auch gesagt, aber die Dinge haben sich geändert. Sie haben meine kleine Schwester. Ich kann jetzt nicht einfach nur zugucken und nichts tun."
"Was kümmert dich das überhaupt?" Mononoke riss sich von mir los. Ich hatte ihn noch nie so seine Kontrolle verlieren sehen. Das Blau in seinen Augen wirkte irgendwie... verzweifelt. "Kitsunes kümmern menschliche Gefühle doch gar nicht. Was bedeutet euch das schon? Ihr seid da, kämpft und werdet weise, um irgendwann ein Kyuubi zu werden. Dann könnt ihr leben und lieben. Du bist kein Kyuubi, also warum kümmert dich das Wohlergehen deiner Schwester? Ohne sie hast du doch viel mehr Möglichkeiten auf den Posten deines Vaters!" Meine Hand fuhr nach vorne und ich schlug ihn mit einer geballten Kraft, dass er zu Boden ging.
"Vielleicht wird es Zeit, dass wir das ändern. Vielleicht war es ein Fehler Watanabes, die Kitsunes in Japan zu isolieren. Wer sagt, dass die alte Tradition die einzig richtige ist?"
Entgeistert starrte mich Mononoke für eine Weile an. Dann schluckte er schwer und starrte auf den Boden, auf dem er saß. "Die Darachs wollen die Hybride für ihren König erschaffen. Dafür brauchen sie die Chimären oder vielmehr ihr Blut. Sie kennen aber die Formel nicht, die das Hybridengen aktiviert, weshalb erst viele Experimente durchgeführt werden müssen. Ich wette, dass es viele Komplikationen gab und die Darachs nur die Freunde der Nagual-Prinzessin entführt haben, um sie zu Dinge zu zwingen, die sie gar nicht will. Sie werden an ihren Freunden und allen anderen Mischlingen so viele Experimente durchführen, bis das Gen ohne Nebenwirkungen aktiviert werden kann. Dann gewinnt der Hybridenkönig."
"Warum Mischlinge?"
"Hyakkun, das ist gefährliches Wissen..."
"Warum brauchen sie Mischlinge?"
"Weil das Hybridengen nur aktiviert werden kann, wenn man schon das Blut verschiedener Familien in seinen Adern fließen hat. Wenn man einem Mischling das Blut eines Hybriden spritzt, egal ob er aktiviert wurde oder nicht, kann sich dieser in einen Hybriden verwandeln. Das ist der Grund, warum das Hybridengen so viel effizienter ist als das Chimärengen. Du kannst auch Außenstehende in Hybriden verwandeln, wenn es dir beliebt!" Mononoke riss sich von mir. "Bist du zufrieden? Jetzt weißt du es! Wenn sie versagen, werden sie alle sterben, aber was kümmert das mich oder die Darachs schon? Was kümmert dich das?"
"Meine Schwester ist kein Hybrid."
"Ihr Kind aber." Ruckartig drehte ich mich um und starrt den Mann hinter mir an. Mit matten Augen starrte mir Henry aus der Ferne entgegen. "Sie trägt mein Kind unter ihrem Herzen. Es tut mir leid..."
In meinen Ohren ringte es. Meine Schwester war schwanger? Yako war schwanger? Es war schon schlimm genug, dass sie in diese Scheiße gezogen wurde, aber sie trug ein Kind in sich. Das war nun mehr als persönlich.
"Mononoke..."
"Hört auf!" Schrie Max und ließ mich von ihm weichen. "Ich muss wissen, was mit Isabelle ist!"
"Halt die Schnauze!" Grimmig lief Henry auf uns zu. "Dein kleiner Mate ist an allem schuld! Warum wollte sie überhaupt diesen Levi Michaels sehen?"
"Das will ich ebenfalls wissen. Mononoke-San." Fragend erwiderte Mononoke Max' Blick. "Was weißt du über Isabelle Reddinson- ich meine, Isabelle Whitenight?"
Grinsend sprang der Nogitsune auf und starrte den Himmel an. "Vieles. Sie ist die Interessanteste von allen."
"Verrate es mir!"
"Das kann ich nicht." Mit großen Augen schob er seine Lippe vor und guckte Max wie ein verstoßener Welpe an. "Ich kann dir solche Informationen nicht einfach überreichen, ohne etwas dafür zu bekommen."
"Alles. Was willst du? Ich gebe dir alles!"
"Das ist keine gute Idee." Murrte ich und wollte nach Max greifen. Dieser ging jedoch einen Schritt auf Mononoke zu und schaute ihn entschlossen an. Hatte er denn noch nie gehört, dass der Deal mit einem Fuchs dem Pakt mit einem Teufel ähnelte?
"Ich will, dass du mir einen Gefallen erweißt. Nicht jetzt, sondern irgendwann in der Zukunft. Ich will nur einen einfachen Gefallen." Er hob unschuldig seine Hände. Ich traute ihm und seiner Unschludsmiene nicht.
"DEAL!" Ohne zu zögern, packte Maximilian seine Hand, was Mononoke grinsen ließ.
"Wieso tust du das? Es kann gut möglich sein, dass sie schon lange tot ist und bei deinen Eltern im Himmel verweilt und du hier und jetzt deine Seele an mich verkauft hast. War es das wert?"
Maximilian ließ seine Hand los und starrte ihm entschlossen entgegen. "Ich liebe Isabelle mehr als ich den Tod fürchte. Außerdem hat sie meinen Vater nie kennengelernt. Er war immer nur auf Reisen im Ausland oder in anderen Rudeln, da es nicht sonderlich viele Druiden gab. Bevor er gestorben ist, hatte ich einen Streit mit ihm, weil ich Isabelle einen Antrag machen wollte, er aber dagegen war. Ich konnte mich nie für mein kindisches Verhalten entschuldigen. Eine ähnlich dämliche Konfrontation hatte ich ebenfalls mit Isabelle, bevor sie in ihr Koma versetzt wurde. Ich werde nicht noch mal zulassen, dass jemand in meinem Leben von mir geht, wenn wir ungeklärte Probleme haben. Also sag mir, warum sie meinen Mate wollten!"
Ein breites Grinsen bildete sich und Mononoke stand kurz davor, in einem hysterischen Gelächter auszubrechen, kontrollierte sich aber noch. "Das gefällt mir. Diese Einstellung ist lustig." Seine Miene versteinerte und wirkte so emotionslos wie eine Statue. "Isabelle hat viele Faktoren, die sie für Levi Michaels interessant macht. Sie ist ein Whitenight und ein Ripper. Whitenights sind eng mit Kojoten verwandt und demnach perfekte Versuchsobjekte für das Hybridengen. Zudem genießt sie das Vertrauen der Blackstorms und ist leicht zu manipulieren. Ihre Mutter Katharina wäre auch so ein perfektes Versuchsobjekt gewesen, hätte sie überlebt. Es gibt aber eine Sache, die Isabelle von Katharina unterscheidet. Könnt ihr es erraten?"
"Rede einfach Klartext!"
"Okay, okay. Geez, warum wirst du gleich so aggressiv, Gray-Kun? Ist euch nie aufgefallen, dass sie kein Mal der Alpha auf ihrem Rücken trägt? Jeder Verwandte bis zu einem bestimmten Grad trägt dieses Zeichen auf seinem Rücken. Katharina sollte ursprünglich die Führung der weißen Wölfe übernehmen, aber Jason kam ihr zuvor. Wieso hat also Isabelle, ihre einzige Tochter, nicht dieses Zeichen?"
Er hatte recht. Selbst Marco Silverstone, der erst seit kurzer Zeit von dem Mord seines Vaters wusste, trug dieses Zeichen auf seinem Rücken.
"Genauso könntet ihr euch fragen, warum ihre Haare in so kurzer Seite nahezu die weiße Farbe der Whitenights angenommen haben und warum sich ihre Augenfarbe so drastisch geändert hat. Warum ist sie so viel anders als ihre Verwandten? Wieso war sie dazu in der Lage?" Grinsend schaute Mononoke von Henry zu mir. "Sagt es mir."
Meine Augen weiteten sich. Das kann doch wohl nicht wahr sein! "Sag mir nicht, dass es was mit DEM Kaito zu tun hat!"
Erfreut klatschte Mononoke in die Hände. "Fantastisch! Du kannst dich noch daran erinnern!"
"Was soll das?" Misstrauisch schaute Henry von mir zu dem Nogitsune. "Wer soll DER Kaito sein?"
Schwer atmete ich aus und versuchte dabei nicht zu knurren. Die Situation hat sich wirklich zugespitzt. Die Darachs sind gerissener als ich erwartet hätte. "Kaito ist ein sehr bekannter Mann unter uns Füchsen. Er ist ein Werwolf, aber das gilt nicht für den Rest seiner Familie. Er wurde als der Sohn zweier Kitsunes geboren. Sie merkten schnell, dass dieses Kind ein Bastard der Mutter war. Sie haben ihn dann im Land der Werwölfe verstoßen, weil er nicht zu uns gehörte. Alle dachte, er wäre gestorben, aber er überlebte und kämpfte sich wieder hoch, nur um dann von seinem Rudel verstoßen zu werden, weil er eine Hure schwängerte. Kommt euch die Geschichte bekannt vor?" Ergeben atmete ich aus. Wieso war Mononoke so?
"Kaito ist... Isabelles Vater?" Max' Stimme zitterte, als er diese Frage stellte.
Wieder klatschte Mononoke in die Hände und sprang erfreut auf und ab. "Korrekt! Kaito Reddinson ist Isabelle Whitenights Vater. Sie ist so interessant für jeden Darach, weil sie nicht nur eine Royalität und ein Ripper ist, sondern auch weil Werwolf-, Kojoten- und Kitsuneblut durch ihre Adern fließt. Man muss sie nur etwas manipulieren und schwups di wups hast du eine Killermaschine, die keiner aufhalten kann. Das nächste mal, wenn ihr sie seht, ist sie keine Freundin mehr, sondern ein Tribrid der Darachs. Cool, oder?"

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