"Schau mal, wenn du deine Wut einfach nur unterdrückst, kommst du auch nicht weit." Trotz seines Widerstandes zog ich ihn mit mir mit und stellte ihn vor einen Baum. "Das, mein lieber Leonard Blackstorm, ist mein Wutbaum. Wenn ich frustriert oder wütend bin, lasse ich dort meine Wut aus." Stolz stemmte ich meine Hände an die Hüfte und schaute von meinem Baum zu Leon.
Desinteressiert starrte er gegen das Stück Holz und zuckte mit den Schulter. "Und was soll mir das bringen?"
"Lawrence, ich glaube nicht, dass er irgendwas machen wird, was von uns kommt." Meinte Alex, während sie sich lässig gegen einen Baum lehnte.
Ich war mir sicher, dass sie mit ihrer coolen und auch ruhigen, aber nicht zurückhaltenden Art sehr beliebt geworden wäre, aber da sie meine bessere Hälfte war, wurde sie sofort ausgestoßen. Ich konnte damit leben und da es schon mein gesamtes Leben so ging, dass ich ausgestoßen und gemieden wurde, hatte es mich in der Schule nicht überrascht oder sehr getroffen. Aber dass jemand wegen mir in diese Einsamkeit gerissen wurde, konnte ich weder verantworten noch verkraften. Sie hatte etwas besseres verdient, aber sie ließ mich einfach nicht los.
Ich schaute ihr kurz in die Augen, aber richtete sofort den Blick wieder auf Leon, als sie vorsichtig den Kopf schütteln wollte. Sie mochte Leonard nicht und das konnte ich auch nicht verübeln. Er brachte uns nur Probleme. "Wenn ich frustriert bin, dann boxe oder trete ich so doll gegen den Baum, bis es wieder geht. Probier' es mal. Es funktioniert wirklich!"
Misstrauisch musterte er den Baum und machte auch erst keine Anstalt, irgendwas zu tun. Doch dann zuckte seine Faust und mit einer leichten Bewegung berührte er die Rinde des Baums. "Und das soll funktionieren?" Fragte er und nahm seine Hand wieder weg.
"Ja, aber du musst schon mehr Schwung holen und ihn nicht einfach nur streicheln." Lachend trat ich hinter ihn. "Probier's doch mit deinem Bein." Ich schlug leicht gegen sein Bein, was Alex kurz auflachen ließ. Doch trat ich wieder zurück, als sich sein Körper anspannte.
Und dann holte er Schwung. An seiner Form erkannte jeder Laie, dass er Erfahrung im Kämpfen hatte. Er war sehr leichtfüßig, aber man konnte erahnen, dass sein Tritt sehr viel Kraft hatte. Weit holte er aus und mit einem wütenden Funkeln in den Augen trat er zu.
Schockiert zog Alex die Luft ein. Und auch ich konnte die Szenerie nur schockiert betrachten. Der gesamte Baum erzitterte. Es war kein normaler Baum, es war eine Esche. Ein kräftiger Laubbaum, der schon seit Jahrhunderten Teil unseres Landes war. Er war stark und unerschütterlich, weshalb ich ihn gewählt habe. Keine Naturgewalt konnte ihn bezwingen. Ich hatte mal beobachtet, wie unsere Lehrer versucht haben, Hand in Hand den Baum zu umfassen, doch selbst als 23 Lehrkräfte mit angepackt haben, konnten sie ihn nur ganz knapp umfassen.
Doch als Leon mit all seiner Wut gegen diesen Baum trat, erzitterte dieser. An der Eintrittsstelle entstanden Risse, die sich den gesamten Stamm bis hoch in die Krone bahnten und dann sackte der Baum zusammen. Dieser gigantische Baum hatte seinen Bezwinger gefunden und gab diesem nun nach. Mein Wutbaum brach zusammen und fiel nach hinten weg.
Schockiert starrte ich Leon an, welcher sich überrascht zu mir drehte. "Ich dachte, er wäre stabiler."
"Der ist auch stabil. Wie kann es sein, dass du die Esche der Lupus Luna fällen konntest!? Dieser Baum steht hier schon länger als es das Internat oder als es die Friedensverträge unserer Familien gibt! Wieso konntest du diesen Baum fällen!? Du bist noch nicht mal ein Werwolf!" Völlig überrumpelt schrie ich den jungen Blackstorm an, aber ich war mehr überrascht als alles andere. Wie war das überhaupt möglich?
"Ich bin kein Werwolf, das stimmt. Meine Spezies ist um einiges stärker als das deine. Natürlich können wir bei eurer Ausdauer, der Schnelligkeit der Kitsune oder den Reflexen der Kojoten nicht mithalten, aber dafür strahlen wir mit Stärke. Ich hatte wirklich gedacht, dass du das mit einberechnet hast." Ausdruckslos zuckte er mit den Schultern. Es tat ihm nicht mal Ansatzweise leid. Er sah es sogar als Selbstverständlichkeit an, dass ich mich darum kümmern würde.
"Wir wissen nicht mal, was du bist, aber du kannst nicht einfach rumlaufen und das Eigentum der Schule beschädigen. Wir werden dafür Ärger bekommen und zwar gewaltigen Ärger!" Immer noch entsetzt trat Alex an uns heran.
"Es war doch nicht meine Idee."
"Du hast den Baum trotzdem zerstört!" Schrie sie ihn an.
Ich hatte sie noch nie so wütend gesehen. Natürlich ist sie immer sauer auf alle, die uns ausstoßen, aber diese Uneinsichtigkeit des jungen Blackstorms machte sie rasend vor Wut. Er hatte keinerlei Scham oder Schuldgefühle und dafür mussten wir nun hängen.
"Was habt ihr getan?" Schockiert riss ich meinen Kopf herum und entdeckte dabei den jungen Wolf, dem Alex en Kiefer gebrochen hatte und den Lehrer, der uns so verachtete. "Ich wusste zwar, dass Leute, wie ihr es welche seid, sehr problematisch sind, aber das ist ja ein ganz anderes Level an Problemkind." Lachend kam der junge Wolf auf uns zu. Sie war ein junges Mädchen, das ein sehr überhebliches Funkeln in den Augen besaß und welches ich kannte. Ihr Kiefer war bereits geheilt, aber man konnte die einzelnen Blutspuren noch auf ihrem T-Shirt erkennen.
"Das reicht jetzt. Ich werde euch alle zu Lady Silverstone schicken. Wieso waren wir überhaupt so naiv zu glauben, dass Wendigowak sich benehmen könnten?" Verächtlich starrte uns Vincent Brown mit diesen typischen Augen an, die nur danach flehten, uns endlich rauszuschmeißen. Er war zwar eine Lehrkraft, die jeden unterrichten sollte, aber das bedeutete für ihn nicht, mich oder Alex zu akzeptieren.
"Viel Spaß dabei." Murmelte Leonard und machte auch schon die Anstalt zu gehen, als Alex sofort nach seinem Nacken griff und ihn wieder zu sich zog.
"Solltest du nur noch einmal daran denken, dich einfach aus der Affäre ziehen zu können, werde ich dir beide Beine brechen und dich mit deinen Fingern füttern." Grinsend starrte sie ihn an und erstaunlicher Weise nickte er auch leicht.
"Dann geht's jetzt los! Auf zu meiner verdammten Tante Penelope!""Nii-Sama, kannst du mir mal helfen?" Angestrengt starrte ich mein Spiegelbild an und konzentrierte mich auf mein kohlrabenschwarzes Haar.
"Was willst du?" Genervt kam er näher und betrachtete meine Statur. Mein Bruder war kein sonderlich dynamischer Mensch. Wir waren noch nicht mal Menschen, sondern manifestierte Fuchsgeister, die sich auch Kitsune nannten. Als Teil der Familie Watanabe sind wir die Vertreter einer gesamten Spezies, was sehr viel Verantwortung mit sich bringt. Wir müssen stark, weise und mächtig werden, aber mein Bruder zeigte nie Interesse an diese Pflicht.
"Könntest du mir deine Augen zeigen? Ich möchte diese Farbe nachstellen." Angespannt starrte ich von meinen Haaren zu seinen Augen, doch er starrte nur ausdruckslos zurück. "Ich versuche meine Gestalt zu ändern, aber das ist schwieriger als erwartet ohne eine Vorlage."
"Auch der Talentierteste hat seine Grenzen. Du kannst bereits Feuer im strömenden Regen erschaffen, durch Unwetter fliegen und realitätsnahe Illusionen erschaffen und das mit 22 Jahren. Warum versuchst du so zwanghaft auch noch das Gestaltwandeln zu erlernen? So etwas schaffen wir doch eh erst ab hundert Jahren. Hör einfach auf." Gelangweilt setzte er zum Gehen an, aber ich packte ihn reflexartig.
"Nur weil du keinen Wert auf so was legst, heißt das nicht, dass es mich genauso wenig interessiert. Jetzt schweig und zeigt mir deine Augen." Mir war es gleich, wenn mein Bruder mich verachtete. Ich wollte nur ein guter Repräsentant unserer Spezies sein, wenn sich mein großer Bruder zu schade dafür war.
Entnervt atmete er aus, aber ließ in der gleichen Bewegung seine roten Augen aufflammen. Für einen Fuchs, der nie nach der Maximalanzahl von neun Schweifen gestrebt hat, hatte er eine erstaunlich gute Kontrolle über ein Aussehen.
"Ich will euch ja nicht unterbrechen, aber ich bräuchte trotzdem eine Antwort von euch. Die Werwölfe rufen von Nalawe nach unserer Hilfe und wenn sie schon aus dem Zentrum der Blackstorms nach den Watanabes rufen, dann können wir sie nicht einfach ignorieren. Wir mögen zwar eine isolierte Spezies sein, aber das ist kein Grund, diese aufkommende Bedrohung zu ignorieren." Der junge Bote erhob sich und kam auf mich und meinen Bruder zu.
"Keiner hat darum gebeten, dass eine Klette uns die gesamte Zeit auf Schritt und Tritt folgt. Verschwinde und kümmere dich um deine Ausbildung. Wenn du schwach und nutzlos wirst, werden wir dich nicht gebrauchen können!" Wütend trat mein Bruder einen Schritt auf den jungen Fuchs zu, doch der zuckte kein bisschen zurück. Er folgte uns bereits seit Tagen oder Wochen. Wenn Füchse einmal eine Aufgabe erhielten, dann würde sie diese auch ausführen und sollte es ihr Leben kosten. Dieser Junge war keine Ausnahme, selbst wenn er sich dabei gegen die Gründerfamilie stellen musste.
"Watanabe Hyaku-Sama, ich respektiere sie als zukünftiger Anführer meiner Spezies, aber ich werde es nicht hinnehmen, mir von euch Predigten über das Lernverhalten anzuhören. Die ersten vier Schweife zu erhalten, ist ein Einfaches und wenn sie das nicht auf die Reihe bekommen, haben sie kein Recht, mich verbessern zu wollen. Außerdem solltet ihr Prioritäten setzen. Es steht ein Krieg bevor und selbst wenn er so weit weg erscheint, werden wir irgendwann ebenfalls betroffen sein. Also hört auf, euch im Spiegel anzustarren und gebt mir endlich eine Antwort auf die Frage der Werwölfe!" Wütend starrte er von Hyaku zu mir und ich wusste, dass er recht hatte. Wir waren Kitsune, weise Füchse und keine naiven Kinder.
Entschlossen drückte ich meinen Bruder beiseite und ging auf den jungen Fuchs zu. "Dann lass mich die Nachricht für diesen Blackstorm-San verfassen, wenn er so unbedingt mit mir reden will."
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If I hadn't met you
WerewolfVerstehst du denn nicht, dass es die einzige Chance ist? Töte ihn und ich komme zurück. Töte ihn und ich kümmere mich um das Rudel. Töte ihn und wir werden diesen Feind ein für alle mal los. Es spielt jetzt auch keine Rolle mehr... auch wenn er dein...