Kapitel 11

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"Müssen unsere Alten immer so viel streiten?" Genervt warf ich ein weiteres Paar Schuhe in das Zimmer, welches uns vier als Kleiderschrank dienen sollte. Das ganze Haus war riesig. Wir hatten aus irgendeinem Grund fünf Bäder und zehn Zimmer zum Schlafen mit mehreren Betten, zwei Küchen und sechs Zimmer, die wir irgendwie gestalten konnten. Wir waren nur vier. Warum war das so viel und warum waren in einigen Zimmern noch dreckige Sachen?
"Es sind deine Eltern, Liv. Solltest du das nicht am besten wissen?" Fragte Isabelle belustigt und legte ihre Hosen in ein Regel. Auch wenn sie meine Eltern waren, wusste ich nicht alles. Auch sie hatten ihre Geheimnisse, aber manchmal fühlte es sich so an, als würden sie mir gar nichts erzählen.
"Es sind auch deine Eltern, aber na ja, sollen sie halt. Ich misch' mich da nicht ein. Nimmst du meine- Leons Hoodies?" Ich reichte meiner Schwester im Sitzen meine Kleidung und sie trug sie in das Zimmer. Ich saß grad so bequem und wollte nicht aufstehen. "Sag mal, Marco, warum stand nur dein Vater vor der Tür. Ist deine Mutter bei deinen Geschwistern?"
"Oh." Überrascht hob er seinen Kopf aus dem Regal seiner Hosen und schaute mich mit großen Augen an. Scheinbar hatte er nicht damit gerechnet, dass ich ihn in unsere Gespräche miteinbeziehen würde. "Ich habe nur eine jüngere Schwester, aber bei ihr war mein Vater schon. Meine Mutter ist vor drei Jahren gestorben."
Verwirrt stutzte ich. Wir Werwölfe lebten zwar schon seit klein auf sehr eng mit dem Tod zusammen und lernten zu früh das Leid dieser Welt kennen, aber er sprach so unbeschwert davon, dass es zu unnatürlich und gekünstelte wirkte. Nicht ein bisschen Trauer schwang in seiner Stimme mit und es wirkte so, als würde er einfach nur über eine vergessene Hausaufgabe sprechen, die nicht von Bedeutung war. "Das tut mir leid." Murmelte ich, da ich nicht so genau wusste, wie man mit solchen Situationen umgehen sollte. Das hatte ich auch damals bei Isabelle nicht gewusst, weshalb ich sie in den ersten Wochen der Trauer gemieden hatte.
"Schon gut. Meine Mutter und Tante Penny hatten viel Schande über unsere Familie gebracht, aber da Tante Penny ihr Leben dem Internat widmete, konnte ihr verziehen werden." Und schon wieder klang seine Stimme so beängstigend locker. Was hatte er für ein Verhältnis mit seiner Familie?
"Was ist denn das für eine Stimmung?" Ertönte die Stimme meines Bruders und dann erklangen Schritte auf der Treppe und ich konnte Leons blonden Schopf erkennen. "Bevor ihr weiter auspackt, sollt ihr euch noch von euren Eltern verabschieden. Sie hauen jetzt ab."
Genervt atmete ich aus. Ich war grad voll bei der Sache gewesen. Aber dennoch erhob ich mich und lief die Treppe hinab. Unten standen meine Eltern, Thomas und seine Freundin, sowie auch ein Mann im Alter meines Vaters mit platinblonden Haaren, die Marcos sehr ähnelten. Das schien sein Vater zu sein.
"Also meine Kinder, esst schön, hört auf eure Lehrer und macht keinen Unsinn. Ich möchte mindestens einmal im Monat einen Bericht erhalten und versucht bitte, uns keine Schwierigkeiten zu bereit." Unsere Mutter versuchte tapfer zu sein, doch kamen ihr dennoch die Tränen.
"Och Mutter... als ich gegangen bin, hast du nicht so geweint." Empört verschränkte Thomas seine Arme vor der Brust, musste aber trotzdem schmunzeln. Als er 16 war, ist auch nur er ausgezogen, aber bei uns verschwinden drei Kinder vom Essentisch. Das war schon eine drastische Veränderung. "Macht's gut, Kiddies und hört brav auf James. Er weiß, was er tut." Er trat vor und fuhr uns dreien durch die Haare zum Abschied. "Verteidigt meinen Ruf!" 
"Grüßt meinen kleinen Bruder von mir und lernt gut. Wir brauchen solch talentierte Wölfe wie euch." Grinsend winkte uns Auralia. Wie ist sie hier reingekommen? Ich dachte, nur Werwölfe des Internats könnten das Gelände betreten.
Erwartungsvoll schauten wir zu Peter Blackstorm, aber er schwieg nur. Auch als unsere Mutter ihn zum Reden bringen wollte, schwieg er weiterhin. "Vater..." Ich zögerte. "Mach's gut." Er nickte nur stumm und verließ danach den Platz. Ich wusste zwar nicht, was Leon mit ihm besprochen hatte, aber scheinbar sorgte es dafür, dass er seinen Kindern nicht mal in die Augen sehen konnte.
Wir schauten ihnen noch eine Weile hinterher und winkten ihnen, solange sie noch im Blickfeld waren, doch als auch der rote Schopf von Auralia hinter einer Erhöhung verschwand, senkten wir unsere Arme. "Lasst uns weiter ausräumen." Meinte Isabelle schließlich und wir stimmten alle zu, doch bemerkten dann, dass Marco noch mit seinem Vater sprach.
"... halte dich gefälligst daran. Ich kann mir nicht noch eine Schande wie meine Schwester und Frau leisten, verstanden?" Wütend starrte der ältere Silverstone auf seinen Sohn herab und wirkte so, als würde er ihn gleich schlagen wollen. Doch Marco nickte nur stumm und sein Vater war zufrieden. "Viel Spaß, Blackstorms." Mit einem falschen Lächeln verabschiedete er sich und verließ den Platz.
"Was ein schräger Vogel." Murmelte ich und ging vorsichtig auf Marco zu. Seine Augen wirkte glasig und vollkommen leer. "Alles gut? Lass dich von deinem Vater nicht so unterkriegen. Du hast doch uns und wir sind für dich da." Aufmunternd lächelte ich ihn an, aber er nickte nur abwesend und betrat wieder das Wohnhaus. Was hatte sein Vater ihm nur angetan?

Erschöpf warf ich mich auf mein Bett. Es war klar, dass Jungen und Mädchen getrennt wurden, aber nötig fand ich das nicht unbedingt. Wir hatten alle Einzelzimmer, da wir nicht allzu viel Platz einnahmen und mehr Zimmer hatten, als letztendlich nötig waren. Also warum musste man das Haus auch noch trennen? Ein kurzer Blick auf die Uhr sagte mir, dass wir die Zeit zum Abendessen längst überschritten hatten, also erhob ich mich, die Anderen zu holen. Wie erwartet fand ich die Blackstorm-Zwillinge zusammen im Wohnzimmer und mit ihnen war auch Marco, der seinen Lebenswillen scheinbar wiedergefunden hatte.
"Und was machen wir jetzt?" Fragte ich und warf mich auf einen freien Sessel. Ich hatte gar nicht bemerkt, wie sehr mich die Reise ausgelaugt hatte.
"Am besten gar nichts. Wer seid ihr und was macht ihr hier?" Ertönte eine männliche Stimme an der Eingangstür und wir drehte uns verwirrt in die Richtung. In der Tür stand ein Junge mit schwarzen Haaren, die zu einem kurzen Pferdeschwanz gebunden waren und sein Pony hing ihm vor der Stirn. Seine Augen waren braun und wiesen auf seine Herkunft hin. Er schien aus einer asiatischen Region zu kommen, aber er war dafür unglaublich weiß, wenn ich das so sagen darf.
Sofort stand ich auf, da sich sicherlich keiner der anderen drei um das Organisatorische kümmern würde. "Wir sind die neuen Schüler von Jame- Lighthallow und wer bist du?" Ich musterte ihn. Er war nicht sehr groß. Er war kleiner als Leon, aber seine 1,90 Meter überragte auch nur sein älterer Bruder mit knapp zwei Metern.
"Die neuen Schüler also? Dann hat euch James sicherlich nichts weiter erklärt, sonst wüsstet ihr, wer ich bin." Abwertend betrachtete er uns. Er wirkte nicht begeistert von unserer Anzahl oder der gesamten Situation. Da war ich mir nicht ganz sicher. "Ihr seid mehr als erwartet. Eigentlich hatte ich auf einen netten dreier gehofft, aber eine Orgie sollte es auch tun."
Sofort errötete Marco und machte sich hinter einem Kissen klein, während ich nicht sonderlich angetan von diesem Typen war und die Blackstorm-Zwillinge ihn nur gelangweilt betrachten.
"Wer bist du überhaupt, du großer Orgien-Lord?" Belustigt schaute Liv von ihrem Buch auf und musterte nun auch den älteren Wolf. Ihr Blick blieb unverändert, bis sich ihr Blick mit seinem kreuzte. Erst schien sie etwas sagen zu wollen, aber entschied sich dann doch dafür zu schweigen.
"Ich bin Shang Wu aus dem Whitenight Rudel und der einzige Wolf aus dem achten Jahrgang in diesem Haus. Da nicht alle Schüler in ein Wohnhaus passen würden, aber wir uns auch nicht für jede Familie die zehn Häuser leisten könnten, werden alle Wölfe mit zwei Jahren Unterschied zusammengesteckt. Ich hatte echt gehofft, dass meine Juniors nicht so viele sind, aber scheinbar stecke ich hier mit drei Blackstorm Wölfen und einem Silverstone zusammen. Na ganz toll." Was ein sympathischer Kerl. Der soll unser Senior werden? Meinen Respekt hatte er jedenfalls nach dieser Aktion verloren.
"Das ist ja tragisch. Jetzt mach'n Kopf zu und geh in dein Zimmer. Wir wollen uns noch einleben." Mit einer lockeren Handbewegung wollte Liv ihn zum Gehen bringen, doch ließ er sich das nicht gefallen. Normalerweise würden Wölfe, die nicht aus der Alpha Familie stammen, sofort reagieren, aber Shang trat nur stumm an sie heran, ergriff ihre Hand und zog sie vom Sessel auf die Beine.
"Hör mal Kleines, ich bin der Beta der Whitenights und euer Senior. Solltet ihr nicht sputen, könnt ihr gleich wieder eure Sachen packen. Glaub ja nicht, dass du machen kannst, was du willst, nur weil dein Vater die Macht des Alphas stehlen konnte. Ich habe meinen Platz als Beta erarbeitet, also spiel dich nicht so auf, Prinzessin." Und mit diesen Worten stieß er sie zu Boden und verließ das Wohnzimmer.
"Ist er weg?" Ängstlich schaute Marco zwischen seinen Fingern hindurch und schrie leicht auf, als er Liv auf dem Boden sitzen sah. "Ist mit dir alles in Ordnung?" Besorgt sprang er auf und reichte ihr eine Hand, die sie dankend annahm.
"Ja. Ich muss aber sagen, dass wir mit Xuezhang sehr viel Spaß haben werden." Lachte Liv und klopfte Marco aufmunternd auf die Schulter. Was ist ein Xuezhang?

If I hadn't met youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt