Ein leichtes Erschüttern durchdrang meine Glieder. Verwirrt hob ich meinen Kopf und schaute mich um, aber konnte in der dunklen Nacht nichts erkennen. "Was mache ich hier nur?" Ich war müde und konnte mich kaum aufrecht halten, obwohl es nur knapp nach Mitternacht war.
Die kühle Nachtluft umhüllte mich und normalerweise würde ich mich sofort zurückziehen wollen, da ich nicht sonderlich gut mit Kälte umgehen kann, aber hier und jetzt war mir alles egal.
Mein eigener Cousin hatte mir nur eine ganz einfache Aufgabe überreicht: Lass den Zettel verschwinden. Ich hätte es besser wissen müssen. Natürlich war es keine triviale Nachricht oder ein einfaches Liebesgeständnis, was sich darauf befunden hat. Wenn ich doch nur etwas nachgedacht hätte, wäre Olivia nicht losgerannt und hätte nach ihrem Bruder gesucht. Wenn ich das nicht getan hätte, würden mich die beiden wichtigsten Menschen in meinem Leben nicht hassen.
"Sag mir, Peter, was soll ich tun?" Leicht drehte ich meinen Kopf zur Seite und konnte den großes Grabstein meines Adoptivvaters sehen. Ich hatte niemanden, an den ich mich hätte wenden können, da ich an allem schuld war. Ich hatte nicht das Recht, irgendeinen meiner Freunde nach Hilfe zu fragen, da ich an meiner Lage selbst schuld war. Ich hatte nur Peter. Leicht streiften meine Finger über den kalten Stein. "Du wusstest immer, was du tun musstest. Du hast Olivia dein Leben angeboten, hast deine Familie mit allem beschützt und wärst jedes Opfer für den Frieden eingegangen. Ich weiß zwar, dass viele dich hassen, aber ich konnte das nie. War es denn so falsch, was du getan hast? In meinen Augen hattest du mit allem recht." Leicht sackte ich zusammen und lehnte meinen Kopf gegen den Grabstein.
Ich wusste, dass ich mit dieser Meinung vermutlich alleine stand, aber ich wollte Peter nicht hassen. Er hätte mich verstoßen können. Er hätte mich aus dieser Familie werfen können, nachdem er erfahren hat, dass ich ein Whitenight bin, aber das hat er nie getan. Ich verstehe zwar nicht, warum er mich weiterhin beschützt hat, aber er hat es getan, obwohl Jason Whitenight mein Onkel ist.
"Ich wünschte, du wärst noch da." Flüsterte ich. Langsam merkte ich heiße Tränen meine Wangen herunterlaufen und ich konnte sie nicht aufhalten. "Ich habe gemordet." Hauchte ich und konnte meinen heißen Atem in der dunklen Nacht sehen. Meine Stimme brach. "Ich habe Christopher an Olivia verraten, da ich nicht wollte, dass sie mich hasst. Ich hatte Angst, dass sie mich für immer verstoßen würde, wenn sie erfährt, dass ich anderen Lebewesen das Leben genommen habe. Ich habe nur an mich gedacht und mein Wohlergehen. Ich habe nicht einmal an die Konsequenzen für andere gedacht, obwohl Chris immer an mich gedacht hat und mich beschützen wollte. Ich bin ein Mörder, Betrüger und Lügner. Was soll ich nur tun?"
"Sterben." Die kalte Stimme einer unbekannten Person zerschnitt meine betrübte Stimmung und sofort richtete ich mich vom Grabstein auf. Ein älterer Mann stand im Schatten der Nacht und starrte mich an. Ich hatte jedenfalls das Gefühl, dass er mich anstarrte, aber das wusste ich nicht mit Sicherheit, da ich seine Augen nicht sehen konnte.
Ich knurrte bedrohlich und wollte mich aufrichten, aber die Müdigkeit zog mich wieder auf den Boden. Ich konnte nicht kämpfen, also musste ich eben bluffen. "Denkst du wirklich, es wäre eine gute Idee, einen Werwolf in einer so tiefen Nacht anzugreifen?" Mein Mund fühlte sich trocken an, aber ich versuchte dennoch selbstsicher zu wirken. Ich wusste nicht, wie viel er von meinem Selbstmidleid anhören konnte.
"Ich habe dir nur ein Angeboten aufbereitet. Willst du es annehmen? Ich kann dich sofort von dieser Welt verschwinden lassen, ohne dass jemand jemals deine Leiche findet. Es wäre nicht das erste mal, dass ein Druide einem Werwolf ein Angebot gemacht hat." Langsam kam er näher, aber ich konnte seine Augen immer noch nicht sehen. Er irritierte mich. Wieso war er so ruhig und beherrscht? Wer war das? Kaum jemand wusste, wie man so einfach zum Haus der Blackstorms gelangen konnte. Wer war das?
"Wer bist du und was willst du hier?" Ich ließ meine goldenen Augen erscheinen, aber merkte sofort, wie mir das jegliche Energie aus dem Körper zog. Keuchend fiel ich vorne über und schaffte es nur knapp, mich mit meinen Händen vom Boden abzustützen.
"Ich würde das nicht tun. Ich habe dafür gesorgt, dass jeder Akt der Gewalt oder Bedrohung mir gegenüber dir deine Lebensenergie raubt. Wie gesagt, ich bin ein Druide." Seine Stimme kam mir unheimlich vertraut, aber auch gleichzeitig vollständig fremd vor.
Ich wollte wissen, wer dieser Mann war, aber schaffte es nicht, meinen Kopf zu heben. Ich hatte einfach keine Kraft dafür. Seine raue Hand berührte meine Schulter und ließ mich sofort erschaudern. Er war eiskalt.
"Wusstest du, dass es früher unglaublich viele Druiden gab?" Lachend ließ er von meiner Schulter ab und erhob sich. Ich konnte nur dabei zu sehen, wie sich seine Füße von mir entfernten. "Früher war die Verteilung der Gestaltwandler auch ganz anders. Werwölfe waren unglaublich selten und es glich schon fast einem Wunder, einen Werwolf zu erblicken, gewschweige denn ihm lebend zu entkommen. Die Wendigowak auf der anderen Seite waren die Gestaltwandler, die es am meisten in dieser Welt gab. Sie waren unangefochten und weit verbreitet. Keiner konnte sich ihnen entgegenstellen. Jedenfalls war das der Fall, bis der weise Druide aufgetaucht ist." Wieder fing er an zu lachen. Ich hasste dieses Lachen jetzt schon. Es versetzte mich in eine Art Angststarre und ließ nicht zu, dass ich auch nur einen Muskel bewegen konnte.
"Was redest du da? Was willst du?" Presste ich heraus, aber spürte sofort die Konsequenzen. Meine Arme gaben nach und ließen mein Gesicht mit dem Boden Bekanntschaft machen.
"Will mich da jemand etwa bedrohen? Ich dachte, ich hätte dir gesagt, dass du dir damit nur selbst schadest. Wie dem auch sei, als der weise Druide die beiden Werwölfe Blackstorm und Whitenight aufnahm und unterrichtete, änderten sich die Zeiten. Du kennst vermutlich die Geschichte, wie sie die Gestaltwandler einigen wollte, aber hat dir jemals jemand erzählt, was darauf folgte?" Ich schwieg, als sich seine Füße in meine Richtung drehten und er mich vermutlich fragend ansah. "Natürlich weißt du das nicht. Warum sollte man Werwölfen zeigen, dass deren Vorfahren und legendäre Anführer sehr viel Schaden angerichtet haben? Die beiden Blutsbrüder sind schuld daran, dass sich die Kojoten auf einen Kontinent zurückziehen mussten, die Kitsunes Japan nicht mehr verlassen können und die Wendigowak und Naguals beinahe vollständig ausgerottet wurden."
Ich hielt meinen Atem an. Warum sollte ich ihm auch nur eines seiner Worte glauben? Er griff mich mitten in der Nacht an, verriet mir nicht, was er von mir wollte und erzählte mir irgendwelche Geschichten aus alter Zeit. Ich schwieg.
"Aber auch wir Druiden mussten darunter leiden. Durch die Blutsbrüder kapselten sich die Menschen von den übernatürlichen Wesen ab und hielten ihre Distanz, bis das Wissen über die Gestaltwandler in Legend verschwunden sind. Es konnten keine neuen Druiden mehr erschaffen werden. Wir mussten uns darauf verlassen, dass genügend Druidenkinder geboren werden, da wir sonst ausgestorben wären. Wir mussten uns mit den Werwölfen zusammenschließen, um irgendwie noch geschützt zu werden und der Preis dafür war bedingungslose Loyalität." Seine Stimme schlug in einen ganz anderen Ton um. Er wirkte nicht mehr beherrscht und kalt, sondern wütend und außer sich. "Weißt du, wie das ist, zu wissen, dass wir von denjenigen abhängig sind, die uns in diese missliche Lage gebracht haben? Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, herauszufinden, was in Wahrheit passiert ist und wie ich die Werwölfe und Chimären stürzen kann. Sie sind schuld daran, dass meine Art und unsere Kinder nicht in Freiheit leben können. Ihr werdet dafür den Preis bezahlen."
Und mit diesen Worten packte er meine Haare und riss meinen Kopf in die Höhe. "Mein Name ist Levi Michaels und ich bin einer der Drei Könige. Solltest du nicht wissen, was das bedeutet, wirst du es noch früh genug erfahren." Mein Herz stoppte, als ich seine Augen erblickte. Ich konnte mein eigenes verschrecktes Spiegelbild in seinen tiefschwarzen Augen sehen. Alles war schwarz. Von der Iris zum Glaskörper. Alles war tiefschwarz und es schienen auch schwarze Adern seine Augen zu verlassen und seine Haut zu zieren. "Ich weiß, wer dein Vater ist, Isabelle Whitenight. Ich werde wiederkommen und dich finden. Ich werde dich mitnehmen und du wirst mein liebstes Spielzeug werden. Das kann ich dir versprechen." Seine freie Hand schoss in die Höhe und stoppte kurz vor meiner Wange. Ich dachte erst, er würde mich schlagen, aber als seine kalte Hand meine Wange berührte, merkte ich, dass er nur sanft meine Haut streifte. "Ich werde dich hier rausholen." Seine Stimme hatte einen liebevollen Ton angenommen.
"Das denke ich nicht." Plötzlich wurde es unglaublich heiß und der fremde Druide wurde von seinen Füßen gerissen. "Sie mag dich vielleicht nicht angreifen können, aber das gilt nicht für mich!" Sofort folgte ich der weiblichen Stimme und konnte schwach die Umrisse des jungen Fuchses erkennen.
"Yako!" Ich wollte ihren Namen rufen, aber aus meinem Mund drang nur ein erstickter Schrei. Ich hatte wohl wirkich viel meiner Energie verloren als mir bewusst war.
"Die Füchse glauben also immer noch, sie wären den Werwölfen etwas schuldig. Dabei hätte Himiko doch die Wahrheit sagen können. Na ja, zu tragisch." Der Mann mit den schwarzen Augen richtete sich wieder auf. Das Feuer schien ihn nicht verletzt zu haben, aber wütend wirkte er dennoch.
Sofort flammten Yakos Augen auf. "Nimm niemals wieder den Namen unseres Kyuubis in deinen dreckigen Mund und verschwinde, solange du noch beide Beine hast!" Ein dunkler Schleier aus Rauch begann Yako einzuhüllen.
"Glaubst du wirklich, ich bin hier, um zu kämpfen?" Lachend hob der Mann seine eiskalte Hand und zeigte auf den Erben der Watanabes. "Du wärst besser dran gewesen, wenn du den kleinen Wolf an deiner Seite nicht in die Stadt geschickt hättest. Wie war sein Name noch gleich?"
Schockiert riss sie die Augen auf. "Marco."
"Genau!" Erfreut klatschte der Druide in die Hände. "Ich bin nicht der einzige Druide im Darach-Rudel. Ich habe meine Schüler in die Stadt geschickt, um die Kojoten auszuschalten. Wenn du gegangen wärst, hättest du einige retten können, aber das hat sich wohl erledigt. Dachtest wohl, dass die stärkeren oben bleiben sollten, da hier der Kampf stattfindet. Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, Yako-Chan, aber Jason und ich sind nur die Ablenkung."
Und mit diesen Worten verschwand der Druide in der Dunkelheit. "Warum bleibst du stehen?" Schrie ich zu Yako. Ich spürte durch seine Abwesenheit, meine Kraft zurückkehren. "Er ist ein Eindringling und hat sich als einer der Drei Könige und als ein Druide der Darachs bezeichnet. Wir müssen ihn aufhalten, ehe er davon kommt!"
Schwerfällig rappelte ich mich auf und stolperte auf Yako zu, die immer noch in ihrem heißen Rauch stand. "Du wolltest sterben."
Ich stoppte. Sie hatte mich also auch gehört. "Das spielt jetzt keine Rolle. Levi Michaels kommt noch davon!"
Doch anstatt ihm zu folgen, griff Yako nur nach meinen Armen und zog mich zu sich. Mir fehlte die Kraft, mich von ihr zu lösen. "Caliria und Henni-Chan kämpfen dort draußen gegen Jason Whitenight. Ich habe Marco in die Stadt geschickt, um unsere Allianz zu warnen und ich wollte dich aus der Gefahrenzone retten. Warum sitzt du dann nur auf dem Boden und versinkst in Selbstmitleid?"
Ich starrte sie entgeistert an. "Wir haben wichtigeres zu tun, als über meine absurden Wünsche nachzudenken. Die Kojoten sind in Gefahr. Wir müssen sie retten!"
"Mein Bruder ist suizidgefährdet. Wir nehmen ihn zwar nicht ernst, da er sich selbst nicht umbringen kann, aber ich will es trotzdem nicht hören. Glaubst du wirklich, dass dein Tod irgendein Problem lösen würde?"
Sofort überkam mich eine unglaubliche Wut und ich stieß Yako von mir. "Was ist los mit dir? Wir befinden uns im Krieg und du willst wirklich über meine Gefühle reden? Ok, hier hast du es! Ich kann nichts weiter, als andere in Gefahr zu bringen. Ich sorge ständig für neue Probleme und kann mich nicht mal selbst beschützen, wie du vielleicht gesehen hast. Ich wollte mich bessern und wurde zu einem verdammten Mörder. Willst du mir wirklich erklären, dass ich lebendig für irgendjemand zu gebrauchen bin? Ich bin ein Ripper!"
"Und du bist auch ein Wesen mit einem menschlichen Verstand." Ihre Stimme war immer noch ruhig, aber ich vernahm den Klang von Schmerz und Trauer in ihr. Sie schaute mich nicht an, sondern ballte nur ihre Hände zu Fäusten und schaute zum Boden. "Du hast den Wunsch, dich zu verändern. Olivia mag vielleicht nicht ganz bei Verstand sein, aber sie ist immer noch deine Schwester und liebt dich. Deine gesamte Familie liebt dich. Wenn du nicht für dich leben willst, dann versuche für sie zu leben. Du hast einen menschlichen Verstand und Menschen können sich immer verändern und verbessern. Du magst vielleicht einen schlechten Start gehabt haben, aber das bedeutet nicht, dass du sofort aufgeben musst. Du bist noch so jung und kannst so viel erreicht. Wir haben Olivia und Jiaki an die Darachs verloren. Wenn wir jetzt auch noch die Kojoten verlieren, ist jeder einzelne Kämpfer für uns essentiell. Wir brauchen dich, Izzy."
Schweigend starrte ich sie an. Sie erinnerte mich sehr stark an Peter. "Warum kämpfst du?"
Sie schüttelte nur leicht den Kopf und lachte leise auf. "Ich habe immer nur alles für die Watanabes getan und nie daran gedacht, was ich will. Ich bin genauso unverbesserlich wie du. Zeig keine Gefühle. Verstecke deine Wünsche. Unterdrücke dein Selbst. Sei ein Fuchs und kein Mensch. Das waren immer die Befehle meiner Familie und ich habe es getan, da ich es für das Richtige hielt. Ich habe aber vor einigen Monaten einen jungen Fuchs kennengelernt, der mir zeigte, dass ich mein Leben so gestalten sollte, wie ich es will. Ich bin mittlerweile 23 und habe erst jetzt mitbekommen, was die Welt für mich zu bieten hat. Ich habe mir geschworen, diesen jungen Fuchs als mein eigen Fleisch und Blut aufzunehmen, sollte ich wieder nach Japan gelangen. Was willst du, Prinzessin?"
Ohne zu zögern antwortete ich ihr. "Ich will Olivia retten und jeden, den ich liebe und der mir wichtige, beschützen."
Endlich hob Yako ihren Kopf und lächelte mich sanft an. "Dann lass uns als erstes die Kojoten retten. Caliria und Henni-Chan sollten es schon alleine schaffen, zu überleben, wenn Jason Whitenight und dieser Levi Mitchals nur als Ablenkung diennen."
"Michaels."
"Was auch immer."
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If I hadn't met you
WerewolfVerstehst du denn nicht, dass es die einzige Chance ist? Töte ihn und ich komme zurück. Töte ihn und ich kümmere mich um das Rudel. Töte ihn und wir werden diesen Feind ein für alle mal los. Es spielt jetzt auch keine Rolle mehr... auch wenn er dein...