Kapitel 21

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"Was spielt dieser Christopher sich so auf? Was glaubt der, wer er ist? Nur weil er Daddys Rudel geerbt hat, denkt der, dass er was zu sagen hat. Lächerlich!" Entrüstet warf Liv die letzte Hose in den Wäschekorb und verließ das Ankleidezimmer. Wir hatten es in der Eile einfach so unaufgeräumt gelassen. Und auch wenn es viel war, wollte Liv sich nicht helfen lassen.
"Der heißt doch Whitenight mit Nachnamen, oder?" Ich stand auf und schloss die Tür hinter mir, nachdem Liv das Zimmer mit einer Reihe von Flüchen verlassen hatte.
"Ja, na und ? Du heißt Reddinson, Xuezhang heißt Wu und Max heißt Gray. Na und?" Schulterzuckend lief sie den Gang entlang und gelangte in das Wohnzimmer, in dem sonst keiner weiter saß. "Worauf willst du hinaus, oh du weise Isabelle?"
"Werde mal nicht so unverschämt. Nur weil du wütend bist, musst du mich nicht gleich beleidigen. Außerdem habe ich nur darüber nachgedacht, was mir Max erzählt hat. Die Werwölfe haben doch mehr als eine Gründerfamilie, es waren die Blackstorms und Whitenights. Christopher ist praktisch wie du nur mit dem Unterschied, dass sein Haus das größte ist und deins zu den kleinsten gehört." Ich warf mich auf einen leeren Sessel und starrte Liv erwartungsvoll an.
"Wir sind nicht gleich!" Genervt zog sie die Lederjacke von Leon aus und warf sie neben sich auf den Boden. "Schau mal." Und mit diesen Worten stand Liv auf und fing an, ihr Hemd - oder Shangs Hemd, wir sind uns durch die Hektik nicht ganz sicher, wem was eigentlich gehört - aufzuknöpfen und ließ dann etwas herunterrutschen. Keiner hatte es an dem Morgen gesehen, aber sollte es allen klar sein. Alphakinder wurden mit gewissen Malen geboren, die sich erweiterten, sollten sie dem Platz des Alphas immer näher kommen. Livs war am kleinsten, da sie die jüngste war. Es war nur eine Triskele direkt an der Stelle am Rücken, wo ihr Herz saß, mit einigen Schnörkeln verziert. Ich hatte einmal einen Blick auf Peters Mal erhaschen können und bei ihm war der gesamte Rücken voller Schnörkel und Malen, die die Werwölfe symbolisierten. Es ging ebenfalls von der Stelle des Herzens aus, breitete sich die gesamten Schulterblätter und teilweise auch die Arme entlang. Dann schlängelten sich die Male seine Wirbelsäule herunter bis zum Steiß, wo der Schwanz des Wolfes herausbrechen würde. "Du erinnerst dich bestimmt an Vaters. Und jetzt stell dir mal vor, dass Christopher mit diesem riesigen Teil geboren wurde!"
Entgeistert starrte ich sie an. Wer sollte mit der Kraft des Alphas geboren worden sein? War das überhaupt möglich?
"Aber was hast du jetzt vor? Er ist scheinbar dein Mate und-" Doch Liv hob sofort ihre Hand, um mich zum Schweigen zu bringen.
"Gar nichts. Ich will nichts mehr mit ihm zu tun haben. Ich weiß nicht, was ein Mate ist und um ehrlich zu sein, will ich meinen auch gar nicht akzeptieren oder wissen, was das alles bedeutet. Er soll einfach nur verschwinden. Ich kann ihn nicht leiden!" Ihre Stimme klang entschlossen, doch sprachen ihre Augen eine andere Sprache, die Sprache des Herzen.
"Und warum kommen dir dann die Tränen beim Gedanken, dass du ihn verstößt?"
Darauf hatte sie keine Antwort. Sie schüttelte nur langsam den Kopf und verließ das Zimmer. Ich saß noch einige Minuten schweigend auf dem Sessel und dachte nach. Wenn das Mal wirklich so ausgebreitet war, dann mussten die direkten Nachfolger die gesamte Partie der Schulterblätter markiert haben, aber warum hatte Thomas die Male nur die Wirbelsäule entlang? Ich konnte mich gut an den Moment erinnern, als er mir das gesamte Prinzip anhand seines Körpers erklärt hatte, aber warum war seins nicht so ausgeprägt? Er war doch der direkte Erbe.
"Na, über was denkst du nach?" Kurz zuckte ich zusammen. Shang hatte das Zimmer lautlos betreten und mich eine Weile angestarrte, soviel wusste ich.
"Warum hast du Christopher und Liv einander vorgestellt. Du kennst doch die Beiden, warum hast du sie trotzdem aneinander gebracht?" Ich setze mich ordentlich hin. Das war ein etwas ernsteres Thema, welches ich auch mal ordentlich mit Shang besprechen wollte.
"Ich habe Christopher noch nie so emotional gesehen und wir sind gemeinsam aufgewachsen. Mag zwar sein, dass sie sehr abweisend wirken, aber sie helfen sich gegenseitig. Du magst es zwar noch nicht sehen, aber der Moment wird kommen. Die Art und Weise, wie Klein Blackstorm von Chris gesprochen und wie er sie manchmal angestarrt hat. Sie wollten sich unbedingt treffen, aber es stehen noch zu viele Dinge zwischen ihnen. Lass ihnen Zeit, aber es wird der Tag kommen, an dem sie sich vervollständigen können."
Überrascht hob ich den Kopf. Er konnte wirklich ernst bleiben! "Du- wer bist du und was hast du mit Shang getan?"
"Ach, halt doch die Klappe." Seine Worte klangen bockig, aber ich konnte das Lächeln auf seinen Lippen sehen.

"Katastrophe!" Müde lehnte sich Isabelle mit dem Kopf gegen die kühle Wand. "Warum informiert uns Shang nie? Nur einmal möchte ich pünktlich sein. Ist das wirklich zu viel verlangt?"
"Wir sind doch pünktlich." Verwundert warf mir Marco einen Apfel hin, welchen ich grade so auffing. Fangen und werfen war eigentlich nie meine Stärke gewesen.
"Schon, aber nur weil wir uns gegenseitig so gestresst aus dem Haus geworfen haben. Und dann stellt sich heraus, dass wir eine Stunde zu früh hier sind." Ein unterdrückter Schrei verließ Isabelles Kehle, während sie sich die Wand herunterrutschen ließ.
"Dann können wir uns wenigstens mental auf unsere erste Stunde vorbereiten." Marco setzte sich neben mich auf den Boden und starrte gegen die blaue Tür. Hinter dieser Tür würden wir ab heute regelmäßig unterrichtet werden über alles, was man über Werwölfe und Gestaltwandler wissen sollte.
"Meint ihr, es wird genauso ablaufen, wie in menschlichen Schulen? So mit Tests und mündlichen Leistungskontrollen?" Fragte ich, während ich vom Apfel von Marco abbiss.
"Nein, wir werden lediglich alles über unsere Art erfahren und ab und zu unser Wissen an Juniore außerhalb unserer Schule weitergeben, damit sie auch einen Überblick haben." Antwortete ein unbekannte weibliche Stimme auf meine Frage.
Sofort drehten wir alle unseren Kopf in die Richtung der Stimme und entdeckten ein Mädchen in unserem Alter. Ich kannte sie, aber war mir nicht ganz sicher, woher ich sie kannte oder ob ich sie für die gleiche Person hielt, da blaue Haare nicht unbedingt häufig vorkommen.
"Und wer bist du?" Müde drehte Isabelle ihren Kopf etwas zur Seite, was sie irgendwie verkrampft wirken ließ.
"Mein Name ist Alex. Ich bin eine alte Freundin von Marco. Ich glaube, wir hatten schon das Vergnügen, uns mal über den Weg zu laufen oder irre ich mich da?" Das blauhaarige Mädchen drehte etwas ihren Kopf zur Seite, um mich anzuschauen.
Stimmt, ich hatte sie neben Lawrence Morgan stehen sehen an dem Tag, an dem ich Christopher das erste Mal getroffen hatte. Ich nickte jedoch nur leicht auf ihre Antwort. Ich wusste nicht genau, wie James es aushielt, so wenig zu schlafen. Ich war schon nach zwei Tagen komplett erschöpft von diesem Schlafrhythmus.
"Hey." Begrüßte Marco seine Freundin, aber beließ es auch dabei.
Sie setzte sich auf den Boden, aber schwieg. Es war eine unangenehme Stille, da keiner so genau wusste, was wir sagen sollten. Mein Bruder hatte sich erst gar nicht die Mühe gemacht aufzusehen, Isabelle schlief wieder in dieser Position und Marco und ich saßen verwirrt neben dieser Alex.
Sie hatte eine sehr auffällige Haarfarbe, aber ihre Augen stachen für mich irgendwie mehr hervor. Sie erinnerten mich immer noch so stark an James grüne Augen.
Irgendwann wurde die Stille von Schritten unterbrochen und ein Haufen weiterer Schüler betrat den Gang. Danach dauerte er nur noch wenige Minuten, bis man in der Masse eine schwarze Robe entdecken konnte und ein junger Lehrer die Tür aufschloss, um uns in den Raum zu lassen.
Wir setzten uns alle in eine Reihe und alles war gut, bis ich merkte, dass auch Alex sich zu uns gesetzt hatte. Irgendwie war sie komisch. Hatte sie nicht eine eigene Gruppe?
"Guten Morgen. Wie jedes Jahr können wir auch heute neue Schüler in unserer Klasse begrüßen." Der Lehrer hatte rote Haare, aber es war ein sehr intensives Rot, das darauf schließen ließ, dass er sich die Haare gefärbt hat. Mit einer fließenden Handbewegung zeigte er auf uns und schaute sofort wieder auf seine Notizen. "Wie ihr vielleicht wisst, bin ich Vincent Brown und der Mentor des Morgan Schülers. Ihr könnt mich Vincent nennen, ansonsten hätte ich nichts weiter zu berichten. Habt ihr noch Fragen oder können wir mit Therianthropie beginnen?" Und als sich niemand meldete, klatsche er in die Hände und fing an zu unterrichten.

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