Kapitel 97

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Ich schwebte in Dunkelheit. Was genau ist passiert? Was habe ich verpasst? Ich wollte mich umdrehen, aber meine Glieder fühlten sich schwer wie Blei an und meine Lider wollten sich nicht öffnen lassen. Genervt seufzste ich.
"Bist du wach?" Eine Stimme drang an mein Ohr. Sie stammte von einer Frau. Ich kannte sie nicht, aber sie wirkte sehr liebevoll. Jedenfalls ging ich davon aus. Es klang nicht so, als würde sie mich in nächster Zeit enthaupten wollen und das war schon mehr, als ich hätte verlangen können.
Mein Mund fühlte sich ausgetrocknet an und als ich ihn öffnen wollte, geschah nichts. Ganz toll, wie soll ich jetzt mit ihr kommunizieren? Tief in meinem Inneren versuchte ich ein Knurren zu erzeugen und glücklicher Weise klappte es auch.
"Sehr gut. Mein Name ist Auralia Gray. Lawrence Morgan hat dich hierher gebracht, nachdem er und Alexandra Williams deine Angreifer ausgeschaltet haben. Er kann seine Kraft noch nicht ganz kontrollieren, weshalb er Leute teilweise nicht nur für einige Stunden bewusstlos schlägt, sondern dafür sorgt, dass sie sich Tage nicht bewegen können. Nimm es nicht persönlich. Er hat's nur nicht drauf." Ich mochte ihre Stimme. Sie klang anders als die meiner Familie, die immer der Meinung war, mich anmeckern zu müssen, wenn ich mal so war, wie ich nunmal war.
"Eric..." Hauchte ich und war erstaunt, dass meine Stimme doch noch erklang. Es war zwar nicht sonderlich laut, aber ich denke mal, dass ein Werwolf mich schon verstehen müsste. Wir haben immerhin sehr gute Ohren.
"Tut mir leid, was hast du gesagt?" Ich spürte, wie mein Bett etwas absank und ein warmer Atem mein Gesicht streifte. Überrascht von dieser plötzlichen Entwickling, riss ich meine Augen auf und starrte gegen zwei dicke Brillengläser. "Oh." Die junge Frau über mir schien überrascht zu sein, aber wirkte nicht sonderlich schockiert. "Du kannst dich jetzt schon bewegen? Dabei hätte ich schwören können, dass Lawrences Schlag dich einige Tage betäuben würde."
"Wie lange..." Begann ich meine Frage, aber als Lady Gray immer noch nicht von mir weichen wollte, drehte ich meinen Kopf zur Seite und versuchte sie wegzudrücken. Sie war größer, als ich sie mir bei dieser Stimme vorgestellt hätte.
Sie verstand auch ohne meine Frage, was ich wollte. "Du hast 18 Stunde geschlafen. Ich gehe mal davon aus, dass du ein Kämpfer bist. Der Plan war eigentlich, dich erstmal in Nalawe zu behalten, bis du dein Bewusstsein wiedererlangt hast, weshalb wir Lord Silverstone mit den anderen Wölfen schon nach Lupus Luna geschickt haben." Die junge Frau erhob sich und fuhr sich durch ihr rotes Haar. Ein Ginger! "Das ist jetzt ziemlich ungünstig. Wir hätten dich hierbehalten können, weil du ohnmächtig warst, aber dich bei Bewusstsein hier zu lassen, ist ziemlich riskant."
"Warum habt ihr mich nicht bewusstlos nach Lupus Luna geschickt und warum ist es hier zu gefährlich für mich?" Ich wollte mich aufsetzen, aber als ich diese Frage stellte, merkte ich, dass ich keine Kraft hatte, zwei Dinge gleichzeitig zu tun, weshalb ich wieder in das weiche Bett sank.
"Ich habe eine Barriere errichtet, um jeden unerwünschten Gast aus dem Internat zu halten, damit die Unbeteiligten sicher sind. Ich kann niemanden ohne ihre Einverständnis nach Lupus Luna lassen, da Darachs diese Methode verwenden könnten, um dort einzufallen. Du bist hier nicht sicher, da wir nicht wissen, welches Blut du in deinen Adern trägst und ob du vielleicht krank werden könntest."
"Was hat mein Blut mit einer Krankheit zu tun?" Ich hatte noch nie zuvor einen Druiden so nahe gesehen. Ich war fasziniert.
Lady Gray ging von meinem Bett und zog aus einer Tasche ein gläsernes Gefäß. "Dieses Blut wurde vor einigen Monaten in Nalawe verteilt. Es ist das Blut von einem sehr mächtigen Darach. Es sorgt dafür, dass jeder, der Kojotenblut in seinen Adern trägt, ausgelöscht wird. Wenn man nicht bei Bewusstsein ist, tut das Blut keinem etwas an, aber sobald man wach ist, hat dieser Fluch einen Effekt und du wirst unglaublich krank."
Ich hatte gehört, dass ein Drittel der Allianz ausgeschaltet wurde, aber ich hatte gedacht, dass sie tot wären. Es ergibt aber auch irgendwie Sinn. Die Allianz besteht aus drei Teilen, Werwölfen, Kojoten und Kitsunes. Zwar gibt es noch Individuen anderer Familien, aber die waren so gering in ihrer Zahl, dass man sie einfach zu den Werwölfen zählte. Wenn man einen Drittel einfach getötet hätte, wären sie geschwächt gewesen, aber um Verletzte muss man sich kümmern. Tote sind einfach tot, aber Verletzte oder Kranke versucht man noch am Leben zu halten, was mehr Personal und Kraft kostet als jemanden zu beerdigen. Es war kein dummer Schachzug der Darachs, die Allianz so anzugreifen. "Ich spüre nichts." Sagte ich dann. Ich wusste, dass die Goldenforests eine relativ reine Ahnenreihe hat. Es war nicht unbedingt beabsichtigt. Ich habe nicht davon gehört, dass irgendeiner meiner Verfahren mit einem Kojoten verwandt gewesen sein soll.
"Kannst du mir dann helfen? Die Füchse haben alle Hände voll zu tun, die Darachs ausfindig zu machen, weshalb Yako-Sama mir auch nicht beistehen kann und die Werwölfe sind voll und ganz damit beschäftigt, Unschuldige und Unbeteiligte zu retten. Ich habe hier nur sehr wenig Personal, um mich um alle Kojoten zu kümmern. Tyler- ich meine, Lord Silverstone wird voraussichtlich in einer Woche wieder da sein. Könntest du mir bis dahin unter die Arme greifen?" Bittend schaute mich die junge Frau an. Ich konnte hinter ihren dicken Gläsern zwei sehr erfahrene und weise Augen sehen. Sie war eine wunderschöne Frau, warum konnte ich keinen Partner an ihr riechen? Wer würde so eine Schönheit nicht haben wollen? Obwohl ihre Art nichts mit dem Krieg zu tun hatte, opferte sie alles, was sie hatte und was sie ausmachte, für diese Allianz, ihre Freunde und Familie. Das war bewundernswert.
Langsam nickte ich. "Ich würde aber erstmal gerne wissen, wer du bist- wer sie sind." Ich wusste nicht, ob das unangebracht war, aber die junge Frau hatte mir nur ihren Namen verraten.
"Ich bin Auralia Gray. Mein Vater war Xavier Gray, der Druide und Berater Peter Blackstorms. Mein jüngerer Bruder ist der Mate von Isabelle Whitenight und ich bin der Mate von Thomas Blackstorm. Ich bin praktisch das jüngere Equivalent meines Vaters."
Ich zögerte. Sie war also ein sehr hohes Tier und ich hatte die Frechheit, sie zu duzen."Moment- ist Thomas Blackstorm nicht der Alpha der schwarzen Wölfe? Macht das euch nicht zur Luna?" Ich konnte ihren Mate nicht an ihr riechen.
Lady Gray schwieg. Ich traute mich nicht, noch mal nachzufragen, also sprang ich nur vom Bett, als sie den Raum verlassen wollte. Sie schwieg auch weiterhin, als wir die Krankenstation verließen. Hatte ich dünnes Eis betreten?
"Ich hatte mal was mit Lord Blackstorm." Überrascht hob ich meinen Kopf, als wir um eine Ecke bogen und Lady Gray mir nach einer Weile des Schweigens antwortete. "Es geht dich eigentlich nichts an, aber ich habe die Beziehung beendet. Er hat etwas furchtbares getan, das ich ihm nicht verzeihen kann."
"Ist es denn so verherrend, dass sie ihm nicht mal unter die Augen treten können?" Ich wollte nicht unhöflich wirken, aber ich hatte noch nie davon gehört, dass eine junge Frau freiwillig das Privileg einer Luna aufgeben würde, weil ihr Partner etwas schlimmes getan hat. Wir waren letztendlich Werwölfe und töten gehörte eben zu unserem Leben dazu. Ich konnte mir nicht vorstellen, was schlimmer als Mord sein konnte, das nicht zu vergeben war.
"Wie kommst du darauf?" Sie blieb stehen und schaut zu mir hinab. Sie war wirklich groß.
"Stand er nicht in einem Zimmer dort hinten." Ich drehte mich um und zeigte auf ein Zimmer hinter uns auf der rechten Seite. Ich wusste nicht, wie der Alpha der schwarzen Wölfe aussah, aber ich hatte eine mächtige Präsenz vernommen, die schon etwas angsteinflößend war. Ich hatte das nie von unserem alten Alpha, Marcel Nolan, wahrgenommen, aber der war auch kein Blackstorm.
Sie zögerte. "Ja." Ihre Antwort war leise, aber bestimmt. Ich zweifelte nicht daran, dass sie es ernst meinte. Ihre Augen hatten ein entschlossenes Strahlen, das ich in meinen Augen vermisste. Mich wundert trotzdem, dass ich ihn nicht riechen konnte. Auch wenn man seinen Mate von sich stößt, bleibt der Geruch. Meinem älteren Bruder ist mal was ähnliches passiert. Sein Mate starb bei einer Fehde seiner Familie und obwohl Jahrzehnte vergingen, haftete der Geruch seiner großen Liebe immer noch an meinem Bruder. Bis er ebenfalls ermordet wurde und ich zugucken durfte. Ironisch. "Jedenfalls..." Begann sie, als wir vor einer großen Tür stehenblieben. "wir befinden uns hier im Sanatorium von Nalawe. Es befinden sich alle kranken Alliierten hier, da ich sonst den Überblick verlieren würde. Ich habe dir ja geasgt, dass sich die Krankheit nur ausbreitet, sobald man bei Bewusstsein ist, nicht? Wundere dich deshalb nicht, warum alle schlafen. Es ist zu ihrer eigenen Sicherheit."
"Ich habe davon gehört. Können Druiden andere Wesen nicht in eine Art künstliches Koma versetzen, um Schmerz zu reduzieren und die Heilung zu beschleunigen?" Ich kannte zwar keinen Druiden, aber mein kleiner Bruder hatte eine Tendenz dazu, alles mögliche erforschen zu wollen. Zu schade, dass sein Schädel zertrümmert wurde.
Lady Gray lächelte sanft. "Es ist lange her, seitdem ich das letzte mal mit einem Wolf neben meinem Bruder über Druiden-Angelegenheiten reden konnte."
"Ein anderer Wolf? Euer Bruder ist ein Werwolf?"
Lady Gray nickte. "Bist du bereit?"
Und nun nickte ich.
Die schwere Tür schwang auf und sofort stieß mir ein stechender Geruch von Blut und Eisen entgegen. Ich hatte zwar damit gerechnet, dass die Kojoten sehr intensiv riechen werden, aber das war einfach nur lächerlich. Es war so unglaublich penetrant, dass schon fast meine Sicht verschwamm. "Was ist das?" Ich wich zurück und hielt mir eine Hand vor meine Nase. "
"Das ist eine Nebenwirkung des Fluchs. Es ist ziemlich nervig, da durch diesen Gestank nur Nicht-Gestaltwandler etwas gegen den Fluch unternehmen oder die Kranken versorgen können. Nimm das hier." Sie hielt mir eine Maske entgegen. "Es sollte den Gestank von Tod und Verwesung herausfiltern."
Ich nahm es dankend an und band mir die Maske um. Und tatsächlich wurde der Gestank weniger penetrant. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass es so unglaublich nach Tod gestunken hat. Ich hatte nur Blut und Metall wahrgenommen. Es war wirklich betäubend.
"Hör zu, ich habe nicht lange Zeit. Mein Bruder wartete auf mich. Er wollte mir eine mögliche Lösung für unser Problem zeigen. Dass du wach wirst und hier aushilfst, passt nicht in meinen Terminplan, also kann ich dir nicht viel weiterhelfen. Yako-Sama sollte demnächst vorbeikommen. Sie kann dir weiterhelfen. Halte dich von Shang Wu fern und versuche niemanden zu töten. Viel Glück!" Und mit diesen Worten drehte sie sich um und rannte den Gang entlang, den wir gekommen sind.
Nun stand ich hier alleine vor einem Haufen kranker Kojoten. "Kommst du rein oder guckst du nur doof?" Schockiert zuckte ich zusammen und drehte mich um. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass irgendjemand meine Anwesenheit bemerken würde.
Langsam drehte ich mich um und durchstreifte mit meinen Augen den Raum. Ich sah manche Kojoten ruhig schlafen und andere röchelnd husten. Einige sahen ganz normal aus, als würden sie nur tief und fest schlafen, während die nächsten furchtbar aussahen. Es gab einen jungen Mann, dessen Haut wirkte, als hätte man mit einer glühenden Klinge Teile seiner Haut entfernt. Seine Haut war unglaublich blass und selbst im Koma wirkte er, als hätte er unendliche Schmerzen.
Zögernd betrat ich den Raum und schloss die Tür hinter mir. Vermutlich sollte ich mich eigentlich nach dem Besitzer der Stimme umsehen, aber dieser Kojote beunruhigte mich.
Ich lief gezielt, aber vorsichtig auf den jungen Mann zu und bleib kurz vor ihm stehen. Seine hellen Haare schienen nass in seinem Gesicht zu hängen und jeder Atemzug rasselte.
"Das ist Marco Silverstone." Erneut ertönte die Stimme und sie war erschreckend nah. Ich schaute nach links und starrte direkt in zwei tiefschwarze Augen. Sie trug keine Maske, also konnte sie kein Gestaltwandler sein. "Keiner sonst hier ist in diesem kritischen Zustand und das liegt daran, dass er sie gerettet hat. Er hat relativ schnell mitbekommen, dass etwas nicht gestimmt hat und hat die meisten Alliierten schon aus der Gefahrenzone bringen können, bevor irgendjemand gestorben ist. Das resultierte jedoch daraus." Die Frau kam etwas näher und hockte sich neben diesen Marco Silverstone hin. "Wir wissen nicht, ob er es überleben wird. Wir konnten ihn nicht in ein Koma versetzen. Das bedeutet, wenn er aufwacht, könnte er direkt sterben. Und das könnte jederzeit geschehen. Wir können ihn aber auch nicht aus Nalawe schaffen, da wir ihn nicht verteidigen könnten. Uns bleibt nur das Hoffen und Beten übrig. Er ist der Grund, warum die Kojoten noch leben. Doch zu welchem Preis?"
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Die Frau schien sich echt um ihn zu sorgen, da jede Bewegung sehr behutsam und bewusst war. Sie schien ihn nicht aufwecken zu wollen. Ich bezweifelte jedoch, dass dieser junge Mann irgendwas mitbekommen würde.
"Er schafft das schon." Eine schwache Stimme erklang und zog sofort meine Aufmerksamkeit auf sich. Irgendwie konnte ich nicht anders.
"Dich hat keiner gefragt, Whitenight." Genervt stand die Frau neben mir auf, aber hatte ein Lächeln auf den Lippen. Hatte sie grad Whitenight gesagt?

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