Kapitel 33

16 2 0
                                    

"Du lässt dich also auf diesen dreckigen Kannibalen ein? Hast du etwa auch Lust, einen Bissen zu nehmen?" Lachend hielt ein junger Wolf ihren Arm vor Leons Gesicht und lachte amüsiert, als dieser sein Gesicht wegdrehte. "Hast noch nicht mal die Eier in der Hose, dir meinen Arm anzusehen, da du mich sicher sofort zerfetzen würdest, richtig? Ihr seid wirklich widerlich. Und ihr sollt dir Erben der Blackstorms sein?"
Sofort riss Leonard seinen Kopf in die Höhe und packte mit einer Geschwindigkeit, die ich nicht mit meinen Augen verfolgen konnte, den Hals seines Gegenübers. Ein tiefes Knurren drang direkt aus seiner Kehle, aber er sagte nichts. Er stieß den jungen Wolf lediglich mit einer Drehung gegen eine Wand von sich und ließ sie dort herunterrutschen.
"Leonard! Es reicht!" Sofort eilte ich auf die beiden zu, da er nicht nachlassen würde. Er würde weitermachen und hoffen, dass ihn jemand krankenhausreif schlug. Aber das ließ ich nicht zu, vor allem nicht, da der Name meiner Familie zu sehr involviert wäre und somit auch Alex.
"Lass mich los, Morgan. Das hat rein gar nichts mit dir zu tun. Kümmer' dich um deine Angelegenheiten!" Genervt lief er an mir vorbei, doch packte ich sofort seinen Arm.
"Hör auf so zu tun, als wäre es das Ende Welt. Dann hat sie dich eben verstoßen, aber das bedeutet nicht, dass du dein gesamtes Leben hinschmeißen musst!" Ich hatte es wirklich satt, mir ständig anhören zu müssen, dass ich einen selbstmörderischen Idioten in meiner Truppe hätte. Ja, Leonard war sehr oft bei mir und Alex, aber das machte ihn nicht gleich zu einem Teil unserer kleinen Gruppe. Er war nur hier, weil er sonst keinen Ort hatte.
Schweigend blieb er stehen und starrte angespannt auf den Boden. Ich war mir nicht ganz sicher, ob er es langsam einsah oder weiterhin verdrängte, aber er hasste mich dafür, dass ich es überhaupt so formulierte.
"Na, na, gibt es da etwa Ärger in der Welt der Kannibalen? Habt ihr etwa eure Frauen gegenseitig gefressen? Man sollte euch wirklich einfach nur verbannen oder töten. Ihr seid eine Seuche! Eine..." Doch weiter kam sie nicht mit einer Faust im Mund.
Überrascht zog ich Leonard etwas von dem Geschehen und starrte auf das Mädchen, welches dem jungen Wolf den Kiefer gebrochen hatte, indem sie ihre Hand gegen ihr Gebiss gerammt hatte. "Halt du lieber die Klappe, wenn du keine Ahnung hast!" Verächtlich ließ sie sie fallen und der Wolf fing sofort an, ihr eigenes Blut auszuspucken und dann so schnell wie möglich ihre Beine in die Hand nahm und wegrannte.
"Ihr seid unmöglich. Ich stehe zwar gerne für die Gerechtigkeit ein, aber nicht, wenn diese Situationen von dir provoziert wurden!" Wütend starrte Alex zu Leonard hinauf. Die Hand hing wie ein totes Stück Gewebe an ihr herab und erschuf eine Blutlache neben ihr. Sie mag zwar stark sein, aber die Zähne eines Werwolfes dringen dennoch durch ihre zwarte Haut.
"Ich habe auch nicht darum gebeten, dass mir jemand hilft." Presste der Junge Blackstorm durch die Zähne hervor. Doch als er zum Gehen ansetzte, drückte Alex ihn mit ihrer verletzten Hand wieder zurück.
"Laber' keinen Scheiß. Du hast nicht darum gebeten, dass man dir hilft? Schön, es hat auch keiner darum gebeten, dass ein trotziger, selbstmörderischer Nicht-Werwolf in Lupus Luna herumläuft und ständig einen Streit vom Zaun reißt. Du hast das alles ausgelöst, als du Olivia nicht die Wahrheit sagtest, also lebe mit den Konsequenzen!"
Ich konnte zwar nur den Rücken des Erben sehen, doch ließ mich dieser genug herausfinden. Er war überrascht und schockiert darüber, dass Alex so offen und ehrlich mit ihm darüber sprach und erzürnt darüber, dass sie es wagte, seine Entscheidungen zu beurteilen. "Meine Entscheidungen gehen dich gar nichts an. Ich habe meine Gründe!"
"Dann erkläre es Olivia einfach. Sie ist felsenfest davon überzeugt gewesen, dass du sie niemals belügen würdest und jetzt weiß sie nicht mal, ob du überhaupt ihr Bruder bist." Ich kam näher und legte vorsichtig meine Hand auf seine Schulter. Im Gegensatz zu Alex wollte ich ihn nicht wütend machen. "Sie hat dich gefragt, ob du es bist. Sag ihr die Wahrheit. Sag ihr, dass du kein Lügner bist."
Er verkrampfte sich unter meiner Hand, während Alex' Blut sein weißes Hemd rot färbte. "Ich bin ihr Bruder." Seine Zimmer zitterte, als er diese Worte aussprach, aber er war davon überzeugt. Es entsprach der Wahrheit, was er sagte. Es war seine Wahrheit, die Olivia zu hören brauchte.
"Dann sag ihr das!" Setzte ich an, doch Leonard riss sich los und ging einige Schritte zurück.
Der Kopf war immer noch gesenkt und die Stimme sehr heiser, sodass es mir schwerfiel, ihn zu verstehen. "Ich bin aber auch ein Lügner. Ich habe sie mein gesamtes Leben belogen und würde es immer wieder tun. Das sind zwei unumstößliche Tatsachen, die ich einfach nicht ändern kann, egal was ich dagegen unternehme. Ich bin Leonard Blackstorm, der Erbe, der nur Lügen erzählte und auch nur durch diese überlebt." Wieder zuckte er zusammen, als würde irgendwas nicht stimmen, als würde irgendwas an dieser gesamten Situation und seinen Worten falsch sein, aber er schüttelte nur den Kopf und schwieg daraufhin.
Genauso wenig wie Alex wusste ich, was ich nun sagen sollte, bis ich eine Stimme hörte. Es war der junge Wolf, dessen Kiefer Alex gebrochen hatte. Es gehörte zwar zu den Regeln, dass man seiner eigenen Art auf dem Gelände nichts an tun darf, aber Alex sah darüber gerne hinweg, da sie sich nie dabei verwandelte. Jedoch war sie auch unter ein paar Lehrern nicht sonderlich beliebt und als der junge Wolf mit so einem im Schlepptau ankam, griff Alex sofort nach meiner Hand. In einer Geschwindigkeit, die nur von Werwölfen stammen konnte, lief sie los, schnappte im Vorbeigehen auch Leonards Hand und lief so schnell, wie es ihr möglich war.

Schnell eilte ich vom Gelände der Whitenights über den riesigen Campus des Lupus Luna Internats. Ich hatte Glück, dass ich nicht die einzige hier war und somit mehr oder weniger in der Menge unterging. Mein tiefschwarzes Haar fiel zum Glück auch nicht auf.
Als ich endlich das gotische Hauptgebäude erreicht, wimmelte es bereits von viele Schülern. Es war Mittagszeit und die meisten Schüler trafen sich im Speisesaal. Natürlich hätte man auch in den Wohnhäusern kochen können, aber wenn man niemanden hatte, der wirklich kochen konnte, war das die beste Alternative. Aber ich wollte nichts essen, ich suchte an diesem Wochenende jemand anderes.
Ich hatte zwar keine Ahnung, wo ich mit der Suche anfangen sollte, aber irgendwie wird das schon was werden. Mir war klar, dass sie sich nicht in der ersten Etage aufhalten würde, also entschloss ich, die oberen Etagen abzuklappern, aber da das Gebäude sich so anfühlte, als würde es mit seiner Spitze die Wolken erreichen, stellte sich das als sehr schwierig heraus.
Als ich die fünfte Etage betrat hätte ich beinahe schockiert aufgeschrieen, wenn ich mich nicht beherrscht hätte. Dieses plötzlich Auftauchen war ich zum Glück schon von Leonard gewöhnt. "Was machst du denn hier? Ich sagte doch, dass du Zuhause warten kannst." Verwirrt starrte ich in die grauen Augen meines Gegenübers.
"Erstens das ist nicht dein Zuhause und zweitens warst du viel zu lange weg. Ok, nein, die Wahrheit ist, dass ich dir sofort gefolgt bin." Marco fuhr sich durch sein platinblondes Haar, welches schon fast seine Schultern erreichte und mit dem Pony sehr stark nach einem neuen Haarschnitt schrie. "Du bist auf der Suche nach Tante Penny, stimmt's, Olivia?" Fragend legte es seinen Kopf schief und sorgte dafür, dass ihm sein viel zu langer Pony in den Augen hing. Ich wollte sie ihm unbedingt wegstreichen oder schneiden, doch stattdessen ballte ich nur die Hände zu Fäusten.
"Ich muss sie unbedingt fragen, ob es irgendeine Möglichkeit gibt, meine Eltern zu kontaktieren und ob sie von alledem wusste." Ich merkte, wie meine Augen einen flehentlichen Ton annahmen. Eigentlich war das nicht meine Absicht, aber irgendwie schien ihn das zu erweichen.
Schlaff ließ er seine Arme hängen und grinste mich an. "Ich wollte sie zufälliger Weise heute auch sprechen. Komm mit, ich zeig dir den Weg. Du wärst hier noch eine Weile umhergeirrt. Es gibt im sechsten Stock einen Geheimweg, der direkt in eine unterirdische Etage führt, in der sich Tante Pennys Büro befindet. Wer sie sucht, wird vergeblich suchen, doch wer weiß, wo sie sich aufhält, soll es finden." Er winkte mit seinem Arm nach mir und sofort setzten sich meine Beine in Bewegung. Ich brauchte dieses Gespräch. Ich musste unbedingt mit meinen Eltern darüber reden, denn ich war mir nicht sicher, ob ich Leonard aus eigener Kraft je wieder vertrauen oder überhaupt verzeihen könnte.

If I hadn't met youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt