Kapitel 75

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"Das war wirklich ein entspannter Abend. Aber wir sollten jetzt alle gehen und schalfen." Mahnend stieg Lawrence aus dem Auto und schaute grübelnd zum Blackstorm-Haus, das hoch oben auf dem Hügel stand. "Und auch die Blackstorms beeilen sich bitte nach Hause zu kommen. Ich will euch nachtaktive Wesen nicht mehr hier unten sehen. Damit meine ich dich, Olivia." Belehrend hob er seinen Finger und zeigt auf mich.
"Ja, Mama, ich werde gleich ins Bett fallen." Ich grinste und drückte seinen Finger von mir.
"Ich gehe auch mal. Daddy hat vielleicht auch einige lustige Geschichten, die er uns dann mal erzählen kann. Ich freue mich schon darauf." Zwinkernd schaute Alex mich an. Sie wusste, dass ich es nicht leiden konnte, wenn sie meinen Vater so nannte, aber auch nichts dagegen hätte unternehmen können. Er ließ es sogar zu, was mich noch mehr verstörte. "Übrigens gibt es im Auge der Nilpferde einen Wurm, der sich von ihren Tränen ernährt. Ich hoffe, ihr habt eine angenehme Nacht." Und mit diesen Worten packte Alex Lawrence und zerrte ihn vom Platz.
"Ich hasse dich!" Schrie Marco ihr hinterher und stampfte genervt auf den Boden. Er dachte sehr viel über vieles nach und wenn man so etwas sagte, das auch noch so absurd, aber wahr ist, hielt es ihn meistens die Nacht wach. Das hatten wir alle durch die Blaubeeren gelernt.
"Schnauze und schlafen." Shang packte Marco und hob ihn wie eine Braut hoch. "Ich will eure Ärsche hier auch nicht mehr sehen. Und Isabelle verpiss dich in dein eigenes Zimmer. Wir wollen keine weiteren Gören wie dich in dieser Welt haben."
Sofort drehte sich Isabelle schockiert um, als sie eben noch mit Max in der Dunkelheit verschwinden wollte. "Du wärst froh, wenn es noch mehr von mir geben würde!" Und mit diesen Worten rannte sie weg, aber nicht ohne von Shang mit Marco auf dem Arm verfolgt zu werden.
"Ich entschuldige mich für alles. Ihr könnt schon mal nach Hause. Ich komme gleich mit ihr nach." Mit einem roten Kopf verschwand auch Max in der Dunkelheit. Wir wohnten alle zusammen im Blackstorm-Haus, auch wenn die Whitenights und Grays vermutlich ihre Zelte im Lager in der Stadt bekommen hätten.
"Noch mehr Kinder?" Murmelte Jayden und schloss sein Auto ab. "Das geht doch nicht. Wir haben doch nur eine Sonne für die Fotosynthese." Er war wirklich müde aus, als er um das Auto ging und ohne sich umzudrehen weiter über die Fotosynthese von Kindern nachdachte.
Nun stand ich hier mitten in der Nacht alleine mit Christopher auf einem verlassenen Platz. Ich setzte mich schweigend in Bewegung und mein Mate folgte mir. Ich wollte mich jetzt nicht in einen Wolf verwandeln und zu meinem Haus sprinten, da die Nachtluft auch so angenehm war und ich den Spaziergang genießen wollte.
Wenn man genau hinhörte, konnte man noch einige Kitsunes vernehmen, die im Lager an ihrer Verwandlung schliffen. Ich wollte unbedingt wissen, wie es ist, wenn man eine ganz andere Gestalt annehmen könnte, aber das größe Mysterium der Kistunes waren eigentlich ihre Anführer. Yako-Sama war immer ernst und diszipliniert, aber als ich sie zusammen mit Sir Henry gesehen habe, hat sie irgendwie einen Teil meines Respekts für sie verloren. Sie wirkte so unbeschwert, was ich irgendwie traurig fand. Warum war sie sonst immer so angespannt? Sie war doch noch so jung und konnte ihr Leben nicht genießen, was wirklich bedauernswert war.
Und Hyaku-Sama? Der war eine ganz eigene Liga von anstrengend. Er lag nur rum, tat nichts, war immer gereizt und hatte eine Tendenz Suizid begehen zu wollen. Als ich das das erste mal bemerkt habe, war ich unglaublich schockiert und konnte nicht fassen, dass alle diese Tatsache ignorierten. Ich hatte ihn in einem Teich gefunden, den Thomas hinter unserem Haus mal angelegt hatte. Doch als ich Yako-Sama informierte, hatte sie nur genervt ausgeschnaubt und meinte, er konnte das mal besser. Ich war so entsetzt, dass ich sie sogar angeschrien habe, aber mittlerweile weiß ich, warum sie so gelassen reagiert hat. Er setzte zwar immer an, Suizid zu begehen, aber wenn man ihn darauf ansprach, grinste er nur und meinte, er habe mal von dieser bestimmten Methodik gehört und wolle es ausprobieren. Am Anfang sorgt man sich noch um ihn, aber meistens klappen diese Versuche nicht und er fragt uns dann panisch nach Hilfe, wenn er nicht mal aus der Schlinge kommt. Es ist nämlich sehr schwierig, sich als ein Gestaltwandler das Leben zu nehmen durch unsere gesteigerte Regeneration. Das wussten wir mittlerweile alles und wenn man Hyaku-Sama im Graben fand, ließ man ihn dort einfach liegen, da er so einem weniger Probleme bereiten konnte.
Leicht linste ich zu Christopher rüber. Sein Blick war starr auf unser Ziel gerichtet und er sagte nichts. Es war keine unangenehme Stille, aber irgendwie fühlte es sich auf falsch an, aber ich wusste nicht, was daran so falsch war.
"Ich finde es nicht schlimm." Verwirrte drehte ich mich beim Gehen zu ihm und schaute ihn fragend an. Was meinte er denn? "Ich hatte zwar erst gedacht, ich könnte deinen Geburtstag mit dir alleine verbringen, aber ich wusste, dass es ein Fehler gewesen wäre. Du liebst deine Freunde wie deine Familie und wenn ich dich wegen meines eigenes Wunsches dort herausgerissen hätte, hättest du mich dafür verachtet." Sein Blick lag immer noch nicht auf mir, aber es fühlte sich so an, als würde er in meine Seele blicken. "Ich hätte mich nur gefreut, wenn du mir auch fünf Minuten deiner Zeit gewidmet hättest, nachdem ich all die Zeit für dich gefangen verbracht habe."
Ich blieb stehen. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte und starrte deshalb nur auf den Boden.
"Kommst du?" Christopher ist weitergelaufen und stand deshalb etwas vor mir. Verwirrt starrte er mich an und reichte mir eine Hand. "Es ist schon spät. Lass uns nach Hause gehen."
Zögernd nahm ich seine Hand. Ignorierten wir die Tatsache jetzt einfach, dass ich ihn ignoriert hatte, obwohl das alles für mich getan hat? Nein, das konnte ich nicht einfach so im Raum stehen lassen. "Danke." Ok, wow, das war ziemlich schwach. Christophers Griff wurde stärker, aber er lief einfach weiter, ohne sich zu mir umzudrehen. "Ich hätte nicht gewusst, was ich hätte sagen sollen. Du warst plötzlich da und es ist keine Selbstverständlichkeit, dass du das alles für mich erträgst, aber ich habe es als eine gesehen. Es tut mir leid."
"Halt die Klappe." Überrascht hob ich den Kopf und musste feststellen, dass wir uns vor meiner Haustür befanden. "Ich will das nicht von dir hören. Ich habe das getan, da ich es für das Richtige gehalten habe und ich würde es immer wieder tun."
Ich starrte ihn an. Was war mit ihm los? Und warum hielt er meine Hand immer noch fest?
"Ich-" Zögernd löste ich mich aus seinem Griff. "Gute Nacht!" Panisch riss ich die Tür auf und stürmte in das Zimmer. Ich wusste nicht, seit wann ich mich so anstellte, aber als ich seine goldenen Augen gesehen habe, die mich so ernst und gleichzeitig liebevoll angestarrt hatten, konnte ich nicht neben ihm bleiben. Ich wollte nichts von ihm! Was war nur los mit mir? Warum schlug mein Herz so schnell?
Ich hörte nicht, ob er das Haus betrat, aber ich ging stark davon aus. Ich hörte nur meinen schnellen Herzschlag, als ich die Treppe hochlief und in das nächstbeste Zimmer rannte. Es war nicht meins, aber es roch sehr vertraut.
"Prinzessin, was willst du hier?" Verwirrt erhob sich Tyra hinter einem Bett. Ihre müden Augen starrten mich an, während sie einen Rucksack mit einer komisch riechenden Pflanze im Inneren auf ein unordentliches Bett hob. Als ich sie nur etwas außer Atem anschwieg, zuckte sie mit den Schultern und kramte weiterhin in dem Rucksack herum. Der Geruch wurde immer penetranter und ich wollte gar nicht wissen, was sie damit vorhatte. "Jiaki sucht übrigens seit einigen Stunden nach dir. Warst du schon bei deiner Schwester?"
Ich schüttelte den Kopf. Ich hatte sie seit einiger Zeit nicht gesehen und dadurch, dass ich meinen Geburtstag feiern war, war ich den ganzen Tag nicht im Haus gewesen. "Wo finde ich sie denn?" Doch auf diese Frage wusste Tyra keine Antwort. Sie zog nur die violette Pflanze, die einen benebelnden Geruch hatte, aus ihrem Rucksack und lief auf mich zu.
"Du wirst sie vermutlich bei Thomas finden. Wenn du mich brauchst, ich bin bei Auralia." Und mit diesen Worten drängelte sie sich an mir vorbei und verließ das Zimmer.
Ich war in all der Zeit nur einmal in diesem Zimmer gewesen und das auch nur, da ich beim Schwertkampf gegen Jiaki mein Schwert verloren hatte und es im hohen Bogen durch das Fenster in dieses Zimmer gekracht ist.
Schnell schüttelte ich die Gedanken ab und machte mich auf, Thomas' Zimmer zu betreten. Unser Haus hatte mehrere Etagen, aber durch die vielen Gäste wurden die ersten beiden Etagen zu reinen Arbeitszimmern und viele mussten sich ein Zimmer teilen, weshalb wir alle sehr gereizt waren. Als ich anklopfte, war Thomas immer noch in seinem Zimmer unterwegs. Und komischer Weise trug er wieder nur seine pinke Schürze.
"Was willst du?" Genervt rieb er sich die Augen und blinzelte angestrengt gegen das grelle Licht, das im Flur schien.
"Sie ist wegen mir hier." Sofort erschien Jiaki aus einem dunklen Schatten in der Ecke des Zimmers und starrte mich ernst an. "Mitkommen." Sofort verkrampfte sich mein gesamter Körper. Ihre Augen wirkte kalt und distanziert, als sie meinen Arm packte und wir den genervten und übermüdeten Thomas in seinem Arbeitszimmer zurückließen.
"Was ist los?" Verwirrt wollte ich mich aus ihrem Griff lösen, aber sie ließ nicht locker. Ich spürte, wie immer weniger Blut in meine Hand gelangte und mein Handgelenk zu schmerzen begann. "Bitte lass los. Das tut weh!" Ich blieb stehen und wollte mich von ihr lösen, aber sie lief erbarmungslos weiter durch den Flur und riss mich somit von den Füßen. Als sich mich dann so durch den Flur zerrte, spürte ich ihren schnellen Herzschlag. Sie war aufgeregt.
"Lauf ordentlich." Befahl sie mir nur und als wir bei der Treppe ankamen, blieb mir auch keine andere Wahl. Sofort zog ich mich hoch und stolperte förmlich die Treppe runter. Als wir unten ankamen, blieb ich erneut stehen und konnte somit endlich meine Schwester stoppen. "Warum bleibst du stehen?"
Ihr Blick war kalt, aber sprach mit einer solchen Kraft, dass ich schon fast wieder loslaufen wollte, um sie nicht zu verärgern. Aber ich war ein Alphaskind. Ich würde mich jetzt nicht von ihr herumkommandieren lassen. "Was willst du von mir?" Immer und immer wieder zerrte ich an meinem Handgelenk, aber sie ließ mich einfach nicht los.
"Es ist soweit." Diese Worte hallten in meinen Ohren wieder und ließen mich wie versteinert in meiner Bewegung innehalten. Ein schreckliches Rauschen entstand in meinen Ohren und ich spürte, wie meine Augen zu brennen begannen. Es ist soweit. Diese Worte hallten wie ein Echo in meinem Inneren hin und her. Es ist soweit.
Entsetzt schüttelte ich den Kopf. "Nicht jetzt. Nicht so. Es ist zu früh!" Entsetzt trat ich nach ihren Beinen und wollte mich lösen, aber ihr Griff war eisern. "Bitte nicht. Ich bin noch nicht soweit. Ich bin nicht bereit dafür."
"Ich schon." Die Stimme meines Vaters ließ meinen Kopf in die Höhe schnallen. Er stand dort. Sein dunkles Haar hing locker in sein Gesicht und seine Augen betrachteten mich mit einer gewissen Ruhe, aber diese Ruhe ließ mich nur noch panischer werden.
Schau mich nicht so an! Du kannst das doch nicht ernsthaft wollen. Du kannst das doch nicht einfach so tun. Sag mir bitte, dass das nur ein schlechter Witz ist!
"Dann los." Gnadenlos zog mich Jiaki mit. Ich wollte mich lösen, ich wollte nicht mitkommen, ich wollte das nicht. Ich schlug nach ihr. Ich trat nach ihren Beinen und wollte sie sogar beißen, aber nichts davon schien sie zu stören. Und mein Vater lief auch nur schweigend neben uns her.
Mit Schwung warf mich Jiaki in ein Zimmer, das mit Stahlwänden ausgekleidet war, aber das nicht das Zimmer war, dessen Wand ich zerstört hatte. Sofort rappelte ich mich auf und wollte fliehen, aber weder Jiaki noch mein Vater ließen es zu. "Bitte lasst mich das nicht tun. Ich bin noch nicht soweit. Ich kann das nicht machen!" Meine Augen brannten und mein Handgelenk schmerzte. Ich konnte das doch nicht tun.
"Es ist deine Pflicht." Jiakis kalte Stimme ließ mich auffahren. Einen Scheiß!
"Es ist nicht meine Pflicht! Ich hätte das normalerweise niemals tun müssen. Es ist deine Aufgabe. Du solltest das tun!" Meine Wange brannte, nachdem ich Jiaki angeschrien hatte. Sie hatte mich nicht sonderlich doll geschlagen, aber mein Gesicht brannte dennoch.
"Reiß dich zusammen. Es ist für jeden das Beste." Und mit diesen Worten drückte sie mich in das Zimmer. Mein Vater folgte uns und stellte sich schwiegend vor mich.
Ich wusste, dass es die beste Methode war, aber ich war noch nicht soweit. Jiaki ließ mich los und trat beiseite. Mein Vater schenkte mir ein liebesvolles Lächeln mit seinen traurigen Augen. Mein Blut fühlte sich kalt an, als er seine Arme ausbreitete und mich erwartungsvoll anschaute.
"Ich bin bereit." Hauchte er.
Ich spürte heiße Tränen meine Wangen herunterlaufen, aber meine Stimme zitterte nicht, als ich den Mund öffnete. "Ich hasse das. Ich wollte das nie. Egal wie sehr ich dich dafür verachtet habe, was du mir angetan hast, kann ich dich nicht hassen. Du bist mein Vater und ich liebe dich. Ich kann das doch auch nicht meiner Mutter antun. Sie liebt dich! Hast du dich überhaupt bei ihr verabschiedet?"
Ein Ausdruck der Reue erfüllte das Gesicht meines Vaters, als er den Kopf schüttelte. "Das würde es für alle nur schwieriger machen. Jetzt bring es einfach hinter dich. Ich bin bereit."
Ich ballte meine Hände zu Fäusten. Warum dachte keiner an mich. "Ich kann keinem anderen Menschen das Leben nehmen. Macht und Einfluss ist mir das nicht wert. Warum muss ich also meinem eigenen Vater das Leben nehmen?"
"Verstehst du denn nicht, dass es die einzige Chance ist? Töte ihn und ich komme zurück. Töte ihn und ich kümmere mich um das Rudel. Töte ihn und wir werden diesen Feind ein für alle mal los. Es spielt jetzt auch keine Rolle mehr... auch wenn er dein- nein, unser Vater ist. Ich habe mich die ganze Zeit aus den meisten Kämpfen herausgehalten, da ich ihm nicht folgen wollte. Er ist kein Alpha, für den ich sterben würde. Aber wenn du das neue Alphatier wirst, werde ich dem Rudel beitreten und dich bis zu meinem letzten Atemzug unterstützen. Er wird eh sein Ende hier und heute finden. Erlöse diesen Mann nun endlich von seinem Schicksal." Ich traute mich nicht, Jiaki anzusehen, aber sie hatte recht und das wusste sie. Ihre Stimme war selbstbeherrscht und zuversichtlich. Sie sagte die Wahrheit. "Olivia Koyira Blackstorm, töte Peter Blackstorm und werde zum Alpha von Nalawe. Das ist deine Pflicht."

If I hadn't met youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt