Kapitel 52

16 2 0
                                    

Dunkelheit. Das war das einzige, was ich wahrnehmen konnte. Egal wohin ich schaute, ich konnte nichts wahrnehmen. Es war finster, wie in der Tiefe der Nacht. Und es war kalt. Ich konnte mich kaum rühren, da mir diese Eiseskälte jegliche Kraft nahm. Ich konnte meine Augen nicht öffnen. Ich konnte mich nicht bewegen. Ich konnte nichts fühlen außer Kälte und eine unendliche Dunkelheit, die mir kein Entkommen zeigte.
Doch dann vernahm ich ein Geräusch. Es war, wie ein weitentferntes Erklingen einer lieblichen Melodie. Ich wusste nicht, woher sie stammte oder was mir dieses Geräusch vermitteln wollte, aber es war da. Verzweifelt suchte ich nach diesem Geräusch, aber ich konnte mich nicht bewegen und diese Dunkelheit erdrückte mich förmlich.
Und es erklang erneut. Ich spürte, wie mein Herz anfing eine ungewöhnliche Geschwindigkeit anzunehmen und ein brennender Schmerz fuhr durch meine Hände. Und dann hüllte mich ein Licht ein. Es brannte förmlich in meinen Augen, aber ich hätte mich nicht abwenden können, da es nicht von außerhalb kam. Meine Augen waren geschlossen, aber das Licht durchdrang die Dunkelheit meiner Gedanken und brannte sich in meine Sicht.
Doch dieses weiße Strahlen wurde dunkler und ich sah etwas goldenes. Es war eine Mischung aus dem kalten metallischen Glanz des Edelmetalls und flüssigem Honig. Und es wirkte so vertraut, wie mein eigenes Spiegelbild. Verwundert hob ich meine Hand. Ich wollte das Gold berühren. Es sollte mich nicht mehr verlassen. Diese erdrückende Dunkelheit war beängstigend und das Gold war so vertraut. Es sollte nicht mehr gehen.
"Olivia." Dieser Klang! Das war die liebliche Melodie in der Dunkelheit. Sie sagte meinen Namen. Eine warme Hand umschloss meine, als ich nach dem Gold griff und drückte sie gegen eine warme Wange. Erst jetzt konnte ich erkennen, was vor mir war.
Ich lag in Christophers Armen. Er hatte meine Hand genommen und sie sich gegen seine Wange gedrückte, was ihn irgendwie verzweifelt wirken ließ. Doch seine weiße Porzellanhaut wurde von einer roten Farbe unterbrochen und erst fürchtete ich, es sei sein Blut, bis ich bermekte, dass es sich um meins handelte. Der stechende Schmerz stammte von einer Schnittwunde in meiner Handfläche. Aber woher stammte diese?
"Was ist passiert?" Heißer stellte ich ihm diese Frage. Er antwortet jedoch nicht, sondern richtete seinen Kopf nur in eine andere Richtung und als das Gold mein Sichtfeld verließ, übermannte mich erneut diese unendlich Kälte und ein Stimmengewirr.
Nun drehte auch ich meinen Kopf zur Seite und zog schockiert die Luft ein. Teilweise atmete ich auch so schwer, da ich gegen diesen stechenden Schmerz nichts unternehmen konnte, aber mich überraschte vielmehr diese SItuation.
Isabelle lag am Boden und starrte mit einem wilden Ausdruck in die Richtung des Geschehens. Neben ihr saß Lawrence zusammengesackt auf dem Boden. Langsam erinnerte ich mich daran, dass die beiden, wie ich, von der Miyarayo-Klinge erwischt wurden. Also war es nicht verwunderlich, dass sie sich nicht bewegen konnten. Doch eine silberne, nahezu weiße, Klinge unterbrach meine Sicht. Tyra und Jiaki standen vor mir und Christopher und hielten Klinge und Klauen vor mir, als würden sie uns vor irgendwas schützen wollen. Und dieses irgendwas war mein Vater.
Wutentbrannt stand er im Zimmer und schlug immer und immer wieder gegen etwas in der Luft. Auch wenn dort nichts war, konnte er gegen die Luft schlagen, als würde sich dort eine Wand befinden. "Auralia, lass mich durch!" Mit einem Knurren in der Stimme starrte er an mir vorbei.
"Das werde ich nicht. Ich weiß zwar nicht, was die beiden Frauen von Olivia und Whitenight wollen, aber ich werde dich nicht in diesem Zustand zu deinen Töchtern lassen." Besorgt schaute sie von mir zu Isabelle. "Beruhige dich und ich hebe diese Barriere auf." Mit ausgestreckten Händen trat sie vorsichtig neben Tyra und blickte flüchtig zu mir.
Doch diese kurze Bewegung verriet mir viel über die gesamte Situation. Ich erinnerte mich, dass Tyra und Jiaki Christopher und Isabelle angegriffen haben und sie als Whitenights bezeichneten. Sie fürchteten sich vor diesem Rudel, da sie als die Erben der Hybriden bezeichnet wurden und die Darachs die Feinde, die uns seit Jahren plagten, die Hybriden aus irgendeinem Grund auferstehen lassen wollte. Aber ich war davon überzeugt, dass sie nichts davon wussten und auch nichts mit dieser Art der Druiden zu tun hatten.
Anscheinend hatte mein Vater das Zimmer bertreten und wie ich ihn kannte, hatte er mit großer Wahrscheinlichkeit zum Angriff angesetzt, um Tyra und Jiaki anzugreifen. Er schien seine älteste Tochter nicht wiederzuerkennen. Aber wie auch? Sie muss vor sehr vielen Jahren verschwunden sein.
Aber Auralia überraschte mich. Sie hielt nicht viel vom Kampf und würde niemals jemanden angreifen, aber sie konnte uns schützen. Wenn Druiden ihre Magie anwendeten, dann veränderte sich ihr Erscheinungsbild. Ihre Iriden färben sich vollständig schwarz und sie wirken, wie unendlich lange und düstere Tunnel, die kein Entkommen zulassen. Und als Auralia mir diesen flüchtigen Blick schenkte, konnte ich dieses Schwarz erkennen. Ihre einst grauen Augen schienen, wie eine längst vergangene Erinnerung. Aber sie war nunmal ein Druide und mit bestimmten Mitteln konnte sie sogar Barrieren erschaffen, die kein Gestaltwandler ohne ihre Erlaubnis übertreten können. Jedenfalls ist es das, was mir Marco im Zusammenhang mit den Barrieren der Lupus Luna erklärt hat.
Doch die Atmosphäre änderte sich, als Jiaki sich in Bewegung setzte. Jeder ihrer Schritte wirkte bedacht und als ihre grünen und roten Augen, die ihre Herkunft zeichneten, den Raum streiften, wagte ich es nicht allzu laut zu atmen. Ihre Haut war vollständig blau und wirkte wie das Fellmuster eines Jaguars nur eben in schwarz und blau. Reißzähne, die wie Klingen wirkten, ragten aus ihrem Mund und als sie den Mund öffnete, um etwas zu sagen, erklang ihre Stimme mit einem bedrohlichen Knurren oder Fauchen. Ich konnte es nicht genau definieren.
"Du erinnerst dich nicht an mich." Ich konnte zwar nun nur ihren Rücken sehen, aber anhand ihrer Haltung konnte ich erkennen, dass Jiaki sich anspannte. Ihre gesamte Haltung wies auf einen Kampf auf Leben und Tod hin. "Weißt du, wer ich bin?" Wieder ertönte dieses Fauchen und ich hatte das Gefühl, einen gewissen Schmerz in ihrer Stimme zu hören.
Sie stand durch eine Barriere getrennt vor dem Mann, der sie vor all den Jahren verkauft und geopfert hatte. Sie musste laut Tyra all die Jahre um ihr Überleben kämpfen und nun konnte sie diesen Mann konfrontieren, der ihr das angetan hatte, aber er erinnerte sich nicht. Er erkannte sein eigenes Erstgeborenes nicht, welchem er ein furchtbares Schicksal in einer grausamen Welt verschafft hatte.
"Ich wüsste nicht, woher ich dich kennen sollte. Finger weg von meiner Tochter." Wieder schlug mein Vater gegen Auralias Barriere und ich hatte das Gefühl, der junge Druide würde schwächeln. Ich kannte mich mit Druiden-Magie nicht aus. Ich wusste nicht, wie viel Kraft es kostete, diese Barriere aufrecht zu halten, aber ich war ihr unglaublich dankbar dafür. "Ich wusste, dass man dir nicht hätte trauen dürfen." Mit einem kalten Blick wendete er sich von Jiaki zu Christopher. "Ein Whitenight würde immer für sein eigenes Wohl jeden opfern. Schließ dich einfach mit diesen Jägern und Darachs zusammen. Du bist genauso ein verlogener Heuchler wie dein Vater!"
"Du glaubst, du hättest das Recht, so etwas zu sagen!" Tobsüchtig schlug Jiaki mit ihren langen Klauen gegen die unsichtbare Barriere und fletschte ihre Zähne. Ich hatte mir nicht vorstellen können, meine eiskalte Schwester so in Rage zu sehen. "Du willst ihm erklären, man dürfe jemanden nicht opfern? Das willst DU ihm erklären!?"
Erschüttert starrte mein Vater in die Augen des Mädchens, welchem er vor all den Jahren jede Möglichkeit auf Glück genommen hatte. Er starrte direkt in die verlorenen Augen des geopferten Kindes. "Du..."
"Oh Gott." Als diese Stimme erklang, erbebte ich. Sofort verstärket Christopher seinen Griff, aus Angst mir könnte irgendetwas widerfahren. Blaue Augen streiften die Szenerie und verweilten auf Jiaki. "Mein Kind." Hauchte die verzweifelte Stimme meiner Mutter und ich konnte förmlich sehen, wie etwas in meinem Vater brach.
Doch als Jiaki das sah, veränderte sich ihr Blick. Ihre blaue Haut nahm wieder den hellen Taint der Blackstroms an und ihre Klauen und Reißzähne gingen zurück. Nur das grüne Auge der Naguals und das rote Auge eines Alphakindes blieb. "Mutter." Leicht nickte sie meiner Mutter zu und ich konnte spüren, wie alle schockiert die Luft anhielten. Es kam immerhin nicht jeden Tag vor, dass die Alphafamilie solch ein Familientreffen hatte. Und dann blickte sie mit einem unerschütterlichen Hass zu unserem Vater und öffnete mit einer abfälligen Miene den Mund. "Peter."

If I hadn't met youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt