Unsicher lief ich auf und ab. Liv ist verschwunden und Leon kam den Abend nicht mehr wieder. Nur die kleine Silverstone kam kurz vorbei, um uns ohne Kontext von ihrer Rettungsmission zu erzählen und verschwand dann auch einfach. Es war alles so wirr und dabei sollte das nur ein einfacher Abend werden, an dem ich und Max endlich wie ein normales Pärchen ausgehen konnten. Aber daraus wurde nichts, da ich erfuhr, ein Whitenight zu sein und die Blackstorms von dunklen Druiden geplagt wurden, welche hinter Liv her sind und sie höchstwahrscheinlich entführt hatten.
Nachdem ich Christopher gefunden hatte, sind wir gemeinsam zurückgelaufen, aber da er mir nicht als Mensch in die Augen sehen konnte, verwandlte er sich in einen Wolf und folgte mir auf vier Beinen nach Hause. Ich verstand nun auch, warum Blackstorms als schwarze Wölfe und Whitenights als weiße Wölfe bezeichnet wurden. Das Fell der Blackstorms ist tiefschwarz. Ihr Fell verschmilzt übergangslos mit der Dunkelheit und als Jäger der Nacht sind sie unschlagbar. Sie sind ein einziger Schatten. Sie verschwinden in der Dunkelheit, jagen mit der Schatten und leben im Nebel der Finsternis. Blackstorms sind die Jäger der tiefen Nacht.
Whitenights dagegen besitzen ein schneeweißes Fell. So rein und klar könnte man das Fell dieser Wölfe mit dem Gefieder der Engel verwechseln. In kalten und unerschütterlichen Wintertagen sind sie eins mit der Landschaft. Sie sind das Licht eines jeden Rudels und die Erleuchtung in der verschneiten und undurchdringlichen Welt. Whitenights sind die Jäger der Eiseskälte.
Wenn ich so darüber nachdenke, dann ist mir früher auch schon aufgefallen, dass mein Fell zwar hellbraun ist, aber an gewissen Tagen so weiß wie Schneeflocken wirkte. Aber das spielte eigentlich keine Rolle. Liv war da draußen und ich grübelte über meine Fellfarbe. Lächerlich!
Ein Knall ließ mich jedoch zusammenfahren. Schnell sprang ich auf und rannte in das Wohnzimmer, welches einen direkten Blick auf die Eingangstür gewährte, von dem das Geräusch stammte. Irgendjemand hatte die Tür geöffnet und das anscheinend mit so viel Schwung, dass sie gegen die Wand gekommen ist. Und dort stand Lawrence etwas außer Atem und trug einen bekannten Geruch an sich. Seine blonden Haare standen in alle Richtungen ab und seine Augen besaßen einen wilden Ausdruck, den ich mir niemals in seinen Augen hätte vorstellen können. Sie wirkten wie ein Sturm, der in seinem Inneren wütete und alles aufwirbelte, was in der Reichweite war. Doch dieses wilde Glänzen wurde von einem Geruch überdeckte, der mir vertrauter war als mein eigenes Spiegelbild. Doch konnte ich nicht sagen, was mir so bekannt vorkam, da es sich um Blut handelte.
"Lawrence? Was ist los?" Er ist vor einigen Stunden verschwunden und hatte uns versprochen, er würde erst wiederkommen, wenn jemand Liv oder Leon gefunden hätte. Er hatte mir sogar aufgetragen, auf ihn zu warten, da ich von meinem Ausflug in den kalten, nassen Wald zu erschöpft war. Er zwang mich sogar trotz Protest. Und nun stand er hier. Hoffnung machte sich in meinem Herzen breit.
"Ich habe jemanden mitgebracht." Grinsend trat er zur Seite und ermöglichte mir den Blick auf die Gestalt hinter ihm. Und mein Herz blieb stehen.
"LIV!" Eine Welle von Freude packte mich und ich rannte auf meine Adoptivschwester zu. Ihr ging es gut! Lawrence hat sie gefunden! Sie lebte noch!
Doch ehe ich sie erreichte, erschien eine Hand auf ihrer Schulter, die sie zurückzog. Verwirrt verlangsamte ich meine Schritt und beobachtete eine Frau hinter Liv hervortreten, die tiefschwarze Augen besaß und mich prüfend musterte. Dann änderte sich ihr Blick und sie betrat das Zimmer. Ich wusste nicht, was das sollte. Sie roch anders. Sie sah anders aus und sie gehörte nicht hierher. Was wollte die Frau und warum war sie bei Liv?
"Das ist also der Whitenight, den du schützen willst?" Der Blick der Frau verfinsterte sich und Liv konnte ihr nur einen verwirrten Blick schenken. Woher wusste die Frau von meiner Herkunft? Ich hatte die Frau noch nie gesehen und Liv konnte ihr diese Frage nicht beantworten, da sie von meiner Mutter nichts wusste. Und was meinte sie mit 'der' Whitenight? War ich irgendwas besonderes, dass ich der eine wurde?
"Das ist Isabelle Reddinson. Sie ist- TYRA!" Schockiert wollte Liv den Arm der Frau, die sich Tyra nennen ließ, packen, aber sie war zu schnell. Plötzlich stand sie vor mir und ehe ich reagieren konnte, hatte ich ihre Hand an meiner Kehle und eine Klinge an der Brust. Auch ich konnte nicht schnell genug reagieren, was vermutlich auch daran lag, dass ich einen Menschen unterschätzte. Die Frau stieß mich auf den Boden, was mit die Luft zum Atmen raubte und ich konnte nur still daliegen und hoffen, dass sie mit der kalten Klinge nicht mein Leben beendete.
"Wieso willst du sie schützen?" Finster betrachtete mich Tyra, während sie mich auf den Boden drückte und wie eine wilde Bestie betrachtete. "Sie ist ein Whitenight. Sie ist der Erbe der Hybride. Woher willst du wissen, dass sie nicht zu diesen Darachs gehört?"
Sie wussten davon? Liv wusste davon? Wer sind diese Leute und was ist in dieser einen Nacht geschehen? Wieso sollte ich mit den Darachs zusammenarbeiten? Ich wusste erst seit einer Nacht, dass ich die Cousine des aktuellen Alphas war. Ich war davor nur ein einfacher Wolf, der seine Eltern an die Zwietracht verloren hat. Ich wusste bis vor wenigen Stunden nicht mal etwas von Darachs. Man hörte zwar in Büchern davon, aber keiner würde davon ausgehen, dass man irgendwann so einer Gestalt mal gegenüberstehen würde. Wer würde denn glauben, dass Druiden, Hüter der Welten, friedvolle Wesen, Begleiter der Gründerfamilien, bereit wären, unschuldige Menschen zu opfern und sich der Dunkelheit zu verschreiben? Also was wollte dieser Mensch so dringend von mir?
"Tyra, lass sie los!" Liv ging energisch auf die Frau mit den kurzen Haaren zu, doch wurde erneut zurückgezogen. Dieses Mal war es die andere Frau, welche zwei verschiedene Augenfarben besaß und somit unserem James sehr ähnelte, auch wenn ihr Gesicht sehr vertraut wirkte.
"Ich wusste es doch!" Mit einem düsteren Ausdruck in den Augen hob Lawrence den Kopf und starrte von Liv zu mir. "Ich hätte euch doch töten sollen!"
Doch diese Drohung ging in einem Gelächter unter, was von Tyra stammte. "Tut mir leid dich zu enttäuschen, aber du kleiner Mann hättest uns niemals besiegen können."
Ich wusste nicht, was Lawrence dazu bewegte. War es die Klinge, die auf mein Herz gerichtet war oder der Blick der schwarzhaarigen Frau, die Liv gepackt hatte? Aber Lawrence wirkte plötzlich, wie ausgetauscht, als seine Augen vollständig weiß wurden und er mit einem Satz in das Zimer sprang, direkt auf Tyra.
Diese wich jedoch mit einer leichten Bewegung aus und streifte den jungen Morgan-Erben mit ihrer Klinge am Arm. Es war keine tiefe Wunde, doch er blieb wie paralysiert stehen. Er rührte keinen Muskel mehr und konnte nur gradeaus starren. Was hatte er denn?
"Ihr habt ja gar keine Erfahrung im Kämpfen." Belustigt schaute Tyra zu der anderen Frau. Die beiden schienen tatsächlich mehr Ahnung vom Kampf zu haben, aber wann hätten wir so was auch lernen sollen? "Kleiner Erbe, das ist eine Miyarayo-Klinge. Jeder Nagual besitzt einen besonderen Biss, der anderen seinen Willen aufzwingen kann. Wenn du einmal gebissen wurdest, hast du keinerlei Kontrolle mehr über deinen Körper und Geist. Du wirst zu einer Marionette der Nagual. Das Gift dieses Bisses wurde jedoch extrahiert und mit der Intention, seine Gegner nur aufzuhalten und zu betäuben, wurde diese Klinge erschaffen. Das Gift ist nicht mehr so konzentriert und stark, dass du deine Kontrolle verlierst, aber dennoch sehr effektiv im Kampf. Ein einziger Schnitt mit dieser kalten Klinge wird dir jegliche Kraft und jeden Willen des Kämpfens nehmen. Er wird dir keinen fremden Willen aufzwingen, aber du wirst auch keinen eigenen mehr haben. Ihr solltet mal besser eure Gegner studieren." Lachend ließ sie die Klinge sinken und richtete sie wieder auf mich. Was wollten sie eigentlich?
"Kinder in ihrem Alter sollten auch keine Erfahrung mit dem Tod und dem Kampf ums Überleben haben!" Überrascht drehte ich meinen Kopf, als ich Auralias ernste Stimme vernahm. Sie hielt nicht viel vom Kämpfen. Ihr war es nie lieb, als Thomas zu Raufereien ging, da sie es als unnötig erachtete und nicht verstehen konnte, warum man so etwas machen sollte. Und nun stand sie im Wohnzimmer und musste beobachten, wie zwei fremde Frauen in einer Situation, wie dieser, in ihr Haus eindringen und drei ihrer Freunde bedrohten.
"Wer nicht kämpft, wird nicht überleben." Der Druck um meine Kehle verstärkte sich. "Das Mädchen ist ein Whitenight. Sie wird uns früher oder später verraten. Es wäre ratsam, wenn wir sie jetzt ausschalten und nicht erst auf unser Ende warten."
Warum wurde ich für einen Feind gehalten?
Doch ich hörte ein dumpfes Geräusch, welches mich stutzen ließ. Es klang, wie ein Tritt auf etwas hartes, und als ich zu Liv sah, konnte ich sehen, dass sie gegen die zweite Frau trat, um sich aus ihrem Griff zu winden. "Lass meine Schwester in Ruhe." Wütend wand sie sich aus dem Griff und als es gerade so aussah, als könnte sie sich befreien, drang ein weiteres lautes Geräusch durch die frische Morgenluft.
Es war das Geräusch von zerberstenden Knochen. Es war das Geräusch von Livs Schultern, die brachen, als die schwarzhaarige Frau, die mir so vertraut vorkam, ihr die Arme so verdrehte.
Schockiert schlug sich Auralia die Hände vor dem Mund, aber was hätte sie auch tun sollen? Vor uns stand kein Wolf, sondern ein Wesen, das ich so nicht erwartet hätte. Auralia war nur einfacher Druide ohne die gesteigerten Fähigkeiten der Gestaltwandler. Sie hätte niemals eine Chance gegen dieses blaue Biest gehabt.
Das blaue Auge der Frau wurde mit einem Mal grün und das grüne Auge wurde rot. Sie fletschte leicht mit den Zähnen, als Liv zu Boden ging und als ich ihren Namen schrie, starrte mich die Frau nur an. Ihre Haut wurde blau und schwarze Fellmuster bildet sich am Rand ihres Gesichtes. Lange Klauen packten nun Livs gebrochene Arme und hielten sie leicht hoch. Niemand hätte in diesem Moment einen Nagual vor uns erwartet.
Doch das war nicht das schlimmste an dieser Situation. Erst als Liv ihre Verletzung bermekte und einen Schrei herausließ, hielt ich es nicht mehr aus. Ich wand mich und ignorierte dabei das beklemmende Gefühl meiner Kehle. Ich war sonst immer so nutzlos und konnte nur dabei zusehen, wie andere verletzt wurden. Für einen Moment dachte ich sogar, dass Liv das Genick gebrochen wurde, während ich nur nutzlos auf dem Boden lag. Ich wollte nicht mehr nutzlos sein!
Doch dieser Schrei brach mir das Herz. Es war nicht nur ein Aufschrei vor Schmerz, sondern auch vor Trauer, Überraschung und Verrat. Wer waren diese Frauen und warum taten sie uns das an? Wenn sie die Darachs so hassten, warum griffen sie dann uns an? Wir waren doch ebenfalls gegen diese dunklen Druiden.
Ein Knurren. Das war genug. Ein Knurren und alles war entschieden. Man hatte mich und Auralia hier gelassen für den Fall, dass Liv von alleine zurückkehren würde, während die anderen sie auf dem Gelände suchten. Shang, Marco und Alex dagegen sollten nach Leon schauen, doch sie sind bis jetzt noch nicht zurückgekehrt. Aber jemand anderes stand nun auf der Matte.
Rote Augen musterten den Raum und als sie an Liv hängenblieben, stand ein Junge mit schneeweißem Haar im Zimmer. Ein gieriges Glänzen lag in seinen Augen, doch die Wut überwog.
"Du bist nicht Der Whitenight." Verwundert ließ Tyra von meiner Kehle ab und richtete das Schwert auf den weißen Wolf. "Du bist der Whitenight, den Olivia decken wollte. Warum?"
Doch er knurrte nur als Antwort. Er wollte nicht gegen Tyra kämpfen oder ihr Rede und Antwort stehen, das wusste ich. Sofort richtete ich mich auf und drückte ihre Klinge nach unten. Ich wusste, dass ich nicht viel bewirken kann, aber für den Moment sollte es reichen. Für einen Menschen war sie unglaublich stark, dass es schon fast lächerlich wurde.
Doch als ich ihren Arm packte und somit die Klinge nicht mehr auf Christopher zeigte, konnte er in der Zimmer stürmen und Liv von der schwarhaarigen Frau reißen, die Liv sogar freiließ. Meine Adoptivschwester zischte jedoch vor Schmerz auf, was Christopher für einen Moment aus der Bahn warf, aber das war schon genug.
Tyra stieß mich beiseite und stürmte mit gezückter Klinge auf Christopher zu. Und keiner hätte etwas unternehmen können. Beide wollten einen Whitenight-Kopf rollen sehen und niemand hätte sie aufhalten können. Auralia war viel zu schockiert dafür und konnte sich nicht bewegen, Lawrence war immer noch paralysiert vom Nagual-Gift, ich hatte ebenfall etwas von der Klinge abbekommen und Liv wurden beide Schultern gebrochen.
Und dann schnitt die Klinge das Fleisch. Ein frischer Geruch von Blut erfüllte den Raum und ließ alle geschockt zu Liv und Christopher starren. Aber die Szenerie hatte sich geändert. Liv lag nicht mehr in seinen Armen. Christopher war zwar bereit, diesen Angriff mit seinem Körper abzufangen, aber hatte dabei eine Sache nicht bedacht.
Liv würde niemals zulassen, dass jemand wegen ihr verletzt wird.
Mit beiden Händen hielt Liv die Miyarayo-Klinge. Angespannt starrte sie auf diese, als die Klinge ihre Handflächen zerschnitt, das Blut die Klinge entlang floss und den Boden tränkte und das Gift ihren Kreislauf betrat.
Schockiert drehte sich Christopher um und konnte sie gerade noch rechtzeitig auffangen, als sie das Bewusstsein verlor und gelähmt ihren Halt verlor. Wie zu Stein erstarrt, hielt er ihren zierlichen Körper, als er sich nicht mehr regte.
"Weißt du, warum sie das getan hat!?" Schockiert starrte Tyra auf ihre Klinge und das Blut der jungen Blackstorm. "Er ist doch nur ein Whitenight und somit ein Verbündeter der Darachs! Wir wollen ihr doch nur helfen, warum muss sie sich so quer stellen!" Und es war das erste Mal, dass ich in den Augen des Jägers etwas anderes als Spott, Hohn und Überlegenheit sehen konnte. Dieses Mal war sie wirklich schockiert.
Und die schwarzhaarige Frau antwortet in einer Tonlage, die ich nur allzu gut von Caliria kannte. Sie war belehrend, aber immer noch liebevoll. "Dieser Whitenight ist Olivias Mate."
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If I hadn't met you
WerewolfVerstehst du denn nicht, dass es die einzige Chance ist? Töte ihn und ich komme zurück. Töte ihn und ich kümmere mich um das Rudel. Töte ihn und wir werden diesen Feind ein für alle mal los. Es spielt jetzt auch keine Rolle mehr... auch wenn er dein...